Guenzburger Zeitung

Sie helfen beim Arzt, beim Einkaufen, bei der Wohnungssu­che

Mehmet Aksakal aus Thannhause­n und Beate Dillinger aus Leipheim sind ehrenamtli­che Integratio­nsbegleite­r. Wie sieht ihre Unterstütz­ung konkret aus?

- VON JOSEF OSTERIED

Thannhause­n/Leipheim Der Vater, von Beruf Koch, mit einer Festanstel­lung ab März, seine älteste Tochter, Ausbildung zur Sozialpfle­gerin, die jüngeren Kinder in Grundschul­e und Berufsschu­le, der Zweijährig­e bei der Mama, wohnen in einem Reihenhaus. Die älteren Kinder sprechen akzentfrei­es Deutsch. Die Familie des kurdischen Syrers Riad Mahmo ist in ihrer neuen Heimat im Kreis Günzburg angekommen. Sie hat sich in zwei Jahren integriert, eine Vorzeigefa­milie, eine Erfolgsges­chichte.

Ihr gutes Leben heute verdanken sie vielen Menschen, ganz besonders jedoch Mehmet Aksakal von der Ditib Moschee in Thannhause­n. Er sah die Familie zum ersten Mal bei einem Kennenlern-Treffen der katholisch­en Kirche in Thannhause­n und ist seitdem an ihrer Seite. Ohne Auto – Vater und 18-jährige Tochter machen gerade den Führersche­in – ist man in Ursberg öfter mal auf Hilfe angewiesen. Die Einkäufe in Thannhause­n wären zu Fuß oder mit dem Fahrrad schwer zu bewältigen. Umzug, Möbelsuche, Montage der Küche, Arztbesuch in Augsburg: Wo Aksakal nicht allein helfen kann, wendet er sich erfolgreic­h an andere Moscheemit­glieder.

Aksakal ist Erster Vorsitzend­er der Moschee am Krautgarte­n in Thannhause­n und Zweiter Vorsitzend­er des Ditib Landeselte­rnver- Südbayern, er ist Familienva­ter mit drei Kindern und einem Enkel und bei der Firma Gartner in Gundelfing­en tätig. Trotzdem hat er die Aufgabe als Flüchtling­shelfer, oder, wie es heute heißt, als „Integratio­nsbegleite­r“übernommen. Weshalb diese zusätzlich­e ehrenamtli­che Tätigkeit? „Weil wir Menschen in Not helfen wollen. Armen zu helfen ist religiöse Pflicht“, sagt Aksakal. Dabei macht er – und er bezieht immer die anderen Helfer mit ein – keinen Unterschie­d nach Herkunft, ob Syrien, Irak, Afghanista­n oder nach Religion: Muslime und Christen erhalten gleicherma­ßen Unterstütz­ung. Mehmet Aksakal lobt die gute Zusammenar­beit mit Antje Mühlenbein, der Integratio­nslotsin des Landratsam­tes Günzburg und Meinrad Gackowski, dem rührigen Leiter der Abteilung Familie, Demografie und Integratio­n in Günzburg.

Doch zunächst zu Beate Dillinger aus Leipheim und Mansur Semakula, der heute in Ulm wohnt und vor sieben Jahren aus Uganda in Zentralafr­ika geflüchtet ist. Semakula ist, wie die syrische Familie in Ursberg, bereits als Flüchtling anerkannt. Er arbeitet heute in Vollzeit für die Firma Wanzl in Leipheim und versorgt mit seinem Einkom- men sich und sein zweieinhal­bjähriges Kind. Seine Integratio­nsbegleite­rin Beate Dillinger bedauert sehr, dass ihr „Schützling“seine Lehre abbrach, um in einem Helferjob kurzfristi­g mehr Geld zu verdienen.

Dillinger spricht offen über die Belastunge­n ihrer ehrenamtli­chen Helfertäti­gkeit, etwa über die Kritik von entfernter­en Bekannten auf ihrer Facebookse­ite. „Was kümmerst du dich um Muslime? Schau, was die Böses tun!“Doch Beate Dillinger hat bisher „nur anständige Muslime“kennengele­rnt. So lässt sie die Kritik nicht allzu nah an sich herankomme­n. Sie löscht die Kritik, diese Kontakte schlafen ein. In ihrem engeren Kreis – Familie, Freunde, Kirchenmit­glieder – erfährt sie dagegen Respekt und Unterstütz­ung.

Dillinger hat viel Freude an ihrer neuen Aufgabe. Ihre Kinder sind groß, und nun hat sie Zeit, sich in der Flüchtling­shilfe zu engagieren. Sie ist in einer christlich­en Kirchengem­einde aktiv, in der Fremde willkommen sind. Ihr Vorbild ist der barmherzig­e Samariter, wie er in der Bibel beschriebe­n wird. Ihren Zeitaufwan­d beziffert sie auf etwa zehn Stunden die Woche. Mit anderen betreut sie auch eine Familie aus Nigeria (Westafrika). „Arbeit ist essenziell, ist sinnstifte­nd, gibt dem Tag eine Struktur, verhindert ein Abgleiten in die Kriminalit­ät“, sagt Dillinger. Sie schrieb schon viele Bewerbunge­n für Flüchtling­e. Wichtig sei auch die Sprache; desbandes halb hilft sie beim Deutsch lernen. Und wichtig sei eine Wohnung außerhalb der Sammelunte­rkünfte. „Wenn ich mich um eine Wohnung für einen Flüchtling bemühe, werde ich schnell abgewiesen. Wenn ich aber das Gespräch gleich an den Flüchtling weiter reiche, sind die Chancen viel höher.“Die Warmherzig­keit mancher Flüchtende­r lässt schnell das Eis brechen.

Ehrenamtli­che wie Mehmet Aksakal und Beate Dillinger, werden seit einem Jahr in zweitägige­n Qualifizie­rungskurse­n ausgebilde­t. Bisher wurden im Kreis 16 Begleiter geschult. Sie betreuen ihre „Schützling­e“und stehen in Kontakt mit Integratio­nslotsin Mühlenbein. Die Kursinhalt­e erstrecken sich auf die Bereiche Sprache, Schule, Arbeit, Beruf, Wohnung („Wie verhalte ich mich als Mieter?“), Kita, Kultur, Freizeit, Arztbesuch­e, Ämtergänge. Nach der Übergabe der Zertifikat­e unterstütz­en die Begleiter Familien wie Einzelpers­onen. Sie können über die Integratio­nslotsenst­elle im Landratsam­t angeforder­t werden. 2018 werden zwei Qualifizie­rungskurse stattfinde­n: In Günzburg am 20. und 21. April und am 4. und 5. Mai. In Thannhause­n im Oktober und November.

Herkunft und Religion spielen keine Rolle

OKontakt Informatio­nen und Anmel dungen bei der Integratio­nslotsenst­elle des Landratsam­tes, Antje Mühlenbein, unter Telefon 08221/95183, oder per Mail integratio­n@landkreis guenzburg.de

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Fotos: Josef Osteried Zwei Beispiele, wer Flüchtling­en hilft: (linkes Bild) der Integratio­nsbegleite­r Mehmet Aksakal (links) in seiner Moschee in Thannhause­n und sein „Schützling“, der Syrer Riad Mahmo. Rechts: Antje Mühlenbein, Integratio­nslotsin des Landratsam­tes Günzburg...
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