„Das kann nur der Anfang sein“
Die Bahn beginnt mit der Elektrifizierung der Strecke zwischen Lindau und München. Endlich, sagt Herbert Müller, einer der Väter des Mega-Projektes – und fordert mehr
Sie gelten als einer der Väter der Elektrifizierung der Bahnstrecke München–Lindau. Haben Sie geglaubt, dass das Projekt jemals realisiert wird? Herbert Müller: Ich habe immer daran geglaubt, weil ich der Meinung war, dass es so viele gute und auch objektivierbare Gründe dafür gibt.
Aber es gab auch Zeiten, da stand das Projekt auf der Kippe.
Müller: Das kann man so sagen. Es gab einen politischen Umschwung nach dem Abgang des früheren Wirtschaftsministers Otto Wiesheu. Er war ein großer Befürworter der Elektrifizierung. Da war alles auf einem guten Weg. Unter seinem Nachfolger Erwin Huber hat sich der Wind gedreht. Gott sei Dank war der nicht lange Wirtschaftsminister. Danach wandelten sich die Rahmenbedingungen wieder zum Guten. Vom Bund gab es immer Unterstützung.
Was war ausschlaggebend, dass es nun geklappt hat?
Müller: Das war ganz sicher auch der starke Wunsch der Schweiz, die ja einen Kredit von 50 Millionen zuschießt. Man muss wissen: Es gibt keine Strecke in Europa, bei der die Luftlinie so kurz ist und die trotzdem mehr Menschen mit dem Flugzeug zurücklegen als mit der Bahn. Das ist doch absurd! In Zukunft werden die Leute mit dem Zug viel schneller die Strecke München–Zürich zurücklegen können. Da müssen dann auch keine Diesel-Loks mehr fahren.
Das ist ja gerade in Zeiten der Stickstoffdioxid-Debatte interessant . . . Müller: Das Ganze kann auch darüber hinaus zu einem großen Fortschrittsprojekt für Schwaben werden. Wenn in zwei Jahren die Elektrifizierung steht, wird der Fernverkehr mit Strom fahren. Der ganze Nah- und Regionalverkehr aber weiter mit Diesel. Das kann es nicht sein! Man muss darauf schauen, dass die Elektrifizierung von Geltendorf bis Lindau zur Urmutter der Elektrifizierung in Schwaben wird. Als nächstes großes Projekt müsste anstehen von Augsburg bis Buchloe. Dann kann man auch die Regionalzüge elektrifizieren. Auch von Ulm bis Oberstdorf müssen mittelfristig die Züge mit Strom fahren.
Ist Kempten bahntechnisch der Verlierer dieses Projekts?
Müller: Das wäre eine grobe Fehleinschätzung. Es wäre so, wenn die jetzige Elektrifizierung der Schlusspunkt wäre. Das kann aber nur der Anfang sein. Und dann wären wir in Schwaben und im Allgäu der Gewinner. Jetzt muss es erst richtig losgehen!
Ist es für Sie ein Stück Genugtuung, als SPD-Mann in der politischen Diaspora Bayern neben dem Ausbau der A8 solch ein Großprojekt miteingetütet zu haben?
Müller: Genugtuung nicht, aber es ist eine ganz große Freude. Weil, gestatten Sie mir den Satz, es ist schön zu sehen, dass in einer Zeit, in der die SPD im Bund mit den Grünen regiert hat, die Weichen für solch sinnvolle Projekte gestellt wurden.
Sie hatten damals verdammt gute Beziehungen ins SPD-geführte Verkehrsministerium. Wie kamen denn die zustande?
Müller: Die kamen so zustande, dass ich bei einer wichtigen Verkehrsentscheidung mehr wusste als die Experten im Bundesverkehrsministerium. Es ging damals um den A8-Aus- bau. Das war um die Jahrtausendwende. Ich hatte aus München gehört, dass sich die CSU für den Ausbau entschieden hat und meldete mich im Bundesverkehrsministerium. Da habe ich nicht eher aufgegeben, bis ich den Büroleiter des Ministers am Telefon hatte und ihm die Nachricht überbracht habe. Der dachte zuerst, ich würde Unsinn erzählen. Doch es stellte sich heraus, dass ich recht hatte. Plötzlich haben die mich ernst genommen. Und ich setzte mich in der Folge dafür ein, dass das erste Pilotprojekt für private Autobahnen nicht ins damals auch SPD-regierte Nordrhein-Westfalen, sondern nach Bayern ging. Herbert Müller, 73, gebo ren in Memmingen, saß von 1984 bis 2008 für die SPD im Bayerischen Landtag.