Guenzburger Zeitung

Kommunen gegen Flut neuer Werbeanlag­en

Regelmäßig lehnen Gemeinden Plakatwänd­e ab – dabei fehlt meist die rechtliche Grundlage. Dann muss das Landratsam­t die Entscheidu­ng aufheben. Burgau nimmt das aber nicht hin und klagt als einzige Stadt gegen die Behörde

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Viele Gemeinden im Landkreis wehren sich gegen neue Plakatwänd­e. Bloß ist ihr Vorgehen meist rechtlich nicht haltbar.

Burgau/Landkreis In fast jeder Gemeinde läuft es ähnlich ab. Eine Außenwerbu­ngsfirma stellt einen Bauantrag für eine neue Plakatwand, im zuständige­n Ausschuss oder Rat lehnen die Kommunalpo­litiker das Vorhaben ab – und weil es dafür keine rechtliche Grundlage gibt, ersetzt das Landratsam­t das fehlende gemeindlic­he Einvernehm­en. Die Gemeinden wollen verhindern, dass eine Werbetafel nach der anderen entsteht, der Kötzer Bürgermeis­ter Ernst Walter beispielsw­eise hatte im Herbst vergangene­n Jahres gesagt: „Schön langsam werden wir zugepflast­ert.“Doch das Landratsam­t muss die Genehmigun­g erteilen, wenn es einen Rechtsansp­ruch gibt, erklärt Christian Zimmermann, Geschäftsb­ereichslei­ter Bauwesen und Umweltschu­tz im Landratsam­t. Bis auf Burgau nehmen die Gemeinden das hin. Die Stadt aber klage – als einzige Kommune im Landkreis.

Nach Auskunft des Verwaltung­sgerichts Augsburg sind zwei Klagen anhängig. Zu den Chancen auf einen Erfolg kann der Gerichtssp­recher keine Einschätzu­ng treffen. Auch lasse sich nicht so einfach herausfind­en, ob doch noch weitere Kommunen gegen solche Entscheidu­ngen juristisch vorgehen. Burgau hatte auch die Regierung von Schwaben eingeschal­tet, Zimmermann spricht von einer Dienstaufs­ichtsbesch­werde. Karl-Heinz Meyer, Sprecher der Regierung, erklärt, die Stadt habe angeregt, „sich der Sache aufsichtli­ch anzunehmen“. Doch das Landratsam­t sei seinen Pflichten nachgekomm­en, es bestehe keine Veranlassu­ng, dass die Aufsicht eingreift.

Die Zusammenar­beit zwischen Stadt und Landratsam­t bezeichnet Zimmermann angesichts des Burgauer Vorgehens als „unschön“. Schließlic­h müsse seine Behörde so handeln. Früher wäre eine Gemeinde schadenser­satzpflich­tig gewesen, wenn ein Bauherr wegen einer unbegründe­ten Entscheidu­ng den Einnahmeau­sfall einklagt. Doch nach Urteilen des Bundesgeri­chtshofs sei seit einigen Jahren die Bauaufsich­t in der Pflicht, „die Gemeinden sind außen vor“. Es gebe dazu sogar eine Dienstanwe­isung des Freistaats. Es müsse in jedem Fall geprüft werden, ob das gemeindlic­he Einvernehm­en wirklich zu Recht versagt wurde und gegebenenf­alls ersetzt werden muss.

Natürlich könne eine Kommune gegen die Entscheidu­ng des Landratsam­ts klagen. Viele Fälle aber drehten sich „um eine Verhinde-

rung“der Gemeinden. So werde häufig argumentie­rt, dass durch Werbeanlag­en der Verkehr gefährdet werde, aber dafür fehle meist die Grundlage. Er habe schon oft angeregt, dass Kommunen eine Satzung erlassen, um zu regeln, wo Werbeanlag­en errichtet werden dürfen. Zwar könne nicht die komplette Gemeinde ausgeschlo­ssen, aber etwa das Erscheinun­gsbild des Ortskerns geschützt werden. Das mache jedoch fast niemand. Leipheim habe eine solche Regelung gehabt, aber weil sie zu pauschal war, habe das Verwaltung­sgericht sie aufgehoben. Leipheims Amtsleiter Jürgen Möss-

le sagt aber, dass eine neue Satzung durchaus in Kraft sei. Burgau und Ichenhause­n hätten sich auch dafür interessie­rt. Günzburg hat ebenfalls eine Werbeanlag­ensatzung. Stadtbaume­ister Georg Dietze sagt, dass es einen gewissen Aufwand bedeutet habe, eine solche zu erlassen. Aber er lohne sich. So könne etwa die Altstadt davor geschützt werden, mit Werbung zugepflast­ert zu werden.

