Die Frage der Woche Brauchen auch wir ein Ministerium für Einsamkeit?
Nichts fällt leichter, als neue Ideen einfach mal als Witz abtun. Was ist das also schon wieder für eine schräge Sache, dass die Briten, die doch eben noch den Brexit bejubelt haben, jetzt schon ein Ministerium gegen die Einsamkeit benötigen. Haha – aber nur ganz kurz, toll ist der Gag nun wirklich nicht. Und das Thema taugt ja auch ansonsten nicht zum Scherzen. Allein sein kann ganz wunderbar sein, einsam sein aber schmerzt. Weil der Mensch eben den Menschen braucht, das Eingehen von Bindungen zu seinen Grundbedürfnissen zählt. Fehlen die, hat das Auswirkungen auf Kopf und Körper. Amerikanische Forscher konnten nachweisen, dass Einsamkeit zum Beispiel genauso schädlich ist wie das tägliche Rauchen von etwa 15 Zigaretten und das Risiko eines frühzeitigen Todes erhöht. Und es betrifft immer mehr Menschen. Nicht nur die Alten, sondern auch die Jungen. Das Rote Kreuz spricht von einer „Epidemie im Verborgenen“. Es sollte, ach was, muss also etwas getan werden. Vom Einzelnen. Von der Politik. Braucht es da aber gleich ein Ministerium? Kann man das nicht irgendwie noch im Gesundheitsressort unterbringen? Passt das da nicht wunderbar hin? Klar. Aber, Gegenfrage, warum denn kein eigenes Ministerium? Warum nicht einen Verantwortlichen, der alleine schon durch Amt und Titel dafür sorgt, dass Einsamkeit als gesamtgesellschaftliches Problem wahrgenommen und Teil des öffentlichen Diskurses wird. Das nämlich ist das Dilemma der Einsamen: Dass es auch niemanden gibt, mit dem sie darüber sprechen könnten, von dem sie glauben, es könnte ihn interessieren. Ein Minister, der das Thema aus dem Verborgenen holt, wäre also alles andere als ein Witz. Manchmal sind die schrägsten Ideen auch die besten.
Das Internationale Rote Kreuz spricht von einer „Epidemie im Verborgenen“. Denn die Zahl der Menschen, die sich alleine (gelassen) fühlen, steige ständig weiter. Alarm also. Und die britische Antwort, die nun auch bei uns diskutiert wird: ein dafür zuständiges Ministerium. Das Prinzip dahinter: Wer ein Problem politisch benennt und dann einen Zuständigen dafür ernennt samt reichlich sachbearbeitenden Beamten – der handelt verantwortlich im Sinne der Gesellschaft. Aber ist das wirklich so?
Angegliedert jedenfalls, so der SPDler Lauterbach, könnte der neue Bereich bei uns dem Gesundheitsministerium werden, weil Einsamkeit das Erkrankungsrisiko erhöhe. Wie wäre es dann noch mit einer Vernetzungsstelle im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das doch offenbar für alle Menschen außer Männer zuständig ist? Und einer Behörde im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das koordinieren helfen könnte? Ein großer Apparat, der einsamen Menschen mit einem ganzen Maßnahmenkatalog helfen soll. Bloß wie? Durch Meldestellen und Betreuungsangebote, Wohnprojekte und Finanzierungsbeihilfen? Durch die forcierte Institutionalisierung dessen, was es ohnehin schon gibt und was traditionell Familie und Nachbarschaft, die sogenannte Zivilgesellschaft selbst geregelt hat? Müsste man da nicht auch nachdenken über ein Ministerium für Traurigkeit und eines für Erschöpfung?
Soll heißen: Wer so denkt, klebt nur wichtigtuerisch Pflästerchen auf Symptome. Die werden aber nie kitten, was der Wandel zur individualisierten Leistungsgesellschaft bewirkt. Verantwortung würde hier nur für neue Steuertöpfe übernommen. Also: Einsamkeit ist kein politisches Problem – die Zersetzung der Zivilgesellschaft ist eines. Das eigentliche.