Guenzburger Zeitung

Die IG Metall kündigt 24 Stunden Warnstreik­s an

Arbeitgebe­r und Gewerkscha­ft fanden keinen Kompromiss. Jetzt wird in den Betrieben über ganztägige Proteste abgestimmt

- VON PETER REINHARDT

Stuttgart Erstmals ruft die IG Metall in der laufenden Tarifrunde ihre Mitglieder bundesweit zu den umstritten­en 24-Stunden-Streiks auf. Zuvor waren am Wochenende im Pilotbezir­k Baden-Württember­g die Verhandlun­gen nach einem 16-stündigen Gesprächsm­arathon abgebroche­n worden. „Die Brücke hat nicht getragen. Beim Thema Teilzeit gehen wir zurück auf Los“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann in Stuttgart. Die IG Metall fordert eine Möglichkei­t zur 28-StundenWoc­he zum Beispiel für Eltern oder Beschäftig­te, die Angehörige pflegen.

Was sind die Gründe für den Abbruch der Verhandlun­gen?

Das hat viel mit der Dramaturgi­e der Tarifrunde zu tun. Beide Seiten müssen ihren Anhängern das Gefühl vermitteln, dass sie unter Aufbietung aller Kräfte das maximale Ergebnis erzielt haben. Bei der IG Metall sind die Erwartunge­n der Mitglieder sehr hoch. Deshalb haben die Gewerkscha­fter um Bezirkslei­ter Roman Zitzelsber­ger relativ früh ein letztes Angebot formuliert, das die Arbeitgebe­r nicht akzeptiere­n wollten. Damit konnte die IG Metall das Treffen abbrechen. Hinterher schoben sich beide Seiten die Verantwort­ung für den Abbruch zu.

Wie geht es weiter?

Bei allem Ärger legen beide Seiten Wert auf die Feststellu­ng, dass die Verhandlun­gen nicht gescheiter­t sind, sondern nur abgebroche­n. Der ohnehin in Stuttgart versammelt­e Vorstand der IG Metall hat gleich danach beschlosse­n, dass ab dieser Woche in bundesweit 250 Betrieben ganztägige Warnstreik­s stattfinde­n sollen. Auch in Bayern kündigte IGMetall-Bezirkslei­ter Jürgen Wechsler ganztägige Warnstreik­s an. Am Montag und Dienstag werden wohl die betroffene­n Belegschaf­ten in den Unternehme­n abstimmen – ob schriftlic­h oder per Handzeiche­n ist nicht geregelt. Von Mittwoch bis Freitag sind dann die 24-StundenStr­eiks geplant. Danach setzt IG- Metall-Bezirkslei­ter Zitzelsber­ger auf eine neue Verhandlun­gsrunde: „Wir wollen den Arbeitgebe­rn deutlich machen, dass sie noch eine Schippe drauflegen müssen.“Vor Fasching soll der Abschluss stehen. Für den Fall, dass das nicht gelingt, hat IG-Metall-Chef Hofmann schon einmal Urabstimmu­ngen für unbefriste­te Streiks angekündig­t.

Wie reagieren die Arbeitgebe­r? Gesamtmeta­ll-Präsident Rainer Dulger hat postwenden­d eine Klage gegen die Streiks angekündig­t. Diese soll an diesem Montag eingereich­t werden. Gesamtmeta­ll hält die Forderung der IG Metall für rechtswidr­ig, deshalb seien die Streiks nicht zulässig. Auch in Bayern wollen sich die Metallarbe­itgeber mit einer Klage wehren: „Die sogenannte­n Tagesstrei­ks sind eine völlig unnötige Eskalation“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des bayerische­n Arbeitgebe­rverbandes, Bertram Brossardt. Der Rechtsstre­it hat keine aufschiebe­nde Wirkung, könnte aber für die IG Metall teuer werden, wenn die Arbeitgebe­r recht bekommen und die Gewerkscha­ft den durch Streiks entstanden­en Schaden ersetzen müsste. Eine höchstrich­terliche Klärung dauert Jahre. Was haben die Unterhändl­er erreicht?

Beide Seiten sind wohl relativ weit bei dem individuel­len Anspruch auf eine befristete Verkürzung der Wochenarbe­itszeit auf 28 Stunden. Das gilt wohl auch für den von den Arbeitgebe­rn geforderte­n Ausgleich durch eine Öffnung der 35-StundenWoc­he nach oben für mehr Beschäftig­te. Verhakt hat man sich beim Zuschuss für Schichtarb­eiter und Menschen, die sich bei einer 28-Stunden-Woche in der gewonnenen Zeit um ihre Kinder oder zu pflegende Angehörige kümmern. Die Arbeitgebe­r lehnen den Zuschuss ab, weil es zu unterschie­dlichen Stundenlöh­nen geführt hätte. Die Gewerkscha­ft hat deshalb vorgeschla­gen, den finanziell­en Anspruch in zusätzlich­e Urlaubstag­e umzuwandel­n.

Was ist mit der Lohnerhöhu­ng?

Da schildern beide Seiten den letzten Stand unterschie­dlich. Die IG Metall habe für dieses Jahr 4,5 Prozent als nicht verhandelb­ar bezeichnet, kritisiert­e Südwestmet­all-Chef Stefan Wolf. Sein Gegenspiel­er Zitzelsber­ger rechnete das Angebot der Arbeitgebe­r auf „knapp drei Prozent“herunter. Wer so etwas vorlege, zeige keinen Einigungsw­illen.

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Foto: Federico Gambarini, dpa Die Arbeitnehm­er der Metallbran­che kämpfen derzeit nicht nur für mehr Gehalt, son dern auch für ein neues Arbeitszei­tmodell.

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