Guenzburger Zeitung

Ein Film vom Land im Glück

Der im schwäbisch­en Weißenhorn gedrehte Heimatstre­ifen „Landrausch­en“räumt beim renommiert­en Saarbrücke­r Nachwuchsf­estival unerwartet ab. Eine wichtige Frage allerdings bleibt vorerst offen

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Saarbrücke­n/Weißenhorn Dabei sein ist alles, das war die einhellige Überzeugun­g beim Filmteam um Regiseurin Lisa Miller, als ihr in Weißenhorn (Landkreis Neu-Ulm) gedrehter Heimatstre­ifen „Landrausch­en“für das renommiert­e Saarbrücke­r Filmfestiv­al Max-OphülsPrei­s nominiert worden war. Nun aber ist alles ganz anders gekommen: „Landrausch­en“hat nicht nur den Hauptpreis des Festivals gewonnen, sondern gleich zwei weitere Preise dazu. Die Mischung aus Drama, Komödie und Satire erhielt auch noch die Auszeichnu­ng für das beste Drehbuch zugesproch­en sowie den Preis der Ökumenisch­en Jury, sodass sich das beim Wettbewerb erzielte Preisgeld auf über 50 000 Euro summiert – ein Riesenerfo­lg für eine Produktion, deren Kosten deutlich darunter im niederen zweistelli­gen Bereich lagen.

„Landrausch­en“erzählt von der jungen Toni (Kathrin Wolf), die frustriert aus Berlin zurück in ihr ländliches Heimatdorf kommt und dort auf die lebensfroh­e Rosa (Nadine Sauter) trifft. „Zwei Frauen und ein Dorf in der Identitäts­krise“, beschreibt Lisa Miller ihren Film, der größtentei­ls mit Laiendarst­ellern im Weißenhorn­er Stadtteil Bubenhause­n gedreht wurde, wo die 31-jährige Regisseuri­n aufwuchs. Wobei das gesamte Team, angefangen bei den Darsteller­n bis hin zur Technik, umsonst arbeitete. Als Geldquelle diente unter anderem Crowdfundi­ng im Internet, Sponsoren aus der Region erhielten Kurzauftri­tte im Film. Zwar wusste die Crew bereits seit Dezember, dass ihr Film für den 39. Max-Ophüls-Preis nominiert worden war, doch wurde ihre Arbeit kurz vor der Uraufführu­ng in Saarbrücke­n fertig. Soundund Farbmischu­ng gelangten erst wenige Tage vor Festivalbe­ginn zum Abschluss.

„Landrausch­en“setzte sich in der Spielfilm-Kategorie gegen 15 Konkurrent­en aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz durch. Im Gegensatz zu der kleinen Weißenhorn­er Produktion gab es da Filme, die mit scheinbar deutlich gewichtige­ren Pfunden aufwarten konnten. In Isa Prahls „1000 Arten, Regen zu beschreibe­n“treten etwa Bjarne Mädel und Bibiana Beglau in den Hauptrolle­n auf und die Filmmusik stammt von Volker Bertelmann alias Hauschka, der für den Soundtrack zu „Lion“schon einmal eine Oscar- Nominierun­g erhalten hatte. Etliche Filme in der Konkurrenz hatten auch Mittel aus der Filmförder­ung erhalten oder waren durch TV-Anstalten mitfinanzi­ert worden.

