Guenzburger Zeitung

Wie der Hund das Warten lernt

Die Vierbeiner stehen gerne im Mittelpunk­t. Besitzer, die das ändern möchten, müssen selbst Geduld haben

- VON TANJA WARTER rat@augsburger allgemeine.de

Im Mittelpunk­t zu stehen, ist für viele eine feine Sache. Alle Augen sind auf die Figur im Zentrum gerichtet, im besten Fall erntet diese Bewunderun­g und Anerkennun­g. Und wenn es nicht optimal läuft, so ist ihr doch die Aufmerksam­keit aller Anwesenden gewiss. Um in den Mittelpunk­t des Geschehens zu rücken, greifen schon Kleinkinde­r in die Trickkiste. Sie lächeln und klimpern mit den Wimpern. Und wenn die Charmeoffe­nsive nicht reicht, hilft ein kräftiges Schreikonz­ert, um garantiert der Mittelpunk­t zu sein.

Bei Hunden ist das kaum anders. Auch für Hunde gibt es nichts Schöneres als ungeteilte Aufmerksam­keit. Die meisten Vierbeiner kennen etliche Methoden (anstupsen, Pfote auf das Knie legen, Spielzeug anschleppe­n, Köpfchen schief legen, winseln), damit sich die Welt um sie dreht. Das kann im Alltag aber nicht immer der Fall sein. Fast alle Menschen haben auch noch anderes zu tun, als sich permanent dem Hund zu widmen.

Hier beginnt für Hundebesit­zer ein Konflikt. Weil sie für den Liebling nur das Beste wollen, muten sie ihm Aufgaben, die mit dem Entzug von Aufmerksam­keit zu tun haben, gar nicht erst zu. Ein Beispiel: Der Hund soll sich daran gewöhnen, in der Transportb­ox zu sitzen – also an einem Ort, von dem aus er nicht in ständigem Kontakt mit Herrchen oder Frauchen sein kann. Es ist vorhersehb­ar, dass er sich anfangs beschweren wird und am Gitter kratzt. Wer hat da nicht das Bedürfnis, den Schützling gleich herauszuho­len?

Genau da liegt das Problem. Während sich Sitz oder Platz sofort mit einem Leckerli belohnen lassen, lernen Hunde das Warten im Körbchen oder Alleinblei­ben nur mit einem Frusterleb­nis. Das wollen sie durch Betteln nach Aufmerksam­keit ausgleiche­n. Erst, wenn dieses Betteln ignoriert wird, kann der Hund für sich erkennen, dass Alleinsein kein Weltunterg­ang ist. Wer aber sofort nachgibt und Sätze äußert wie „Unser Hund kann nicht allein bleiben“, schiebt seinen eigenen Erziehungs­fehler dem Hund in die Schuhe. Oft richten diese Menschen ihren Alltag dann so ein, dass der Vierbeiner wirklich keine Sekunde allein bleiben muss. Und sollte es unbedingt nötig sein, werden Nichten, Enkel oder Schwiegere­ltern aktiviert, um als Hundesitte­r einzusprin­gen. Am Ende steht ein vollkommen verwöhnter Hund.

Das macht das Tier nicht glückliche­r! Im Gegenteil. Es bekommt viel schneller Stress, wenn jemand den Raum verlässt oder den Mantel anzieht. Alleinblei­ben übt man, indem man anfangs kurz die Tür hinter sich schließt und dann ohne Trara wieder öffnet. In kleinen Etappen wird gesteigert. Auch Hundebesit­zer müssen Aushaltenk­önnen erst lernen. Lernt der Mensch es aber nicht, kann der stets lästige und nervöse Hund das gesamte Umfeld an seine Grenzen bringen.

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Foto: Jörg Hüttenhöls­cher, Fotolia Alleine so entspannt im Körbchen liegen, ist für viele Hunde ein Problem. Aber die Tiere können es lernen.
 ??  ?? Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.
Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

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