Wie ein Autohändler den Diesel sieht
Christian Scheel ist Chef eines Leipheimer Autohauses, das noch Standorte in weiteren Landkreisen hat. Wie sich die anhaltenden Diskussionen auf sein Geschäft ausgewirkt haben. Und wie es weitergehen soll
Herr Scheel, Sie verkaufen Fahrzeuge von Peugeot und Kia. Gegen Peugeot wurde vergangenes Jahr wegen des Verdachts auf Abgasmanipulation ermittelt. Wie haben sich diese Marken in der Dieselkrise geschlagen? Christian Scheel: Die Ermittlungen gegen Peugeot wurden bereits eingestellt. Ich habe nichts anderes erwartet, weil Peugeot seit 1999 den saubersten Diesel baut. Wir waren die ersten, die Autos nach der neuesten und saubersten Abgasnorm Euro-6d-Temp gebaut haben. Von Kia hat man kaum etwas gehört, manipuliert wurde jedenfalls nicht. Allerdings baut Kia auch deutlich weniger Modelle mit Dieselmotor.
Aber auch Kunden mit nicht manipuliertem Diesel wissen nicht, ob sie ihr Auto weiter nutzen können. Wie spüren sie diese Verunsicherung?
Scheel: Als Euro-4 eingeführt wurde, ging es um die Senkung des CO2-Ausstoßes. Mit der Abwrackprämie hat man die Autofahrer dazu gedrängt, saubere Dieselautos zu kaufen. Jetzt kreidet man auf einmal den Stickstoffdioxid-Ausstoß an. Dabei ist dieser nur gestiegen, weil die Motoren sparsamer wurden. Die Menschen sind verunsichert, weil die Politik offensichtlich nicht weiß, was sie will. Viele Kunden fragen, wo sie ihre blaue Plakette bekommen, dabei gibt es die noch gar nicht. Manche denken, sie könnten ihren einwandfreien Euro-5-Diesel plötzlich nicht mehr weiterfahren.
Sind Sie wütend auf die Autobauer, die betrogen haben?
Scheel: Natürlich hat man einen gewissen Ärger über Hersteller, die manipuliert haben. Meist findet die Debatte aus Sicht der Konsumenten statt. Wir als mittelständisches Unternehmen haben bei der ganzen Sache auch viel Geld verloren. Bevor der Dieselskandal aufkam, haben wir Gebrauchtwagen betroffener Marken gekauft, die sich dann die Reifen plattstanden und schließlich nur noch ins Ausland verkauft werden konnten. Dass diese Fahrzeuge dort gefahren werden, sieht keiner.
Was halten Sie vom Gerichtsurteil zu möglichen Fahrverboten?
Scheel: Wirklich entschieden wurde letztlich nichts. Die Städte dürfen nach wie vor selbst entscheiden. Deutlich mehr bringen als ein Fahr- verbot würde sowieso, Unternehmen aus den Stadtkernen auszulagern und den öffentlichen Nahverkehr zu stärken, beispielsweise mit kostenlosen Angeboten.
Scheel: Meistens fahre ich lange Strecken und deshalb einen Diesel.
Was würden sie einem Freund, der Sie fragt, ob er einen Diesel kaufen soll, raten?
Scheel: Wenn er viel fährt, würde ich ihm definitiv zum Diesel raten. Ab 15 000 Kilometer pro Jahr lohnt sich der Diesel. Wer 40 000 Kilometer im Jahr mit einem Benziner fährt, greift deutlich tiefer in die Tasche bei Kraftstoff- und Unterhaltskosten.
Trotz der Ungewissheiten?
Scheel: Ich bin sicher, dass man mit einem neuen Diesel nach Euro6 d-Norm in einigen Jahren noch nach Stuttgart oder München fahren kann. Ebenfalls wird es für Euro5-Diesel erst in zwei bis drei Jahre Fahrverbote geben.
Das hat man von der ersten Euro6-Generation auch gedacht. Scheel: Wenn eine Stadt wirklich ein Fahrverbot für neue Diesel verhängt, würde ich wie viele andere nicht mehr dort einkaufen. Ansonsten tauscht Peugeot neue Dieselmodelle gegen Benziner, sollten sie im Fall der Fälle wirklich von einem Fahrverbot betroffen sein.
Wie haben sich ihre Verkaufszahlen beim Diesel verändert?
Scheel: Auf dem Papier ist alles gleich geblieben. Man muss aber sagen, dass wir mehr Nutzfahrzeuge, die alle Dieselbetrieben sind, verkauft haben. Bei privaten Nutzern ist der Diesel somit etwas zurückgegangen. Für Vielfahrer ist der Diesel immer noch die bessere Option.
Ist heute Überzeugungsarbeit notwendig, um einen Diesel zu verkaufen? Scheel: Im Moment, ja. Es ist schon so, dass man einige Kunden erst beruhigen muss. Aber erst kürzlich habe ich in zehn Minuten einen Diesel verkauft, das gibt es auch.
Sie haben die Rolle der Politik angesprochen. Was erhoffen Sie sich von ihr?
Scheel: Ehrlich gesagt wenig. „Der Diesel muss weg“, wird da pauschal gefordert. Nur wenige erkennen, dass das unmöglich ist. Ob in einigen Jahren Elektroautos massentauglich sind oder sich mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge etablieren, ist offen. Außerdem hat sich der Diesel weiterentwickelt und erreicht heute Kohlendioxid- und Stickoxid-Werte, von denen man vor zehn Jahren geträumt hat. Die Politik muss entscheiden, was sie will.
Müsste man die Hersteller Ihrer Meinung nach stärker in die Pflicht nehmen?
Scheel: Da muss man differenzieren, finde ich. Kein Hersteller konnte vor zehn Jahren wissen, wie sich die Gesetze entwickeln würden. Nachrüstungen müssen möglich sein, fraglich ist nur in welcher Form und in welchem Maße. Anders gelagert ist die Sache, wenn bewusst betrogen wurde. Ob ein Hersteller die mangelhaften Autos umbaut oder zurücknimmt, sei ihm überlassen. In Norddeutschland hat ein Kunde nun eine Rücknahme vor Gericht erzielt und viele Richter werden diesem Urteil folgen.