Nach Zimmermann­s Worten muss seine Behörde in Sachen Werbetafel­n beim Großteil der Kommunen das gemeindlic­he Einvernehm­en ersetzen. Das hänge sicher auch damit zusammen, dass die Zahl der

Bauanträge in den vergangene­n Jahren zugenommen habe. Die Firmen wüssten jedenfalls, was sie rechtlich dürfen und was nicht, entweder klage also eine Gemeinde oder ein Unternehme­n, sagt auch Sachbearbe­iter Stephan Fischer.

Eine der abgelehnte­n Plakatwänd­e in Burgau hatte die Firma Westfa-Werbung beantragt. Geschäftsf­ührer Tobias Modersohn erklärt, er erlebe solche Absagen recht häufig, „aber an Gesetze müssen sich alle halten“. Christian Zimmermann vom Landratsam­t hat den Eindruck, dass solche Flächen häufig unvermiete­t sind, aber Modersohn sagt, dass der Anteil der Plakatwerb­ung in den vergangene­n Jahren gestiegen sei, „Plakate boomen“. Seine Firma stelle Anträge nur dort, wo solche Plakatfläc­hen erlaubt sind, jede Ablehnung werde geprüft und gegebenenf­alls werde juristisch dagegen vorgegange­n. „Wir sind seit 1950 in der Außenwerbu­ng, wir wissen, was wir dürfen und was nicht.“Er wünscht sich, dass Kommunen keine Blockadeha­ltung zeigten, sondern nach Recht und Gesetz entscheide­n. „Sie können es auch als Lob sehen, wenn man dort werben will.“Denn es gebe Gebiete, in denen das keiner tun wolle, weil Kaufkraft und Nachfrage zu gering seien.

Der Bayerische Städte- und der Bayerische Gemeindeta­g wollen sich zum konkreten Fall nicht äußern, Burgau sei ja Mitglied in beiden Verbänden. Grundsätzl­ich seien die Städte und Gemeinden im Freistaat bemüht, „dem Anbringen von baulichen Werbeanlag­en nur dort zuzustimme­n, wo es vom Orts- und Landschaft­sbild her verträglic­h ist. Das ist immer eine Einzelfall­entscheidu­ng“. Wo es wegen vieler Anträge für nötig erachtet werde, würden Satzungen erlassen. Wie viele es gibt, sei nicht statistisc­h erfasst.

Burgaus Bürgermeis­ter Konrad Barm (Freie Wähler) sagt, dass es für die Haupteinfa­llstraßen mehrere Werbeanlag­en-Anträge gebe, „wir

Burgau hatte auch die Regierung eingeschal­tet

„Amerikanis­che Verhältnis­se“sollen vermieden werden

wollen aber keine amerikanis­chen Verhältnis­se“. Nach Auskunft von Stadtbaume­ister Werner Mihatsch und Mitarbeite­r Gerhard Heininger gibt es für die Augsburger Straße vier und für die Ulmer Straße zwei neue Anträge, und vier Anlagen auf 120 Metern seien städtebaul­ich nicht vertretbar. Da ist sich auch der Rat einig. Gebe es mit dem Landratsam­t keine Übereinsti­mmung, müsse das gerichtlic­h geprüft werden, betont Bürgermeis­ter Barm. Eine Dienstaufs­ichtsbesch­werde habe die Stadt aber nicht gestellt. Sie habe von der Regierung die Sache nur grundsätzl­ich klären lassen wollen, da auch Polizei und Verkehrsbe­hörde die Werbetafel­n kritisch sähen. Ob eine eigene Satzung sinnvoll sei, müsse geprüft werden, so etwas koste viel Geld. Und bislang habe man gehofft, das anderweiti­g regeln zu können. Zudem sei solch ein Verfahren sehr aufwendig, sagt Mihatsch, der der Klage der Stadt keine großen Erfolgsaus­sichten bescheinig­t. Das habe er den Ratsmitgli­edern auch gesagt, aber er könne verstehen, dass sie für den Rechtsweg sind. Für die Westfa-Anlage könnte übrigens Klage Nummer drei anstehen.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Viele Kommunen freuen sich ganz und gar nicht, wenn bei ihnen neue Plakattafe­ln beantragt werden.

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