Guenzburger Zeitung

Aus für Krumbacher Kultkneipe

Im Wiedemanns Keller wurde die letzte Party gefeiert. Pächterin Conny Wagner wandert aus, was aber wird aus dem Luvo? Eine Briefaktio­n soll die Eigentümer von einem Abriss abhalten. Der wäre offenbar nur eine Notlösung

- VON ANDREAS LANGER

Krumbach Wie bekommt man einen Hund und zwei Katzen am einfachste­n von Mittelschw­aben auf die Azoren? Mit dieser durchaus kniffligen Frage und ähnlichen logistisch­en Problemen schlägt sich derzeit Conny Wagner herum. Zumindest, wenn sie nicht gerade Kisten packt, Behördengä­nge erledigt oder im Wiedemanns Keller aufräumt. Die Krumbacher Kultkneipe hat vor anderthalb Wochen ihre Pforten geschlosse­n. Vielleicht nur vorläufig, vielleicht aber auch für immer. Und ihre langjährig­e Pächterin wandert nach Portugal aus.

„Megageil“war die letzte Party am 14. April, erzählt Conny Wagner. Viele Stammgäste seien aber sehr traurig gewesen und „bei einigen sind Tränen geflossen“, so die Wirtin, der es für die Kneipengän­ger, aber auch für die Kegelbrüde­r, die regelmäßig in ihr Lokal kamen, ausgesproc­hen leidtut. Fünfeinhal­b Jahre hat sie das Krumbacher Kultlokal, das viele auch unter dem Namen Luvo kennen, geführt. Im Dezember fasste sie den Entschluss, den Pachtvertr­ag zu kündigen.

Intensiv suchte sie nach einem Nachfolger, fand aber niemanden, der das Luvo von ihr übernehmen und fortführen wollte. Auch aus gesundheit­lichen Gründen habe sie einen Schlussstr­ich gezogen, sagt Conny Wagner, die unter einer beginnende­n Arthrose leidet.

64 Jahre ist sie mittlerwei­le alt, da darf man auch als Kneipenwir­tin durchaus an die Rente denken. Conny Wagner hat es getan, ein Häuschen auf den Azoren gefunden und gekauft. Nun ist sie auf dem Sprung in den Süden. Ihre Wohnung in Krumbach hat sie bereits verkauft, voraussich­tlich Anfang Mai will sie die Kammelstad­t verlassen.

Die Azoren, auf denen sich viele Aussteiger niederlass­en, sagen ihr nicht nur landschaft­lich und vom Klima her zu. Im Gegensatz zu Deutschlan­d „kann ich mir dort das Rentnerdas­ein auch leisten“, sagt Conny Wagner. Gelegentli­ch will sie dort einer guten Bekannten helfen, die ein Restaurant betreibt, und ansonsten die Dinge ruhiger angehen lassen. Sich um ihre beiden Katzen kümmern. Mit Hund Puck spazieren gehen. Wandern. 21 Jahre war die Bar Klaus in der Krumbacher Heinrich-Sinz-Straße ihr berufliche­s Zuhause. Dann übernahm sie den Wiedemanns Keller, der auch unter ihrer Leitung weiterhin ein alternativ­eres Publikum anzog als andere Kneipen in der Stadt: Alt 68er, eher links und grün Orientiert­e, Hippies, Musikschül­er, Künstler und Kegelbrüde­r, die hier die einzig verblieben­e Bahn in der Kernstadt vorfanden. Meist lief Musik der 60er- und 70erJahre, der Umgang war locker und lässig. Man kannte sich, die meisten Gäste und die Wirtin waren per Du. „Jeder konnte zu jedem hinsitzen“, so Conny Wagner, „und viele haben auch einmal an der Theke ausgeholfe­n.“

Auch für Subkult, die Untergrupp­e des Krumbacher Kultverein­s, war das Luvo ausgesproc­hen wichtig. Hier fanden sich die Mitglieder zusammen, hier richteten sie Stubenmusi­k-Konzerte aus und hier nahm auch die vom Landkreis mit dem Integratio­nspreis ausgezeich­nete Reihe „Meet & Eat“ihren Anfang.

„Wir werden das Luvo sehr vermissen“, sagt Marc Hettich und spricht damit auch für seine Mitstreite­r von Subkult. „Mit dem Wiedemanns Keller geht Krumbach eine wunderbare Kneipe mit ureigenem Charme verloren.“Die Zusammenar­beit mit Conny Wagner sei immer außergewöh­nlich unkomplizi­ert gewesen. „Das hat ein Projekt wie ‚Meet & Eat‘ überhaupt erst möglich gemacht“, so Hettich.

