Streik vor Klinik und Schlagabtausch im Kreistag
Die Diskussion um die Unterstützung des Landkreises zur Finanzierung zusätzlicher Pflegestellen im Kreiskrankenhaus nimmt eine unerwartete Wende. SPD und Grüne fühlen sich brüskiert
Die SPD und die Grünen fühlen sich von einer unerwarteten Wende zur Diskussion um die Hilfe des Kreises in der Pflege brüskiert.
Günzburg/Mindelaltheim Minus zwei Grad herrschen an diesem MärzMontag in Günzburg, eisiger Wind pfeift um das Pforten-Gebäude an der Zufahrt zu den Günzburger Kliniken. Es gibt deutlich angenehmere Tage für einen Streik – noch dazu in einer Zeit, in der die Grippewelle das Kreiskrankenhaus praktisch dauerhaft in einen Notdienstzustand versetzt. Die Zahl der Streikenden ist deshalb auch nicht ganz so groß wie zuletzt im Herbst, als die Mitarbeiter aus Günzburg im Ausstand waren. Das könne sich jedoch schnell ändern, sagt Helga SpringerGloning in ihrer kämpferischen Begrüßung. „Ich würde unseren Arbeitgeberverbänden nicht empfehlen, auszuprobieren, ob wir im Bedarfsfall mehr Beschäftigte mobilisieren können.“
Von 11 bis 17 Uhr haben sie und ihre Kollegen die Arbeit niedergelegt, auch aus der Krumbacher Klinik und dem benachbarten Bezirkskrankenhaus sind Kollegen zur Kundgebung gekommen. Auch, um dann am Nachmittag gemeinsam zur Sitzung des Kreistags fahren zu können, der in Mindelaltheim tagen wird. Unter anderem sollte dort nämlich der gemeinsame Antrag der SPD und der Grünen zur Verbesserung der Pflegesituation in den Kreiskliniken auf dem Tisch liegen. Und dem wollen die Mitarbeiter ebenso Nachdruck verleihen wie ihren Forderungen nach deutlich besserer Bezahlung, einem erhöhten Nachtzuschlag und geregelter Entlohnung in der Ausbildung. Robert Hinke, Landesfachbereichsleiter für Gesundheit und Soziales bei der Gewerkschaft Verdi, heizt den frierenden Streikposten ein: „Es ist schon erstaunlich, wie der Kreisausschuss nach öffentlich geäußertem Verständnis für die Probleme der Pflege die in Aussicht gestellten 800 000 für mehr Pflegekräfte einkassiert. Es ist zu hoffen, dass der Kreistag aufwacht! Macht Rabatz!“
Das Thema gehe alle an, sagt DGB-Kreisvorsitzender und SPDKreisrat Werner Gloning. „Ihr werdet nicht allein sein in der Auseinandersetzung, andere Gewerkschaften werden euch unterstützen. Schließlich sind wir alle potenzielle Patienten und sollten ein Interesse an guter und gut bezahlter Pflege haben.“
sollten sich alle getäuscht haben. Denn in der Kreistagssitzung, in der auch der Haushalt für dieses Jahr verabschiedet wurde, gab es gar keine Gelegenheit, „Rabatz“zu machen. Das Gremium erklärte sich mit deutlicher Mehrheit (36 zu 15 Stimmen) für nicht zuständig, über den Antrag von SPD und Grünen zu entscheiden. Josef Brandner, der Fraktionschef der Freien Wähler, hatte diesen „formalen Grund“vorEuro gebracht. Richtig sei eine Diskussion darüber im Verwaltungsrat der Kreiskliniken, der auch für den Stellenplan verantwortlich sei. Die CSU wurde dem Vernehmen nach von Brandner am Montagvormittag darüber informiert, was er nachmittags vorhatte. Völlig ahnungslos dagegen waren die Fraktionen der Grünen und der Sozialdemokraten von diesem Coup. Sie wurden von der Aushebelbewegung mithilfe der Geschäftsordnung regelrecht überrumpelt, das sah man den Kreisräten an. SPD-Fraktionsvorsitzender Gerd Olbrich konnte die Argumente Brandners nicht nachvollziehen, schließlich richte sich der Antrag an die Mandatsträger im Kreistag und eine Annahme würde sich auch spürbar auf den Kreishaushalt auswirken.
Harald Lenz, der die Fraktion der Grünen im Günzburger Kreistag anführt, war von der plötzlich auftauchenden „Nichtzuständigkeit“des Kommunalparlaments „tief betroffen“und fand das „mehr als traurig“.
Burgaus Bürgermeister Konrad Barm (Freie Wähler) erklärte am Rande der Sitzung die Beweggründe für seine Gruppierung: „Wir wollen nicht, dass die SPD und die Grünen einen Landtagswahlkampf über die kommunale Schiene führen.“AuSie ßerdem komme das Signal nicht gut an, für zusätzliche Pflegekräfte in den Kliniken Geld zur Verfügung zu stellen, für weitere Kräfte in den Altenheimen aber nicht. Denn das „ist Ungleichbehandlung“.
Barm spürte den Ärger von Kreistagskollegen später – als es um die Wahl der Vertrauenspersonen in den Wahlausschuss für die Schöffenund Jugendschöffenwahl ging. Der Amtsgerichtsdirektor, der Landrat und sieben Kreisräte sitzen in diesem Gremium. Eine Zweidrittel-Mehrheit im Kreistag ist für diese Position nötig, was eigentlich eine reine Formsache ist. Und sechs von sieben Kreisräten benötigten auch nur den einen obligatorischen Wahlgang. Nur Barm, dem einzigen Vertreter der Freien Wähler, gelang das nicht auf Anhieb. Und so musste in diesem Fall nochmals abgestimmt werden.
Vor allem aber wollten weder SPD noch Grüne dem Kreisetat zustimmen, weil sie sich durch die Nichtbehandlung ihres Antrags brüskiert sahen. 14 Kreisräte stimmten gegen die Etatverabschiedung. 36 waren dafür. In den vergangenen Jahren hatte es nie so viele Gegenstimmen gegeben. Die Stimmung war bei der Kreistagssitzung am Montagnachmittag zusehends »Kommentar gereizt. und Seite 27