Wer will noch eine Badewanne?
Genug Steckdosen im Zimmer sind mittlerweile wichtiger als Wanne oder Minibar. Und: die Lobby wird zur Bühne
Wenn man Olaf Kitzig zuhört, hat man das Gefühl, die Hotelbranche stecke in einem Zwiespalt. „Wir Menschen haben uns nicht verändert“, philosophiert Kitzig, Gründer einer Firma für Innenarchitektur und Design. Schlafen, sich waschen, arbeiten: Das müsse man in einem guten Hotelzimmer stets können – einerseits. Andererseits bewegen sich moderne Reisende in einer Welt, die so mobil, wandelbar und vernetzt ist wie nie zuvor. Und das erwarten sie auch von ihrer Unterkunft.
Die grundlegenden Anforderungen an ein gutes Hotelzimmer sind also gleich geblieben. Erwartet werden ein bequemes Bett, eine komfortable Dusche und genügend Steckdosen. Dennoch hat sich vieles verändert: Die Gäste wollen heute ein Zimmer, das sich in jeder Hinsicht nach ihren Bedürfnissen richtet. „Der Trend heißt absolute Flexibilität“, sagt Kitzig. „Die Zeit des Standardzimmers ist abgelaufen“, konstatiert auch der Hotelverband Deutschland (IHA). Hotelzimmer müssten Persönlichkeit und Charakter besitzen, heißt es. Das erreichen sie zum Beispiel durch die Wahl der Farben: Helle und freundliche Töne sind in. Und durch die Materialien: Viele Hotels setzen dabei auf heimische, regional passende Einrichtung. „Keine Tropenhölzer an der Ostsee“, bringt Innenarchitekt Kitzig es auf den Punkt.
Gegenstände, die lange Standard waren, verschwinden aus Hotelzimmern. Schreibtische etwa. Oder Telefone. Stattdessen gibt es mehr Steckdosen. Wer jederzeit sein Smartphone oder den Laptop zur Hand hat, braucht vor allem ausreichend Lademöglichkeiten und bequeme Sitzmöbel zum Surfen und Arbeiten. Statt eines Fernsehers tut es auch eine Docking-Station auf dem Nachttisch. Damit lassen sich Inhalte vom eigenen mobilen Gerät auf den Bildschirm übertragen.
„Keep it simple“– so nennt Peter Nistelberger die Formel, die man trotz aller Flexibilisierung nicht vergessen sollte. Nistelberger ist Bereichsleiter beim Hotelkompetenzzentrum in Oberschleißheim bei München, einer Informations- und Veranstaltungsplattform für Hoteliers und Gastronomen. Auf dem Zimmer zähle vor allem der Komfort, so der Experte. Es ist ein Rückzugsort.
Ein Teil des Raumes rückt dabei besonders in den Mittelpunkt: „Das Bad muss der Wohlfühlbereich sein“, sagt Nistelberger. Wellnessoase statt Nasszelle oder Sanitärbereich. Hell und angenehm beleuchtet sollte es sein, mit großen Duschköpfen, genügend Ablageflächen und Spiegeln, die nicht anlaufen. Verzichtbar ist dagegen die Badewanne. „Die Leute haben immer weniger Zeit und noch mehr Stress“, erklärt Kitzig. In FünfSterne-Hotels bleibt eine Wanne allerdings weiter Standard – und auch rund um die Messestandorte, wo viele Gäste aus Asien nächtigen. „Die wollen alle baden“, sagt Kitzig.
Das Zentrum des Raumes bleibt weiterhin das Bett – mit immer dickeren Matratzen. Hier liegt, im wahrsten Sinne des Wortes, die Schaltzentrale: Lichtschalter und am besten die gesamte Technik sollten vom Bett aus bedienbar sein. Schwierig wird es bei der Frage, wie nahe sich die beiden Wohlfühlbereiche Bett und Bad kommen sollten. Offene Bäder, die in den Raum integriert sind, finden sich zwar in einigen Hotels. Bei den Gästen sind sie allerdings nicht so gefragt.
Statt einer Glühbirne strahlen in vielen Hotels inzwischen LEDLeuchten von den Decken und Wänden. Das Licht kommt nicht aus einer, sondern aus verschiedensten Quellen, manchmal folgt es einem dank Bewegungssensoren sogar wie ein Schatten. Die Lichttemperatur passt sich dem Tagesrhythmus an. „Belebende Atmosphäre am Morgen sowie entspannende am Abend“, schreibt der Hotelverband IHA in seinem Einrichtungsplaner. Per Tablet oder Bedienungspanel haben Gäste manchmal selbst die Hoheit über das Lichtspiel. Einund ausschalten dagegen funktioniert zum größten Teil nach wie vor über die Zimmerkarte.
Manche Einrichtungsgegenstände sind in den öffentlichen Bereich abgewandert, die Minibar zum Beispiel. Außer im Fünf-Sterne-Bereich verzichteten aber inzwischen viele Hotels darauf. Dafür wird das Angebot an Getränken und Speisen in der Lobby ausgeweitet. Rezeption, Frühstücksbereich und Bar liegen zusammen. Co-Working Spaces, also Arbeitsbereiche, kommen hinzu. Wer genug hat von der kuscheligen Komfortzone seines Zimmers, kann also einfach in die Lobby umziehen.