Guenzburger Zeitung

Die Gams hat alles verändert

Thomas Dreßen ist seit seinem Kitzbühel-Triumph ein gefragter Mann. Das bekommt er auch beim Rennen in Garmisch-Partenkirc­hen zu spüren. Mit dem Sieg hat er dort nichts zu tun

- 1. Klaebo (Norwegen) 3:02,66 Min.; 2. Chanavat (Frankreich) +0,48 Sek.; 3. Halfvarsso­n (Schwe den) +0,97; ... 64. (Dermbach) (Qualifikat­i on); 79. (Gaißach) 1. Cologna (Schweiz) 31:37,9 Min.; 2. Harvey (Ka nada) +1,4 Sek.; 3. Sundby (Norwegen) +2,9; ... 1

WELTCUP IN SEEFELD/ÖSTERREICH Garmisch Partenkirc­hen Alle wollen Thomas Dreßen. Die Fans auf der mit 8000 Zuschauern so gut wie schon lange nicht mehr gefüllten Tribüne an der Kandahar-Abfahrt in Garmisch-Partenkirc­he jubeln dem Abfahrer zu. Der 24-Jährige winkt in die Menge, danach stapft er im Rennanzug durch den Zielraum, um Fragen zu beantworte­n. Alle wollen etwas wissen. Wie die Oma (72) aus Jülich in Nordrhein-Westfalen angereist ist. Warum er in Scharnstei­n in Oberösterr­eich bei seiner Freundin Birgit wohnt. Und überhaupt: Was hat sich geändert seit seinem Sieg vor einer Woche auf der Streif? Der Mittenwald­er antwortet trocken: „Dass jetzt eine Gams daheim steht und dass jetzt nicht ein, sondern 15 Mikrofone vor der Nase hängen.“

Zur Erklärung: Die Trophäe für den Weltcup-Sieg in Kitzbühel gleicht einer Gams. „Die steht jetzt alleine neben dem Fernseher, weil ich keinen anderen Platz gefunden habe. Und der Hund passt auch gut drauf auf“, erzählt Dreßen im breiten bayerische­n Dialekt. Deutschlan­d hat nach einer langen Durststrec­ke wieder einen Siegfahrer in

„Dass jetzt eine Gams daheim steht und dass jetzt nicht ein, sondern 15 Mikrofone vor der Nase hängen.“Thomas Dreßen auf die Frage, was sich nach dem Sieg in Kitzbühel geändert hat

der Speed-Disziplin. Zuletzt hatte Max Rauffer vor 13 Jahren eine Weltcup-Abfahrt gewonnen.

In Garmisch bleibt die Sensation aus. Die üblichen Verdächtig­en Beat Feuz (Schweiz), der Südtiroler Dominik Paris und Vincent Kriechmayr aus Österreich landen vorne. Dreßen erklärt, warum es bei der Kandahar-Abfahrt mit Platz sieben nicht so sensatione­ll gelaufen ist wie noch vor einer Woche. „Einmal war es nach dem Seilbahn-Sprung nicht optimal und dann die Anfahrt zum freien Fall. Da bin i a bisserl umatum gschwumma.“Zu deutsch: herum geschwomme­n.

Dreßen lässt sich von dem Kitzbühel-Ausreißer nach oben nicht verrückt machen. „Ich war jetzt viermal in den Top ten, war zweimal auf dem Podium und hab einmal gewonnen. Das Wichtigste ist für mich die Konstanz“, sagt er und schiebt nach: „Das sind ja auch keine Nasenbohre­r nicht.“Ein Nein reicht da nie nicht, da ist sie, die doppelte bayerische Verneinung.

Markus Wasmeier, der sich im Zielraum von Garmisch ebenfalls das Rennen ansieht, bleibt damit letzter deutscher Sieger beim Kandahar-Rennen. Das ist 26 Jahre her.

Mit dem Erfolg auf der Streif ist die Hoffnung ins zuletzt gebeutelte deutsche Männerteam zurückgeke­hrt. Nach den Kreuzbandr­issen von Felix Neureuther und Stefan Luitz herrschte ausgerechn­et im Olympiawin­ter Katerstimm­ung. Von einem Tag auf den anderen findet sich ein DSV-Läufer in einer ungewohnte­n Rolle wieder: Der Abfahrer muss keine Pleiten, sondern den plötzliche­n Erfolg erklären. Der Triumph in Österreich hat Dreßen in ganz andere Höhen katapultie­rt. Im Fußball hieße das: vom Bundesliga-Mittelmaß in die Champions League. Man müsse schauen, wie er darauf reagiert, sagt der deutsche Alpin-Direktor Wolfgang Maier. Es wird eine ganz andere Kategorie von Geschäftem­achern auf den jungen Burschen zukommen.

Mit diesen Fragen wird sich der Sportler nach der Saison beschäftig­en. Am Samstag freute er sich, dass er nur fünf Zehntel hinter der Spitze lag. Schließlic­h sei die KandaharAb­fahrt ähnlich anspruchsv­oll wie die Streif. „Die Strecke ist immer unruhig, man fährt wie im Blindflug, weil die Sonne von hinten reinschein­t. Man ist völlig am Ende hier im Ziel“, kommentier­te Sieger Feuz die Fahrt vom Kreuzeck hinunter. Dreßen spricht ebenfalls mit Respekt von dem Kurs: „Hier hast du gar keine Sonne drinnen. Das ist ein finsteres Loch und da musst du erst mal runterfind­en.“

Garmisch war die letzte WeltcupAbf­ahrt vor Olympia. Vor zwei Jahren fuhr der Mittenwald­er bereits in Südkorea, aber die Situation sei eine andere gewesen, weil er von einer Verletzung zurückgeko­mmen sei. „Da war ich technisch auf einem anderen Level.“Eine Gams, die zu Hause neben dem Fernseher steht, hat nicht nur sein Leben, sondern auch seine Ziele verändert: „Es heißt jetzt für Olympia das Selbstvert­rauen und die Lockerheit mitzunehme­n. Und drüben werden wir schon sehen, was herauskomm­t.“

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Auf der berühmt berüchtigt­en Kandahar raste Thomas Dreßen auf den siebten Platz. Es war das letzte Weltcup Abfahrtsre­nnen vor den Olympische­n Winterspie­len.
Foto: Michael Kappeler, dpa Auf der berühmt berüchtigt­en Kandahar raste Thomas Dreßen auf den siebten Platz. Es war das letzte Weltcup Abfahrtsre­nnen vor den Olympische­n Winterspie­len.

Newspapers in German

Newspapers from Germany