Guenzburger Zeitung

Wie ein Autohändle­r den Diesel sieht

Christian Scheel ist Chef eines Leipheimer Autohauses, das noch Standorte in weiteren Landkreise­n hat. Wie sich die anhaltende­n Diskussion­en auf sein Geschäft ausgewirkt haben. Und wie es weitergehe­n soll

- Fahren Sie Diesel? Interview: Philipp Wehrmann

Herr Scheel, Sie verkaufen Fahrzeuge von Peugeot und Kia. Gegen Peugeot wurde vergangene­s Jahr wegen des Verdachts auf Abgasmanip­ulation ermittelt. Wie haben sich diese Marken in der Dieselkris­e geschlagen? Christian Scheel: Die Ermittlung­en gegen Peugeot wurden bereits eingestell­t. Ich habe nichts anderes erwartet, weil Peugeot seit 1999 den saubersten Diesel baut. Wir waren die ersten, die Autos nach der neuesten und saubersten Abgasnorm Euro-6d-Temp gebaut haben. Von Kia hat man kaum etwas gehört, manipulier­t wurde jedenfalls nicht. Allerdings baut Kia auch deutlich weniger Modelle mit Dieselmoto­r.

Aber auch Kunden mit nicht manipulier­tem Diesel wissen nicht, ob sie ihr Auto weiter nutzen können. Wie spüren sie diese Verunsiche­rung?

Scheel: Als Euro-4 eingeführt wurde, ging es um die Senkung des CO2-Ausstoßes. Mit der Abwrackprä­mie hat man die Autofahrer dazu gedrängt, saubere Dieselauto­s zu kaufen. Jetzt kreidet man auf einmal den Stickstoff­dioxid-Ausstoß an. Dabei ist dieser nur gestiegen, weil die Motoren sparsamer wurden. Die Menschen sind verunsiche­rt, weil die Politik offensicht­lich nicht weiß, was sie will. Viele Kunden fragen, wo sie ihre blaue Plakette bekommen, dabei gibt es die noch gar nicht. Manche denken, sie könnten ihren einwandfre­ien Euro-5-Diesel plötzlich nicht mehr weiterfahr­en.

Sind Sie wütend auf die Autobauer, die betrogen haben?

Scheel: Natürlich hat man einen gewissen Ärger über Hersteller, die manipulier­t haben. Meist findet die Debatte aus Sicht der Konsumente­n statt. Wir als mittelstän­disches Unternehme­n haben bei der ganzen Sache auch viel Geld verloren. Bevor der Dieselskan­dal aufkam, haben wir Gebrauchtw­agen betroffene­r Marken gekauft, die sich dann die Reifen plattstand­en und schließlic­h nur noch ins Ausland verkauft werden konnten. Dass diese Fahrzeuge dort gefahren werden, sieht keiner.

Was halten Sie vom Gerichtsur­teil zu möglichen Fahrverbot­en?

Scheel: Wirklich entschiede­n wurde letztlich nichts. Die Städte dürfen nach wie vor selbst entscheide­n. Deutlich mehr bringen als ein Fahr- verbot würde sowieso, Unternehme­n aus den Stadtkerne­n auszulager­n und den öffentlich­en Nahverkehr zu stärken, beispielsw­eise mit kostenlose­n Angeboten.

Scheel: Meistens fahre ich lange Strecken und deshalb einen Diesel.

Was würden sie einem Freund, der Sie fragt, ob er einen Diesel kaufen soll, raten?

Scheel: Wenn er viel fährt, würde ich ihm definitiv zum Diesel raten. Ab 15 000 Kilometer pro Jahr lohnt sich der Diesel. Wer 40 000 Kilometer im Jahr mit einem Benziner fährt, greift deutlich tiefer in die Tasche bei Kraftstoff- und Unterhalts­kosten.

Trotz der Ungewisshe­iten?

Scheel: Ich bin sicher, dass man mit einem neuen Diesel nach Euro6 d-Norm in einigen Jahren noch nach Stuttgart oder München fahren kann. Ebenfalls wird es für Euro5-Diesel erst in zwei bis drei Jahre Fahrverbot­e geben.

Das hat man von der ersten Euro6-Generation auch gedacht. Scheel: Wenn eine Stadt wirklich ein Fahrverbot für neue Diesel verhängt, würde ich wie viele andere nicht mehr dort einkaufen. Ansonsten tauscht Peugeot neue Dieselmode­lle gegen Benziner, sollten sie im Fall der Fälle wirklich von einem Fahrverbot betroffen sein.

Wie haben sich ihre Verkaufsza­hlen beim Diesel verändert?

Scheel: Auf dem Papier ist alles gleich geblieben. Man muss aber sagen, dass wir mehr Nutzfahrze­uge, die alle Dieselbetr­ieben sind, verkauft haben. Bei privaten Nutzern ist der Diesel somit etwas zurückgega­ngen. Für Vielfahrer ist der Diesel immer noch die bessere Option.

Ist heute Überzeugun­gsarbeit notwendig, um einen Diesel zu verkaufen? Scheel: Im Moment, ja. Es ist schon so, dass man einige Kunden erst beruhigen muss. Aber erst kürzlich habe ich in zehn Minuten einen Diesel verkauft, das gibt es auch.

Sie haben die Rolle der Politik angesproch­en. Was erhoffen Sie sich von ihr?

Scheel: Ehrlich gesagt wenig. „Der Diesel muss weg“, wird da pauschal gefordert. Nur wenige erkennen, dass das unmöglich ist. Ob in einigen Jahren Elektroaut­os massentaug­lich sind oder sich mit Wasserstof­f betriebene Fahrzeuge etablieren, ist offen. Außerdem hat sich der Diesel weiterentw­ickelt und erreicht heute Kohlendiox­id- und Stickoxid-Werte, von denen man vor zehn Jahren geträumt hat. Die Politik muss entscheide­n, was sie will.

Müsste man die Hersteller Ihrer Meinung nach stärker in die Pflicht nehmen?

Scheel: Da muss man differenzi­eren, finde ich. Kein Hersteller konnte vor zehn Jahren wissen, wie sich die Gesetze entwickeln würden. Nachrüstun­gen müssen möglich sein, fraglich ist nur in welcher Form und in welchem Maße. Anders gelagert ist die Sache, wenn bewusst betrogen wurde. Ob ein Hersteller die mangelhaft­en Autos umbaut oder zurücknimm­t, sei ihm überlassen. In Norddeutsc­hland hat ein Kunde nun eine Rücknahme vor Gericht erzielt und viele Richter werden diesem Urteil folgen.

 ?? Foto: Philipp Wehrmann ?? Auch einem guten Freund würde Christian Scheel zu einem neuen Dieselauto raten, wenn er viel fährt. Dass viele Menschen verunsiche­rt sind, kann er nachvollzi­ehen. Trotzdem ist er überzeugt, dass der Diesel auf län gere Sicht nicht zu ersetzen ist.
Foto: Philipp Wehrmann Auch einem guten Freund würde Christian Scheel zu einem neuen Dieselauto raten, wenn er viel fährt. Dass viele Menschen verunsiche­rt sind, kann er nachvollzi­ehen. Trotzdem ist er überzeugt, dass der Diesel auf län gere Sicht nicht zu ersetzen ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany