Ein biblisches Sprachproblem
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“, rief der etwa 33-jährige Jesus Christus, als er am Kreuz starb. Das muss vor ungefähr 1980 Jahren gewesen sein, denn man ist sich heute einig, dass Christus ein paar Jahre vor Christi Geburt geboren wurde. Eine kleine historische Vertracktheit, die hier nur der Auftakt zu einer anderen strittigen Frage sein soll: In welcher Sprache hat Jesus seinen Gott angerufen? Wie hat er überhaupt gesprochen?
Darüber hatten vor einiger Zeit Papst Franziskus und Benjamin Netanjahu in Jerusalem einen kleinen Disput. Der israelische Ministerpräsident sagte, Jesus habe hebräisch gesprochen; der Papst entgegnete, Jesus habe aramäisch gesprochen. Sie kamen zu einer christlich-jüdischen Verständigung: Jesus habe wohl vorwiegend aramäisch gesprochen, aber auch hebräisch.
So wird es gewesen sein, aber die Gelehrten finden durchaus noch Streitpunkte. Zum Beispiel den, in welcher Sprache Jesus sein „Mein Gott, mein Gott“gerufen hat. War es „Eli, Eli“, wie Matthäus schreibt? Das hätte dann sehr hebräisch geklungen. Oder war es „Eloi, Eloi“, wie Markus berichtet. Das klänge, so die Experten, dann doch aramäisch. Und dann ist da ja noch der verzweifelte Ausruf: „Warum hast du mich verlassen!“Da sind sich Markus und Matthäus einig: „Lema sabachtani!“Und das sei – wie Sprachkundige versichern – dem Aramäischen zuzurechnen.
Woher überhaupt diese Sprachverwirrung? Nun, Palästina war damals fast mehr noch als heute ein Vielvölkerstaat mit der dazugehörigen Sprachenvielfalt. In Galiläa, der Geburtsregion Jesu, sprach man aramäisch. In Jerusalem sprach man hebräisch. Allerdings war das Aramäische die volkstümlichere Sprache. Ein weiteres Argument für einen aramäisch sprechenden Jesus. Andererseits lassen das „Eli“und das „Eloi“erkennen, dass die beiden semitischen Sprachen so eng verwandt waren wie heute Deutsch und Holländisch. Sie sind es noch: Ein wiederbelebtes Hebräisch, das so tot war wie das Lateinische, ist die offizielle Landessprache Israels. Ein paar aramäische Dialekte haben in kleinen nahöstlichen Christengemeinden überlebt, sind aber so bedroht wie die Christen dort selber.
Jedenfalls dürfte es für einen aramäisch sprechenden Jesus kein Kunststück gewesen sein, auch hebräisch zu verstehen und zu sprechen.