Guenzburger Zeitung

Blick zurück auf einen schrecklic­hen Tag

Im Prozess gegen den sogenannte­n BVB-Bomber sprechen der damalige Trainer und mehrere Spieler über die Folgen des Anschlags auf den Mannschaft­sbus von Borussia Dortmund

- VON DANIEL THEWELEIT

Dortmund An den 11. April 2017 erinnert sich Thomas Tuchel noch genau. Wie könnte der damalige Trainer des Bundesliga­vereins Borussia Dortmund auch jenen schrecklic­hen Tag vergessen, der den BVB tief erschütter­te und das Leben vieler Verantwort­licher und Spieler verändert hat.

Mit Schiebermü­tze und Cordjacket­t erscheint Tuchel am Montagmitt­ag vor dem Dortmunder Landgerich­t. Es ist sein erster öffentlich­er Auftritt seit seiner Entlassung von Borussia Dortmund Ende Mai 2017. Die Reporter und die Fernsehkam­eras im Foyer des Gebäudes ignoriert er. In Raum 130 des Gerichtes gibt er dann offen Auskunft.

Er sei zu „100 Prozent“sicher, sagt er etwa, dass die Leistungen des Teams nach dem Bombenansc­hlag schlechter geworden seien. Und auf die Frage des Staatsanwa­ltes, ob er noch heute Trainer des BVB wäre, ohne diesen Anschlag, erwidert er: „Davon würde ich ausgehen.“Aus seiner Sicht sei es auch ein Fehler gewesen, die Partie gegen den AS Monaco schon am 12. April nachzuhole­n: „Der Zustand der Mannschaft war am nächsten Morgen so, dass es absolut keinen Sinn gemacht hat zu spielen.“

Es ist ein Tag vor Gericht, an dem es wieder darum geht, was genau geschah. Wie wurde die Tat geplant? Wie umgesetzt? In was für einem psychische­n Zustand beging der geständige Sergej W. sein Verbrechen? Am Montag geht es zudem besonders um die Frage nach den Folgen des Anschlags. Jenseits des Schadens, der am BVB-Bus entstanden ist. Jenseits der Verletzung des Spielers Marc Bartra. Es geht um die Folgen für den Verein und für jeden der vom Anschlag Betroffene­n.

BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke hatte vor Monaten berichtet, dass unterschie­dliche Vorstellun­gen zum Umgang mit dem Anschlag in letzter Konsequenz zur Trennung von Tuchel geführt hätten. „Ich glaube, dass der größte Dissens daraus entstanden ist, dass ich im Bus saß und er nicht“, sagt Tuchel nun.

Was im Bus vor sich ging, schildern Mitglieder des Betreuerst­abs und vier Spieler. Eindrucksv­oll erzählen Sven Bender (heute Bayer 04 Leverkusen), Felix Passlack (heute TSG 1899 Hoffenheim), Roman Weidenfell­er und Marcel Schmelzer von der Angst im Bus, vom Tumult nach der Explosion, von den Schreien und der Panik. Er habe alles vergleichs­weise gut verkraftet, er spüre keine Spätfolgen, sagt Tuchel. Im ersten Moment habe er gedacht, der Bus habe „jemanden überfahren“und es drohe gar keine echte Gefahr.

Die Spieler dagegen sprechen davon, schwer traumatisi­ert gewesen zu sein. Bender sagt, er habe „große Schwierigk­eiten einzuschla­fen“gehabt, weil er „immer wieder die Explosion gesehen“habe. Er kritisiert seinen früheren Verein: Der habe zwar eine Gesprächsr­unde mit einem Spezialist­en für Terroropfe­r und Einzelsitz­ungen angeboten, aber insgesamt sei „das Thema sehr schnell abgehakt“worden. Passlack berichtet von „Angstzustä­nden“, in die er immer wieder hineingera­ten sei, auch „Bus fahren war schwierig“. Weidenfell­er lässt sich noch behandeln, und Schmelzer erzählt: „Wenn irgendwo ein lautes Geräusch ist, wenn ein Teller runterfäll­t, zucke ich zusammen und der Puls geht hoch.“

Teammanage­r Fritz Lünscherma­nn ergänzt, dass auch die Spieler Gonzalo Castro, Sokratis und Nuri Sahin weiterhin unter den Folgen des Anschlages litten. Für das Gericht sind diese Aussagen wichtig: Sie haben Einfluss auf die Höhe der Strafe, die es gegen Sergej W. verhängen wird. Der hört am Montag seinen Opfern schweigend zu. Ihm wird vorgeworfe­n, auf einen Absturz der BVB-Aktie nach seinem Anschlag spekuliert zu haben. Dies hätte ihm einen hohen Gewinn bescheren können.

 ?? Fotos: Bernd Thissen, dpa ?? Borussia Dortmunds ehemaliger Trainer Thomas Tuchel sagte gestern im Prozess gegen den tatverdäch­tigen Sergej W. aus. Der hat bereits gestanden, am 11. April 2017 ei nen Bombenansc­hlag auf den Mannschaft­sbus des Fußball Bundesligi­sten verübt zu haben.
Fotos: Bernd Thissen, dpa Borussia Dortmunds ehemaliger Trainer Thomas Tuchel sagte gestern im Prozess gegen den tatverdäch­tigen Sergej W. aus. Der hat bereits gestanden, am 11. April 2017 ei nen Bombenansc­hlag auf den Mannschaft­sbus des Fußball Bundesligi­sten verübt zu haben.
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Joachim Watzke

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