Wenn der Postmann täglich klingelt
In Bremen startet ein einzigartiges Projekt: Briefträger sehen auf ihrer Tour bei Rentnern nach dem Rechten. So sollen die Senioren länger selbstbestimmt leben können
Bremen Post persönlich 2.0. So heißt das Pilotprojekt, das demnächst in Bremen startet. Bremer Postboten sollen künftig bei Senioren klingeln und fragen, wie es ihnen geht. Erst einmal sollen die Boten nur in ausgewählten Bremer Stadtteilen Hausbesuche machen.
Die Deutsche Post will frühestens Mitte April Details über ihre Pläne verraten, aber einiges wurde schon jetzt bekannt: Wer sich für den Service anmeldet und dafür eine Gebühr in noch ungenannter Höhe bezahlt, erhält künftig regelmäßig Besuch von Briefträgern. Die Männer und Frauen in den gelb-blauen Jacken klingeln auf jeder ihrer Touren bei den Projektteilnehmern, fragen kurz, ob alles in Ordnung ist, und ziehen dann weiter. Wenn niemand öffnet oder wenn die Klienten um Hilfe bitten, dann rufen die Zusteller beim Johanniter-Hausnotruf an und bitten ihn, sich um den Fall zu kümmern und zum Beispiel Verwandte zu benachrichtigen.
Zu dem Modellprojekt der Stadt Bremen und der Post gehören noch zwei weitere Aufgaben für die Briefträger: Sie sollen an jeder Haustür möglichst persönlich ein Faltblatt überreichen, in dem für ehrenamtliches Engagement in sozialen Dienstleistungszentren geworben wird. Und sie sollen – fast wie der Geldbriefträger Walter Spahrbier in früheren Fernsehshows – per Einschreiben Bargeld ausliefern, wenn Kunden der Sparkasse Bremen dies vorher per Telefon bei dem Kreditinstitut angefordert haben. Mit diesen Dienstleistungen will der Bremer Senat vor allem jene Hilfsbe- dürftigen unterstützen, die noch nicht durch Pflegedienste betreut werden oder sich keinem Hausnotrufsystem angeschlossen haben. Neben der Post sollen auch andere Institutionen mit eigenen Angeboten helfen, den Umzug ins Heim möglichst lang hinauszuzögern.
Eigentlich sollte man denken, dass die Zusatzarbeit für die Briefzusteller auf schroffe Ablehnung bei ihren Interessenvertretern stößt. Doch Verdi-Landesfachbereichsleiter Thomas Warner und der zuständige Betriebsratsvorsitzende Hermann Warnken sind durchaus offen für das Pilotprojekt, wie sie auf Anfrage unserer Zeitung sagten. Sie denken langfristig: Wenn die Postboten im E-Mail-Zeitalter immer weniger Briefe auszutragen haben, dann können neue Aufgaben die Arbeitsplätze sichern. Der Betriebsrat, der nach Warnkens Worten rechtzeitig in die Planungen eingebunden wurde, akzeptiert deshalb, dass zumindest während der Projektzeit kein zusätzliches Personal eingesetzt wird. „Falls das Modell gut ankommt, würde das allerdings zu einem Mehrbedarf an Arbeitskraft führen“, sagt Warnken.
Die Deutsche Post hat schon einmal versucht, Briefzusteller als Altenkümmerer einzusetzen. Doch das 2014 im Ruhrgebiet gestartete Projekt, damals noch ohne Geldzustellung wie künftig in Bremen, wurde Ende 2015 eingestellt – wegen zu geringer Kundennachfrage, wie es in der Lokalpresse hieß. Fast 40 Euro Gebühr pro Monat waren vermutlich zu viel. In Bremen könnte es für die Senioren billiger werden: Auch die Stadt will das Angebot finanziell unterstützen.