Guenzburger Zeitung

Streik vor Klinik und Schlagabta­usch im Kreistag

Die Diskussion um die Unterstütz­ung des Landkreise­s zur Finanzieru­ng zusätzlich­er Pflegestel­len im Kreiskrank­enhaus nimmt eine unerwartet­e Wende. SPD und Grüne fühlen sich brüskiert

- VON REBEKKA JAKOB UND TILL HOFMANN

Die SPD und die Grünen fühlen sich von einer unerwartet­en Wende zur Diskussion um die Hilfe des Kreises in der Pflege brüskiert.

Günzburg/Mindelalth­eim Minus zwei Grad herrschen an diesem MärzMontag in Günzburg, eisiger Wind pfeift um das Pforten-Gebäude an der Zufahrt zu den Günzburger Kliniken. Es gibt deutlich angenehmer­e Tage für einen Streik – noch dazu in einer Zeit, in der die Grippewell­e das Kreiskrank­enhaus praktisch dauerhaft in einen Notdienstz­ustand versetzt. Die Zahl der Streikende­n ist deshalb auch nicht ganz so groß wie zuletzt im Herbst, als die Mitarbeite­r aus Günzburg im Ausstand waren. Das könne sich jedoch schnell ändern, sagt Helga SpringerGl­oning in ihrer kämpferisc­hen Begrüßung. „Ich würde unseren Arbeitgebe­rverbänden nicht empfehlen, auszuprobi­eren, ob wir im Bedarfsfal­l mehr Beschäftig­te mobilisier­en können.“

Von 11 bis 17 Uhr haben sie und ihre Kollegen die Arbeit niedergele­gt, auch aus der Krumbacher Klinik und dem benachbart­en Bezirkskra­nkenhaus sind Kollegen zur Kundgebung gekommen. Auch, um dann am Nachmittag gemeinsam zur Sitzung des Kreistags fahren zu können, der in Mindelalth­eim tagen wird. Unter anderem sollte dort nämlich der gemeinsame Antrag der SPD und der Grünen zur Verbesseru­ng der Pflegesitu­ation in den Kreisklini­ken auf dem Tisch liegen. Und dem wollen die Mitarbeite­r ebenso Nachdruck verleihen wie ihren Forderunge­n nach deutlich besserer Bezahlung, einem erhöhten Nachtzusch­lag und geregelter Entlohnung in der Ausbildung. Robert Hinke, Landesfach­bereichsle­iter für Gesundheit und Soziales bei der Gewerkscha­ft Verdi, heizt den frierenden Streikpost­en ein: „Es ist schon erstaunlic­h, wie der Kreisaussc­huss nach öffentlich geäußertem Verständni­s für die Probleme der Pflege die in Aussicht gestellten 800 000 für mehr Pflegekräf­te einkassier­t. Es ist zu hoffen, dass der Kreistag aufwacht! Macht Rabatz!“

Das Thema gehe alle an, sagt DGB-Kreisvorsi­tzender und SPDKreisra­t Werner Gloning. „Ihr werdet nicht allein sein in der Auseinande­rsetzung, andere Gewerkscha­ften werden euch unterstütz­en. Schließlic­h sind wir alle potenziell­e Patienten und sollten ein Interesse an guter und gut bezahlter Pflege haben.“

sollten sich alle getäuscht haben. Denn in der Kreistagss­itzung, in der auch der Haushalt für dieses Jahr verabschie­det wurde, gab es gar keine Gelegenhei­t, „Rabatz“zu machen. Das Gremium erklärte sich mit deutlicher Mehrheit (36 zu 15 Stimmen) für nicht zuständig, über den Antrag von SPD und Grünen zu entscheide­n. Josef Brandner, der Fraktionsc­hef der Freien Wähler, hatte diesen „formalen Grund“vorEuro gebracht. Richtig sei eine Diskussion darüber im Verwaltung­srat der Kreisklini­ken, der auch für den Stellenpla­n verantwort­lich sei. Die CSU wurde dem Vernehmen nach von Brandner am Montagvorm­ittag darüber informiert, was er nachmittag­s vorhatte. Völlig ahnungslos dagegen waren die Fraktionen der Grünen und der Sozialdemo­kraten von diesem Coup. Sie wurden von der Aushebelbe­wegung mithilfe der Geschäftso­rdnung regelrecht überrumpel­t, das sah man den Kreisräten an. SPD-Fraktionsv­orsitzende­r Gerd Olbrich konnte die Argumente Brandners nicht nachvollzi­ehen, schließlic­h richte sich der Antrag an die Mandatsträ­ger im Kreistag und eine Annahme würde sich auch spürbar auf den Kreishaush­alt auswirken.

Harald Lenz, der die Fraktion der Grünen im Günzburger Kreistag anführt, war von der plötzlich auftauchen­den „Nichtzustä­ndigkeit“des Kommunalpa­rlaments „tief betroffen“und fand das „mehr als traurig“.

Burgaus Bürgermeis­ter Konrad Barm (Freie Wähler) erklärte am Rande der Sitzung die Beweggründ­e für seine Gruppierun­g: „Wir wollen nicht, dass die SPD und die Grünen einen Landtagswa­hlkampf über die kommunale Schiene führen.“AuSie ßerdem komme das Signal nicht gut an, für zusätzlich­e Pflegekräf­te in den Kliniken Geld zur Verfügung zu stellen, für weitere Kräfte in den Altenheime­n aber nicht. Denn das „ist Ungleichbe­handlung“.

Barm spürte den Ärger von Kreistagsk­ollegen später – als es um die Wahl der Vertrauens­personen in den Wahlaussch­uss für die Schöffenun­d Jugendschö­ffenwahl ging. Der Amtsgerich­tsdirektor, der Landrat und sieben Kreisräte sitzen in diesem Gremium. Eine Zweidritte­l-Mehrheit im Kreistag ist für diese Position nötig, was eigentlich eine reine Formsache ist. Und sechs von sieben Kreisräten benötigten auch nur den einen obligatori­schen Wahlgang. Nur Barm, dem einzigen Vertreter der Freien Wähler, gelang das nicht auf Anhieb. Und so musste in diesem Fall nochmals abgestimmt werden.

Vor allem aber wollten weder SPD noch Grüne dem Kreisetat zustimmen, weil sie sich durch die Nichtbehan­dlung ihres Antrags brüskiert sahen. 14 Kreisräte stimmten gegen die Etatverabs­chiedung. 36 waren dafür. In den vergangene­n Jahren hatte es nie so viele Gegenstimm­en gegeben. Die Stimmung war bei der Kreistagss­itzung am Montagnach­mittag zusehends »Kommentar gereizt. und Seite 27

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi hatte am Montag vor der Günzburger Kreisklini­k zu einem Warnstreik aufgerufen. Da ging es in erster Linie um die Forderunge­n der Beschäftig­ten nach einer besseren Bezahlung.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi hatte am Montag vor der Günzburger Kreisklini­k zu einem Warnstreik aufgerufen. Da ging es in erster Linie um die Forderunge­n der Beschäftig­ten nach einer besseren Bezahlung.
 ??  ?? Josef Brandner (stehend), Fraktionsc­hef der Freien Wähler, stellte mit Erfolg den An trag, dass der Kreistag das Ansinnen von SPD und Grünen nicht in diesem politische­n Gremium behandelt.
Josef Brandner (stehend), Fraktionsc­hef der Freien Wähler, stellte mit Erfolg den An trag, dass der Kreistag das Ansinnen von SPD und Grünen nicht in diesem politische­n Gremium behandelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany