Ein Illertisser lehrt seine Fans im Internet das Fürchten
David Krause veröffentlicht selbst produzierte Gruselhörspiele auf dem Videoportal Youtube. Fast 2000 Nutzer verfolgen sie regelmäßig
Illertissen Vorsicht, diese Geschichten sind nichts für Zartbesaitete: Sie handeln von Geistern, Kulten, Serienmördern und bösen Flüchen. Solche Erzählungen können auf Internetportalen gefunden und frei weiterverteilt werden. Denn die Urheber sehen das Schreiben als Hobby und freuen sich, wenn sie anderen damit eine Gänsehaut über den Rücken jagen können. „Creepypasta“nennt sich das Genre denn auch folgerichtig – eine Mischung aus den englischen Begriffen für gruselig (creepy) und Copy and paste (kopieren und einfügen). Einer, der sich in dieser fiktiven Welt bestens auskennt, ist der Wahl-Illertisser David Krause. Doch über das Schmökern ist der 28-Jährige längst hinaus.
Er übersetzt und vertont englischsprachige Spukgeschichten und „veredelt“sie so zu Hörspielen. Die Resultate kann man seit Mitte 2016 auf dem Videoportal Youtube erleben, wo Krause unter dem Pseudonym „Hellscythe“(Höllensense) zu finden ist. Wie er auf den reißerischen Namen gekommen ist? Die Vorlage lieferte eine Figur aus einem japanischen Zeichentrickfilm, sagt der aus Leipzig stammende Industriekaufmann und lacht. Geschmacklos?
Ein bisschen vielleicht. Einen speziellen Humor habe diese Reihe, man brauche einen speziellen Geschmack dafür. Und den hat Krause vielleicht auch selbst. Seine Hörer lieben das: Immer mehr Menschen klicken sich regelmäßig durch den Kanal, die Fangemeinde wächst. Der Illertisser hat fast 2000 Abonnenten, seine Beiträge wurden insgesamt 236 000 Mal aufgerufen, 4000 Stunden bislang angehört. Fast 150 Hörspiele hat Krause bisher eingestellt, jede Woche kommen bis zu drei hinzu – vom dreiminütigen Schocker bis zum fast dreistündigen Thriller. Letzterer war die aufwendigste Arbeit, sagt Krause, der pro- fessionell vorgeht: Als Sprecher übt er verschiedene Stimmlagen ein, trainiert zu lesen wie ein Nachrichtensprecher. „Das geht schon in Richtung Schauspielerei.“
Andere Rollen lässt er befreundete Creepypasta-Fans einsprechen, etwa wenn es um weibliche Figuren geht. In der Gemeinde tausche man sich aus: „Da hilft man sich aus“, sagt Krause, der auf eine gute Klangqualität bedacht ist. Produziert wird am heimischen Computer, meistens abends und nachts. Und das viele Stunden lang. Nur so schafft es Krause, jede Woche drei Mal zu veröffentlichen, dienstags, donnerstags und sonntags. „Das macht mir einfach riesengroßen Spaß“, sagt er.
Auch wenn die Hörer manchmal wohl starke Nerven brauchen – bei den Geschichten gehe es längst nicht nur um Horror, sagt ihr Produzent. Viele ähnelten thematisch eher einem Thriller. Etwa wenn ein Journalist im nordamerikanischen Hinterland fünf vermisste Personen suchen soll. Dabei geht es dann zwar nicht übernatürlich, aber doch nervenaufreibend zu. Andere Creepypastas seien traurig. Zum Beispiel diese, die von einem Komapatienten erzählt, der sich nicht bewegen kann, aber geistig mitbekommt, was um ihn herum geschieht: Die zynischen Kommentare der Pfleger, das Weinen seiner Mutter und schließlich, wie die Ärzte die lebenserhaltenden Maschinen abschalten.
Auch wenn im Internet viele Themen zu finden sind, Anstößiges wie Pornografie und Rassismus wird in den Foren nicht geduldet: So steht es jedenfalls in den Regeln der deutschen Seite „Creepypasta-Wiki“. Krause sucht sich seine Geschichten allerdings lieber bei englischsprachigen Autoren. Die könnten besser erzählen, findet er. „Oft hält die Spannung bis zur letzten Zeile.“Und dieses Gefühl will er an seine Hörer weitergeben.
Die wissen das zu schätzen – das geht aus den Kommentaren auf Krauses Youtube-Kanal hervor. Lob bekam er von einer Mutter, die mit ihrem Mann und ihrer jugendlichen Tochter gerne gemeinsam zuhört – der Grusel sei ein Familienerlebnis. „So etwas freut mich natürlich sehr“, sagt der Illertisser, der seine Leidenschaft gerne zum Beruf machen würde.
Davon ist er momentan weit entfernt, obwohl Youtube Werbung in seine Beiträge schaltet. Die Vergütung liege bei einigen Euro im Monat. Und das bei allem Ärger: Mit Nutzern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, angebliche Urheberrechte durchzusetzen. Die Debatten nimmt Krause an: Er bearbeitet die Geschichten stark, macht sie durch Klänge erlebbar.
Und das liebt David Krause. Geht es nach dem Illertisser, wird er noch vielen Menschen das Gruseln lehren.
Vom Drei Minuten Schocker zum mehrstündigen Thriller