Der Klub der Kochnovizen
Mit sieben Mitstreitern wagte sich der Autor für unsere Anfänger-Serie an den Herd. Der Ausflug in ein fremdes Universum machte Spaß – auch weil eine Frau so behutsam mit den Männern umgegangen ist
Günzburg Das hatte was von der ersten Fahrstunde: Am Ende ist man beseelt davon, dass es mit dem Autofahren so gut geklappt hat – und es eigentlich gar nicht schwierig ist. Die ganze Wahrheit tritt erst in der vierten oder fünften Stunde zutage, wenn der Fahrlehrer nicht mehr unbemerkt und richtig dosiert die auf der Beifahrerseite eingebauten Pedale bedient. Autofahren und Kochen sind irgendwie ähnlich, finde ich: Man sollte sein Ziel kennen, um den richtigen Weg zu wählen; darauf achten, dass genügend Sprit im Tank ist; und nur so schnell unterwegs sein, wie es erlaubt ist. Übertragen auf die Tätigkeit in der Küche bedeutet das: Was zaubere ich für wie viele Personen auf den Tisch und bis wann soll alles fertig sein?
Am Mittwochabend im „Gesundheitstreff“der AOK in Günzburg waren es neun hungrige Münder – wenn „Fahrlehrerin“Barbara Gerstmayr dazu gerechnet wird. Die Hauswirtschaftsmeisterin aus Gundelfingen hatte dankenswerterweise nicht nur die benötigten Lebensmittel mitgebracht, sondern sie bereits im Küchenstudio der Gesundheitskasse platziert. Mit den Zutaten verfolgte sie selbstverständlich einen Plan – ein VierGänge-Menü mit italienischer Gemüsesuppe (Minestrone), gratiniertem Kräuterfisch (in diesem Fall war’s Kabeljau), Camembert-Lendchen (Schweinefilet mit Pilzen und mit Käse überbacken) an Tagliatelle samt Blattspinat und Pinienkernen. Und dann noch Beeren-Mascarpone. Mmmmmmmmh!
Diesmal aber war es anders. Denn die Gerichte standen nicht wie so oft in meinem Leben von Geisterhand auf dem Tisch. Selbst war der Mann ... unter Gerstmayrs Anleitung und mit ihrer Unterstützung. Wir bewegten uns Schritt für Schritt in Richtung des Koch-Olymps: Zauberlehrlinge mit grüner Schürze.
Am nächsten Tag berichtete ich unserer Sekretärin von den tiefen Geheimnissen, in die wir eingeweiht worden sind. So sei es falsch, Pilze ins Wasser zu legen, um sie zu säubern. Das vorsichtige Abreiben beispielsweise mit einem Küchentuch sei besser. Im Wasser saugten sich die Lamellen so voll, dass bei der späteren Verwendung der Pilze das Essen regelrecht verwässert werde. Ich fand das nahe an einer Sensation. Als ich in die Augen der guten Seele unserer Redaktion blickte, wusste ich: Es war keine Sensation. Stattdessen erkannte ich einen Anflug von Mitleid und beschloss, die weiteren Geheimnisse dieses Abends für mich zu behalten.
Eines machte mich froh: Dass ich am Kochabend ein Teil der Gruppe im Alter zwischen 25 und 78 Jahren war; Drei Generationen Gleichgesinnte, die allesamt nicht bei Paul Bocuse oder Eckart Witzigmann in die Lehre gegangen waren. Die AOK hatte den Abend als Geburtstagsgeschenk an die Günzburger Zeitung ermöglicht. Sieben Leser waren mit an den Töpfen und Pfannen, schnippelten Gemüse, zerkleinerten Zwiebel und Knoblauchzehen, schauten ins Bratrohr und sich manchmal fragend an.
Und irgendwann musste ich meine Zurückhaltung aufgeben und konnte mich nicht mehr hinter Schreibblock und Stift verstecken. Der GZ-Fotograf hatte seinen Feierabend extra hinausgeschoben und drängte nun: „Ran an das Fleisch“, sagte er halbleise und mit aufmunterndem Unterton, der allerdings näher an einer Forderung als einer Bitte war. Widerstand? Zwecklos.
Deshalb nahm ich ein scharfes Messer und entfernte – wie es Barbara Gerstmayr vorgemacht hatte – die Schweinefilets von der „Silberhaut“– eine Art Sehne, auf der man nach dem Kochen übel herumkauen würde. Deswegen musste das weiße Zeugs weg. Klinge nach oben, entlang fahren und vom Fleisch abtrennen. Was soll ich sagen? Mindestens 97,3 Prozent des Fleisches waren nach dessen Behandlung noch dran. Alle zehn meiner Finger auch.
Die schneidende Tätigkeit erfüllte mich in dem Wissen, zum großen Ganzen beigetragen zu haben. Fleisch, Pilze und Camembert waren richtig portioniert und in zwei feuerfeste Glasschalen verteilt. Die Bechamelsoße, die vor dem Weg der Schalen in den Backofen noch über das Käse-Fleischgericht ausgegossen wurde, machte Ernährungsexpertin Gerstmayr dann doch selbst. Wir schauten aufmerksam zu.
Am Ende des Abends – es war längst dunkel – freuten wir uns über das Ergebnis. Aus Köchen wurden Genießer von frisch zubereiteten Gerichten (und ein wenig Grauburgunder, der als Zutat der Bechamelsoße vergessen wurde) – das alles ohne viel Schnickschnack und doch raffiniert. Vielleicht werde ich mich nun öfter in der Küche aufhalten – und das nicht nur, um Weißwürste zum Platzen zu bringen.
OMitstreiter Dank an folgende Mit streiter im Kochstudio: Franz Schmid (Burgau), Christian Meissle (Wattenwei ler), Andreas Joas (Günzburg), Norbert Rauscher (Senden), Bernd Zähnle (Win terbach), Norbert Jeromin (Günzburg) und Helmut Kircher (Leipheim).