Sind auch deutsche Facebook Nutzer betroffen?
Der Auftritt eines Sprechers des Unternehmens im Digitalausschuss verärgert die Bundestagsabgeordneten
Berlin Der Facebook-Skandal um den möglichen Missbrauch von Daten von 50 Millionen Nutzern des sozialen Netzwerks zur Manipulation der US-Präsidentschaftswahlen sorgt auch im politischen Berlin für größte Unruhe. Aufgrund der Brisanz der Affäre hatte der Digitalausschuss des Bundestags das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Kalifornien hat, um Aufklärung gebeten. Tatsächlich sagte der ansonsten in eigener Sache äußerst zurückhaltende Konzern zu, Vertreter in die Sitzung am Freitagmorgen zu schicken.
Zur Enttäuschung der Ausschussmitglieder kam aber nicht wie erwartet ein hochrangiger Konzernmanager, sondern zwei „nachrangige Sprecher, die nichts zu sagen hatten“, wie ein Teilnehmer der Sitzung berichtet. Und was die beiden Facebook-Mitarbeiter dann zum mutmaßlichen Missbrauch der Daten von mehr als 50 Millionen Nutzern gesagt – oder vielmehr nicht gesagt – haben, sorgte im Ausschuss für „Unmut“. Das sagte der Vorsitzende des Gremiums, Hansjörg Durz, nach der Sitzung gegenüber unserer Zeitung. „Das reicht so nicht“, kritisiert der CSU-Politiker aus Neusäß bei Augsburg. Zwar habe sich Facebook dem Bundestag als erstem Parlament weltweit gestellt, doch die Antworten, die die Abgeordneten erhalten hätten, seien nicht über bereits bekannte Aussagen der Firma hinausgegangen und deshalb ungeeignet gewesen, die Bedenken im Skandal um die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica auszuräumen.
Das Unternehmen hatte sich offenbar unerlaubt Zugang zu Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern verschafft und diese dazu verwendet, den US-Wahlkampf zugunsten des heutigen Präsidenten Donald Trump zu beeinflussen. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte sich nach tagelangem Schweigen für die Vorgänge rund um den Datenklau entschuldigt: „Es tut mir wirklich leid, dass das passiert ist“, sagte er im US-Fernsehen. Doch Kritiker werfen Zuckerberg vor, er lasse echten Aufklärungswillen vermissen.
Auch der Auftritt der beiden Facebook-Mitarbeiter im Digitalausschuss des Bundestags lässt die Mitglieder mit vielen Fragen zu- Vorsitzender Durz fürchtet, „dass die Affäre noch längst nicht zu Ende ist“. Und er hat einen ganz konkreten Verdacht: „Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass auch Deutsche vom Facebook-Datenskandal betroffen sind.“Die beiden Facebook-Mitarbeiter hätten dies im Ausschuss nicht ausschließen können, aber angekündigt, dies würde in den kommenden beiden Wochen geklärt. Momentan liegen Facebook demnach aber keine entsprechenden Erkenntnisse vor. Cambridge Analytica hatte über 270 000 Teilnehmern einer Umfrage auch die Daten deren Facebook-Freunde abgeschöpft – so kam die Firma wohl an mehr als 50 Millionen Nutzerprofile. Dass angesichts der gewaltigen Zahlen auch deutsche Facebook-Nutzer betroffen sein müssten, liegt für Durz auf der Hand.
Ebenfalls habe das soziale Netzwerk im Digitalausschuss nicht ausgeschlossen, dass es noch weitere Fälle der missbräuchlichen Verwendung von Facebook-Nutzerdaten gebe. Und auch die Frage, ob es im deutschen Bundestagswahlkampf zu Versuchen der Beeinflussung mittels Missbrauch von Facebook-Daten gegeben habe, sei von den Vertretern der Firma nicht beantwortet worden. „Was Facebook sagt, ist zu vage, der Skandal muss aber vollständig aufgeklärt werden“, fordert Durz.
Dieter Janecek, der für die Grünen im Digitalausschuss sitzt, nennt den Auftritt der Facebook-Vertreter „unterirdisch“, der Konzern habe „keinerlei Aufklärungswillen gezeigt“und verfolge offensichtlich die Strategie „ausweichen und aussitzen“. Janecek fordert: „Die Politik muss die Oberhoheit über diese Konzerne zurückgewinnen, denn die ist längst verloren gegangen.“Firmen wie Facebook dürften nicht über dem Rechtssystem der Demokratien stehen.
Am Montag will Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) von Facebook Auskunft über den Datenskandal. Sie erwartet unter anderück. rem den Europa-Cheflobbyisten der US-Firma, Richard Allen, zum Gespräch. Für Barley beweist der Datenskandal um Cambridge Analytica, „dass unsere Daten uns auch manipulierbar machen“. Menschen seien mit politischen Botschaften bombardiert worden, „je nachdem, wie sie eingeschätzt waren“.
Ein Sprecher von Facebook Deutschland sagte gestern, das Unternehmen sei bereit, Konsequenzen zu ziehen: „Unsere Priorität ist es nun, die Vorfälle aus der Vergangenheit aufzuklären, Datenmissbrauch in Zukunft zu vermeiden und den Menschen mehr Kontrolle zu geben.“
„Für mich beweist der Datenskandal um Cambridge Analytica, dass unsere Daten uns auch manipulierbar machen.“Justizministerin Katarina Barley