Am Ende aber wog das alles nichts, machte vielmehr der kleine Film aus Schwaben das Rennen. „Mit großer Energie und Tiefe, Mut zum Risiko und sehr viel Liebe zu den Figuren führt uns dieser Film in eine Welt, in der wir uns erst einmal genauso zurechtfin­den müssen wie die Hauptfigur“, lobte die Jury in ihrer Begründung und geriet dann regelrecht ins Schwärmen: „Die Freude der Macher beim Machen überträgt sich auf das Publikum und öffnet unsere Herzen. Ein Film, der uns mitlachen und mitleiden lässt, und dem wir viele, viele Zuschauer im Kino wünschen.“Auch die Jury beim Preis für das beste Drehbuch – geschriebe­n von Lisa Miller – fand hochgestim­mte Worte: „Die Dialoge sind rasend komisch.“

„Wir haben überhaupt nicht damit gerechnet“, sagte Lisa Miller, die am Tag nach der Preisverle­ihung noch ganz überwältig­t war von den Ereignisse­n. „Ich merke, dass ich es langsam realisiere, was passiert

„Ich bin immer noch total fassungslo­s.“

ist.“Besonders stolz ist die Regisseuri­n darauf, dass der Film beim Publikum so gut ankam. „Es gab tolle Reaktionen, und es wurde viel gelacht.“Das ganze mitgereist­e Team feierte den Überraschu­ngserfolg. „Wir sind glücklich und überwältig­t“, sagte Hauptdarst­ellerin Kathi Wolf aus Weißenhorn am Sonntagmor­gen mit leicht kratziger Stimme. „Ich bin immer noch total fassungslo­s.“

Die Frage, ob und wann „Landrausch­en“im Kino zu sehen sein wird, ist derzeit noch offen. Lisa Miller hofft, dass der Film auch noch auf anderen Festivals gezeigt wird und sich für ihn ein Verleih finden lässt. Die Chancen dafür dürften nach dem Erfolg in Saarbrücke­n stark gestiegen sein. Als OphülsSieg­er wird der Weißenhorn­er Heimatfilm auf jeden Fall im Februar bei der Berlinale zu sehen sein.

Insgesamt wurden am Samstagabe­nd 15 mit insgesamt 113 500 Euro dotierte Preise verliehen. In den Kategorien Spiel-, Dokumentar-, Kurz- sowie mittellang­er Film liefen insgesamt 62 Produktion­en. Bei der Preisverle­ihung war auch Österreich in diesem Jahr wieder erfolgreic­h. Der Film „Cops“überzeugte – wie im vergangene­n Jahr die Komödie „Die Migrantige­n“– das Publikum. Zudem gewann der Streifen über den Korpsgeist in der Polizei den Preis für den gesellscha­ftlich relevanten Film sowie für den besten Schauspiel­nachwuchs in einer Nebenrolle. Den Regiepreis erhielt „Blue My Mind“von Lisa Brühlmann. Als bester Schauspiel­nachwuchs wurden zwei Frauen geehrt. Für die beste Hauptrolle wurde Loane Balthasar für ihr Auftreten in „Sarah spielt einen Werwolf“ausgezeich­net. Den Preis für die beste Nebenrolle erhielt Anna Suk für ihr Spiel in „Cops“. Diese Preise wurden in diesem Jahr erstmals nicht mehr geschlecht­sspezifisc­h – an den besten Schauspiel­er und die beste Schauspiel­erin – vergeben. Der undotierte Ehrenpreis ging an die Regisseuri­n und Schriftste­llerin Doris Dörrie.

Der Max-Ophüls-Preis gilt als eines der bedeutends­ten Filmfestiv­als für Nachwuchsf­ilmer aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz. Im kommenden Jahr feiert das Traditions­festival sein 40-jähriges Bestehen. Benannt ist es nach dem in Saarbrücke­n geborenen Regisseur Max Ophüls (1902–1957).

 ?? Foto: Oliver Dietze, dpa ?? Das Team um Regisseuri­n Lisa Miller (Mitte) freut sich zusammen mit Ophüls Festivalle­iterin Svenja Böttger (2. von rechts) über den dreifachen Erfolg seines Films „Land rauschen“.
Foto: Oliver Dietze, dpa Das Team um Regisseuri­n Lisa Miller (Mitte) freut sich zusammen mit Ophüls Festivalle­iterin Svenja Böttger (2. von rechts) über den dreifachen Erfolg seines Films „Land rauschen“.

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