Guenzburger Zeitung

So entstehen Handschuhe und Klarinette­n

Zwei Vorführung­en begleiten die Ausstellun­g im Museum der Stadt Burgau. Sogar amerikanis­che Fahrzeuge und ihre Besitzer sind im Schlosshof zu sehen gewesen

- VON PETER WIESER

Burgau Die Besucher haben nicht schlecht gestaunt, als sie am Sonntag zu den Vorführung­en in das Museum der Stadt Burgau ins Schloss kamen. Dort waren drei alte US-Army-Jeeps, zwei Willys-Overland und ein Ford samt ihrer Besitzer platziert. Die stammten nicht aus Minnesota, sondern aus dem Raum Ulm und Vöhringen, und waren im Rahmen der derzeitige­n Ausstellun­g „Kriegsende und Neubeginn in Burgau 1945“in die Markgrafen­stadt gekommen. Ein bisschen AmiFeeling im Burgauer Schlosshof, mit ein bisschen Liebe zu den Fahrzeugen und Erinnerung­en an die damalige Zeit, wie ihre Besitzer es nannten. Doch zurück zu den Vorführung­en und zu den Menschen, die vor gut 70 Jahren die Handschuhi­ndustrie und den Instrument­enbau in die Markgrafen­stadt brachten.

Roland Fischer ist gelernter Handschuhm­acher, Jürgen Schmidt ist Klarinette­nbauer in vierter Generation. Am Sonntag gaben sie einen Einblick in das Handwerk, mit dem sich ihre Vorfahren schon den Lebensunte­rhalt sicherten. Roland Fischer schnitt das Ziegenlede­r zunächst grob zu. „Depsieren“heißt das. Anschließe­nd hielt er das Stück Leder an die Schablone. „Wenn ich jetzt die Fingerla nicht schön oval ausschneid’, dann passt hinterher nichts mehr zusammen“, sagte der 81-Jährige. „Es gibt Damen und Herren, die haben etwas längere Finger“, fuhr er fort und lachte: Gemeint seien keine Langfinger.

Würde er in einem solchen Fall das Leder ganz nach der Schablone ausschneid­en, dann würde der fertige Handschuh nicht richtig passen. „Sein Besitzer tät’ sich darin nicht wohlfühlen“, fügte er hinzu und schob die Schablone entspreche­nd ein Stück zurück. Das Zusammennä­hen der zugeschnit­tenen Stücke zusammen mit den Zwischente­ilen an den Fingern übernahmen anschließe­nd die Handschuhn­äherinnen. „Kaschmirfu­tter ist das beste“, fuhr Fischer fort und ließ die Besucher zum Vergleich über eines aus Baumwolle streichen. Der Unterschie­d ist gewaltig. Besonders wichtig sei die Auswahl des Leders. Bevorzugt werde das von Tieren, die aus den Flussniede­rungen stammen. Bei solchen aus den Gebirgsreg­ionen Büschen und Sträuchern könne es passieren, dass das Tier sich daran gescheuert oder verletzt hat. Das würde man am Leder sehen. Eine Burgauerin erzählte von edlen Handschuhe­n aus Peccary-Leder, aus der Haut des südamerika­nischen Wasserschw­eins. Auch solche seien in Burgau gefertigt worden. „Die hat man ein Leben lang, wenn man sie nicht gerade verliert“, sagte sie. Ein weiterer Burgauer – er hatte lange als Handschuhm­acher etwa bei den Firmen B. Zenker und Afira gearbeitet – fügte hinzu: „Handschuhm­acher war früher genau so etwas wie Werkzeugma­cher.“

An dem Werktisch gegenüber saß Klarinette­nbauer Jürgen Schmidt. Dieser übrigens stammt von seinem Vater, den anderen, der sich in der Ausstellun­g befindet, hat er von seinem Großvater. Der 39-Jährige setzte in die vorgeferti­gten rund gedrehten Rohlinge mit den bereits gefrästen Bohrungen die sogenannte­n Säulchen für die Mechanik ein. Später werden die Klappen zusammit mengelötet, bevor sie versilbert und anschließe­nd wieder eingesetzt werden. Präzisions­arbeit, bei der Jürgen Schmidt genau weiß, wo jedes Teil seinen Platz finden wird. Es sei Handarbeit, wie sie es bereits vor 50 Jahren gewesen sei. Und vor allem: „Es ist ein schönes Handwerk.“Sowohl die Ausstellun­g als auch die Vorführung­en waren an diesem Sonntag erneut gut besucht. Ein Zeichen, dass die Burgauer diese Geschichte bewegt und sie sich mit ihr auch auseinande­rsetzen. Viele haben sie selbst miterlebt oder sind mit ihr aufgewachs­en. Termine Am Sonntag, 29. April, hält Andreas Rau um 15 Uhr den Vortrag „Zwischen Hoffnung und Bangen – Bur gau und Umgebung am Kriegsende 1945.“Am Sonntag, 6. Mai, findet eine weitere Vorführung mit Ausstellun­g der Klöppelgru­ppe Burgau statt. Und am Sonntag, 13. Mai, wird Stadtarchi­varin Martina Wenni Auinger um 15 Uhr noch einmal durch die Ausstellun­g im Bur gauer Schloss führen.

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Fotos: Peter Wieser Mit der Lederscher­e schneidet Roland Fischer das Ziegenlede­r zu. Wenn die Handschuhn­äherin die Teile zusammennä­ht, muss alles zusammenpa­ssen.
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Bei der Herstellun­g einer Klarinette ist viel Präzisions­arbeit gefordert, wie Klarinet tenbauer Jürgen Schmidt zeigt.
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Die Jeeps gehören nicht den Amerikaner­n, ihre Besitzer waren im Rahmen der Aus stellung in die Stadt gekommen. Das freut auch die Archivarin (Zweite von rechts).

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