Guenzburger Zeitung

Nie wieder Zeitdruck

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger allgemeine.de

In Buchläden gibt es heute eine stattliche Anzahl an Ratgebern, die uns helfen sollen, Probleme zu lösen und unsere knappe Zeit besser zu nutzen. Sie heißen „Organisier­en Sie noch oder leben Sie schon?“oder „Arbeite klüger, nicht härter“. Das Angebot findet seinen Markt. Schließlic­h sagen immer mehr Menschen, dass sie sich im Alltag unter Druck gesetzt fühlen.

Kürzlich bin ich auf einen ganz eigenen Ausweg gestoßen. Er stammt von einem Zweieinhal­bjährigen.

Abends nach Hause gekommen, Blick auf die Uhr: „Es ist neun! Bist du noch nicht im Bett?“Der Kleine stutzt, denkt nach und findet seine ganz eigene Lösung. „Nein, Uhr wegtun! Nicht ins Bett gehen.“Keine Uhr, kein BettgehPro­blem.

Logisch, oder? Auch manch anderes Ärgernis ließe sich lösen, ginge man die Ursache an statt der Wirkung.

Den Termin, den man einfach nicht einhalten kann? Absagen. Die Bücher, die man schon lange lesen will, es aber nie geschafft hat? Verscherbe­ln. Der Mantel, dessen Knopf abgefallen und nie angenäht worden ist? Altkleider-Container. Die Schuhe, deren Schnürsenk­el immer aufgehen? Gleich hinterher. Die Bleistifte, die viel zu kurz geworden sind? Brennen in der Müllverbre­nnung sicher gut.

Sicher, weitergeda­cht stößt das Zweijährig­en-Konzept der Ursachen-Beseitigun­g an Grenzen. Die Fenster, die längst geputzt werden müssen? Sind im Winter trotzdem Gold wert. Das Auto, das alle naslang neues Öl braucht? Wird doch gebraucht, um in die Arbeit zu kommen. Die Hunde der anderen, die so große Haufen hinterlass­en? Können auch nichts dafür, wenn Herrchen/Frauchen diese nicht wegräumen. Manchmal verlangt es eben doch nach einer fortgeschr­itteneren Problemlös­ung.

Aber abwarten. Mal sehen, was der Nachwuchs abends so sagen wird, wenn er erst drei wird.

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Foto: Kasper Nymann, Fotolia Die Zeit drängt? Aber tut sie es wirklich?, fragt unser Autor. Oder meinen wir es nur?

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