Flächenfraß, Wohnungsbau, gleiche Chancen für alle
Die Landesentwicklung rückt plötzlich ins Zentrum der Debatte. Aber wer will was? Und was geht?
München Ein Volksbegehren gegen Flächenfraß (Grüne, ÖDP), ein Zehn-Punkte-Plan zur Entwicklung Bayerns (Markus Söder, CSU), ein Gutachten zu gleichwertigen Lebensverhältnissen (Enquete-Kommission des Landtags) – die Bürger in Bayern werden im beginnenden Vorwahlkampf fast überschüttet mit Vorschlägen, Ideen und Konzepten. Wer aber was will und wie die großen Ziele in der Landesentwicklung erreicht werden könnten, ist längst noch nicht klar. Warum ist das so schwierig?
Der Auftritt von Freie-WählerChef Hubert Aiwanger gestern im Landtag ist ein illustres Beispiel dafür, wie unübersichtlich die Gefechtslage in der Debatte um die Landesentwicklung ist. Gemeinsam mit Gesundheitspolitiker Peter Bauer (Freie Wähler) legte Aiwanger ein Paket mit 23 einzelnen Anträgen vor. Sie betreffen Krankenhausfinanzierung, Schulstandorte, Wohnungsbau, Kommunalfinanzen, Glasfaserausbau, Düngeverordnung, öffentlichen Nahverkehr und vieles mehr. Sogar ein Sonderprogramm zur Rettung der Dorfwirtshäuser wird gefordert. Und selbstverständlich geht es auch den Freien Wählern darum, den Flächenverbrauch in Bayern zu reduzieren.
Aiwanger sagt, das Gutachten der Enquete-Kommission (wir berichteten) müsse mit Leben erfüllt werden – und dazu bräuchte es eigentlich noch viel mehr solcher Anträge, die dann allerdings auch umgesetzt werden müssten. Bei SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher stößt er damit auf Verständnis. „Das geht nur über ein Maßnahmenbündel, das geht nur kleinteilig“, sagt Rinderspacher und erinnert daran, was seine Fraktion in der Vergangenheit schon alles beantragt habe.
Die Parteien tun sich schwer. Beispiel Flächenverbrauch: Die Grünen haben mit ihrem Volksbegehren, das eine strikte Begrenzung des Flächenverbrauchs von derzeit 13,1 auf fünf Hektar pro Tag fordert, die politische Konkurrenz im Landtag ziemlich unter Druck gesetzt. Unerwartet viele Bürger haben schon unterschrieben. Zuletzt ist auch der Bund Naturschutz dem Bündnis beigetreten.
Die CSU und Finanzminister Söder stellen sich dagegen. Nach Söders Darstellung würde darunter vor allem der Wohnungsbau leiden. Und auch SPD und Freie Wähler stehen dem Volksbegehren der Grünen skeptisch gegenüber, weil eine strikte Begrenzung der Flächennutzung ihrer Ansicht nach einen möglicherweise verfassungswidrigen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung bedeuten könnte.
Von der Hand zu weisen ist Söders Argument mit dem Wohnungsbau offenbar nicht so leicht. Von 2011 bis 2015 gab es nach Angaben der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern den größten Zuwachs beim Flächenverbrauch durch Erholungsflächen (plus drei Prozent) und beim Wohnungsbau (plus 2,7 Prozent). Gewerbegebiete dagegen seien mit 0,7 Prozent „eher sparsam gewachsen“.
Die Grünen halten dagegen, dass sich alle Bekenntnisse zum Flächensparen in der Vergangenheit als leere Versprechungen erwiesen hätten. Aiwangers Antrag Nummer 19 wird daran vermutlich auch nichts ändern. Die Staatsregierung wird darin aufgefordert „zu prüfen“, wie eine Verringerung des Flächenverbrauchs erreicht werden kann.
Heute will die CSU ihr Konzept zum Flächensparen vorstellen.