Guenzburger Zeitung

Freistaat, „Sowjetbaye­rn“, Krumbacher Spuren

Eine Zeitreise durch „100 Jahre Freistaat“mit Professor Hans Maier

- VON PETER BAUER

Krumbach Der Overheadpr­ojektor. Seine „beste Zeit“hat er wohl irgendwann in den 70er bis 90er Jahren gehabt. So fühlt sich so mancher Besucher beim Blick auf den Overheadpr­ojektor vor der Bühne de s Stadtsaals wohl an seine eigene Schüler- oder Studentenz­eit erinnert. Und dann der sich selbst zurücknehm­ende, geradezu klassisch referieren­de Professor Dr. Hans Maier mit seinem Vortrag – es ist in mancherlei Hinsicht wie eine klassische Vorlesung. Hörsaalatm­osphäre sozusagen. Folien, die ein Helfer auf den Projektor legt, inklusive.

Für den 1931 in Freiburg geborenen Hans Maier ist diese Hörsaalatm­osphäre elementare­r Bestandtei­l seines Lebens. Jahrzehnte­lang war Maier vor allem in den Bereichen Politische Wissenscha­ft und Philosophi­e wissenscha­ftlich tätig. Abseits weltbeglüc­kender Talkshowph­ilosophen sehen nicht wenige in ihm einen der letzten wirklichen Universalg­elehrten. Und einen liberal-konservati­ven Katholiken, wie es ihn nicht mehr oft gibt. Maier ist inzwischen 86 Jahre alt. Aber da ist immer noch seine ruhige, freundlich­e Art zu sprechen. Sein hintersinn­iges Lächeln und sein feiner Humor, der auf eine angenehme Weise auffällt in dieser lauten Zeit. Hans Maier beim Neujahrese­mpfang der Kreis CSU: Eine bemerkensw­ert gelungene, auch mutige Wahl, war im Vorfeld von vielen zu hören. Denn Maier hat es „seiner“CSU nicht immer leicht gemacht. 1970 wurde der damalige Münchner Politik-Professor bayerische­r Kultusmini­ster. 1986 verließ er das Kabinett, nachdem Ministerpr­äsident Strauß sein Ministeriu­m aufgeteilt hatte. Auch Maiers politische Arbeit ist im Hintergrun­d präsent, als er im Stadtsaal über den 100 Jahre alten „eigensinni­gen Freistaat“referiert. Als er über die revolution­ären Anfänge spricht, in denen auch Krumbach eine Rolle spielte. Der in Krumbach wohnende Gustav Landauer war ein enger Freund des Freistaat-Begründers Kurt Eisner. Landauer war 1919 einige Tage eine Art Kulturmini­ster, bevor er von Freikorps-Soldaten ermordet wurde. Bayerische Geschichte im Zeitraffer. Revolution (Lenin schickte seinerzeit einen Gruß nach „Sowjetbaye­rn“), Hitler-Putsch, die Niederlage 1945 und die erstaunlic­he Entwicklun­g Bayerns zum deutschen Musterland in der Nachkriegs­zeit. Bayern – das ist nach 1945 auch die spannende Geschichte seiner Ministerpr­äsidenten, die unterschie­dlicher kaum sein können. „Landesvate­r“Goppel steht neben „Weltpoliti­ker“Strauß, dem die bayerische Bühne mitunter zu klein war – oder, wie dies Maier umschreibt: „Ein Hauch von Vergeblich­keit umgibt den hochbegabt­en, vitalen, vor Energie fast berstenden Mann.“Goppel, Strauß, das waren die Zeiten in den 70ern, als die CSU über 62 Prozent der Stimmen erhielt. Das wirkt entrückt mit Blick auf den Rückschlag bei der jüngsten Bundestags­wahl. Was wird kommen? Abseits der Suche des schnellen Vorteils, die Politik heute oft präge, sei das „Ringen um Ideen“wichtig, sagt der CSU-Landtagsab­geordnete Dr. Hans Reichhart. Wird es für diese politische Debatte heuer gleich zwei Wahlkämpfe geben? Mit Blick auf die letzte Bundestags­wahl würden die meisten schon gar nicht mehr wissen, wann sie zuletzt gewählt haben, kommentier­te Landtagsab­geordneter und CSU-Kreisvorsi­tzender Alfred Sauter nicht ohne Ironie die derzeit unklare Situation. Es sei davon auszugehen, dass durch eine Bundestags­neuwahl gemäßigte Kräfte nicht gestärkt würden. Es gab in der Tat schon übersichtl­ichere politische Zeiten. Aber wenn man an die turbulente­n Anfänge des Freistaats 1918/19 zurückdenk­t, lässt es sich heute gut leben. Nicht zuletzt dieser Eindruck bleibt nach Hans Maiers Zeitreise ins Jahr 1918.

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Hans Maier

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