Für viele Krumbacher aus unterschie­dlichsten Altersklas­sen und Milieus sei das Luvo eine Art externes Wohnzimmer gewesen, meint nicht nur Marc Hettich, sondern auch Conny Wagner. Und das, obwohl der Zahn der Zeit durchaus genagt hat an der traditions­reichen Lokalität in der Mindelheim­er Straße. In den Wintermona­ten deckte die Pächterin die zugigen Fenster stets mit dicken Styroporpl­atten ab, die sie auch auf den Fehlböden oberhalb der Kegelbahn auslegte, um die Kälte bestmöglic­h draußen zu halten. Im Treppengel­änder fühlt sich der Holzwurm heimisch und die Wohnung im Obergescho­ss ist schon lange nicht mehr als solche genutzt worden. Stattdesse­n lagert hier unter anderem der Krumbacher Künstler Lutz-Volker Spies Materialie­n für seine Aktionen. Ende der 70er-Jahre hatte er den Wiedemanns Keller gepachtet und wiedereröf­fnet. Von seinem Vornamen leitet sich auch der inoffiziel­le, aber nach wie vor gebräuchli­che Name der Kneipe ab: Luvo.

Nun muss Lutz-Volker Spies sein Lager räumen, genauso, wie Conny Wagner im Erdgeschos­s klar Schiff macht. Aber wie geht es dann mit der Immobilie weiter? Wird sie als Gaststätte weiterbetr­ieben und eventuell saniert? Oder rückt stattdesse­n der Abrissbagg­er an?

Eva Herold-Fißl und Claudia Seitz aus Krumbach hoffen auf Ersteres. Sie haben gemeinsam eine Briefaktio­n initiiert und Gäste, denen das Luvo am Herzen liegt, dazu animiert, den Eigentümer­n des Hauses zu schreiben, wieso diese Lokalität so wichtig ist für die Stadt.

Eva Herold-Fißl vermutet, dass die Eigentümer­familie Schiederma­ir, die in Pfarrkirch­en in Niederbaye­rn wohnt, keine genauen Vorstellun­gen davon hat, „wie viel Kultur, Leben, Miteinande­r und internatio­nale Begegnunge­n im Luvo stattfinde­n“. Über 20 Briefe hat die Fachobersc­hullehreri­n, die unter dem früheren Pächter Jaro auch selbst schon in der Gaststätte bedient hat, gesammelt und gebündelt weitergele­itet.

Dieter Schiederma­ir bestätigt am Telefon den Erhalt der Briefe und erzählt, dass seine Familie gerade dabei sei, sie zu lesen. Mittlerwei­le hätten auch einige Leute bei ihnen angerufen und die Bitte geäußert, dass es mit der Kneipe in irgendeine­r Form weitergeht. Von der Kündigung Conny Wagners seien sie überrascht worden. „Das bringt uns in die Bredouille“, sagt Schiederma­ir. Sie hätten damit gerechnet, dass die Pächterin noch drei Jahre weitermach­t.

Die Familie Schiederma­ir hat eine Brauerei betrieben und besitzt mehrere gastronomi­sch genutzte Immobilien. Der Wiedemanns Keller in Krumbach aber ist rund 250 Kilometer von Pfarrkirch­en entfernt, was die Suche nach einem neuen Pächter natürlich nicht einfacher macht. An einem solchen aber seien sie durchaus interessie­rt, stellt Schiederma­ir klar. Seine Familie würde eindeutig zu einer weiteren Nutzung des Luvo als Kneipe tendieren. „Wenn wir einen ordentlich­en Pächter finden, spricht da nichts dagegen“, so Schiederma­ir. Für ihn und seine Frau würde ein Abriss des Hauses und ein Verkauf des über 2000 Quadratmet­er großen Grundstück­s nur eine Notlösung darstellen, betont er am Telefon.

Der Umgang war locker und lässig

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Foto: Andreas Langer Hier parkt derzeit nur noch Conny Wagner, um Kisten in den Kofferraum zu packen: Der Wiedemanns Keller in der Mindelheim­er Straße ist seit anderthalb Wochen geschlosse­n.
 ?? Foto: Manfred Marquard ?? Mehr als 25 Jahre war sie Kneipenwir­tin in Krumbach, jetzt wandert Conny Wagner aus.
Foto: Manfred Marquard Mehr als 25 Jahre war sie Kneipenwir­tin in Krumbach, jetzt wandert Conny Wagner aus.

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