Aus für Krumbacher Kultkneipe
Im Wiedemanns Keller wurde die letzte Party gefeiert. Pächterin Conny Wagner wandert aus, was aber wird aus dem Luvo? Eine Briefaktion soll die Eigentümer von einem Abriss abhalten. Der wäre offenbar nur eine Notlösung
Krumbach Wie bekommt man einen Hund und zwei Katzen am einfachsten von Mittelschwaben auf die Azoren? Mit dieser durchaus kniffligen Frage und ähnlichen logistischen Problemen schlägt sich derzeit Conny Wagner herum. Zumindest, wenn sie nicht gerade Kisten packt, Behördengänge erledigt oder im Wiedemanns Keller aufräumt. Die Krumbacher Kultkneipe hat vor anderthalb Wochen ihre Pforten geschlossen. Vielleicht nur vorläufig, vielleicht aber auch für immer. Und ihre langjährige Pächterin wandert nach Portugal aus.
„Megageil“war die letzte Party am 14. April, erzählt Conny Wagner. Viele Stammgäste seien aber sehr traurig gewesen und „bei einigen sind Tränen geflossen“, so die Wirtin, der es für die Kneipengänger, aber auch für die Kegelbrüder, die regelmäßig in ihr Lokal kamen, ausgesprochen leidtut. Fünfeinhalb Jahre hat sie das Krumbacher Kultlokal, das viele auch unter dem Namen Luvo kennen, geführt. Im Dezember fasste sie den Entschluss, den Pachtvertrag zu kündigen.
Intensiv suchte sie nach einem Nachfolger, fand aber niemanden, der das Luvo von ihr übernehmen und fortführen wollte. Auch aus gesundheitlichen Gründen habe sie einen Schlussstrich gezogen, sagt Conny Wagner, die unter einer beginnenden Arthrose leidet.
64 Jahre ist sie mittlerweile alt, da darf man auch als Kneipenwirtin durchaus an die Rente denken. Conny Wagner hat es getan, ein Häuschen auf den Azoren gefunden und gekauft. Nun ist sie auf dem Sprung in den Süden. Ihre Wohnung in Krumbach hat sie bereits verkauft, voraussichtlich Anfang Mai will sie die Kammelstadt verlassen.
Die Azoren, auf denen sich viele Aussteiger niederlassen, sagen ihr nicht nur landschaftlich und vom Klima her zu. Im Gegensatz zu Deutschland „kann ich mir dort das Rentnerdasein auch leisten“, sagt Conny Wagner. Gelegentlich will sie dort einer guten Bekannten helfen, die ein Restaurant betreibt, und ansonsten die Dinge ruhiger angehen lassen. Sich um ihre beiden Katzen kümmern. Mit Hund Puck spazieren gehen. Wandern. 21 Jahre war die Bar Klaus in der Krumbacher Heinrich-Sinz-Straße ihr berufliches Zuhause. Dann übernahm sie den Wiedemanns Keller, der auch unter ihrer Leitung weiterhin ein alternativeres Publikum anzog als andere Kneipen in der Stadt: Alt 68er, eher links und grün Orientierte, Hippies, Musikschüler, Künstler und Kegelbrüder, die hier die einzig verbliebene Bahn in der Kernstadt vorfanden. Meist lief Musik der 60er- und 70erJahre, der Umgang war locker und lässig. Man kannte sich, die meisten Gäste und die Wirtin waren per Du. „Jeder konnte zu jedem hinsitzen“, so Conny Wagner, „und viele haben auch einmal an der Theke ausgeholfen.“
Auch für Subkult, die Untergruppe des Krumbacher Kultvereins, war das Luvo ausgesprochen wichtig. Hier fanden sich die Mitglieder zusammen, hier richteten sie Stubenmusik-Konzerte aus und hier nahm auch die vom Landkreis mit dem Integrationspreis ausgezeichnete Reihe „Meet & Eat“ihren Anfang.
„Wir werden das Luvo sehr vermissen“, sagt Marc Hettich und spricht damit auch für seine Mitstreiter von Subkult. „Mit dem Wiedemanns Keller geht Krumbach eine wunderbare Kneipe mit ureigenem Charme verloren.“Die Zusammenarbeit mit Conny Wagner sei immer außergewöhnlich unkompliziert gewesen. „Das hat ein Projekt wie ‚Meet & Eat‘ überhaupt erst möglich gemacht“, so Hettich.
Für viele Krumbacher aus unterschiedlichsten Altersklassen und Milieus sei das Luvo eine Art externes Wohnzimmer gewesen, meint nicht nur Marc Hettich, sondern auch Conny Wagner. Und das, obwohl der Zahn der Zeit durchaus genagt hat an der traditionsreichen Lokalität in der Mindelheimer Straße. In den Wintermonaten deckte die Pächterin die zugigen Fenster stets mit dicken Styroporplatten ab, die sie auch auf den Fehlböden oberhalb der Kegelbahn auslegte, um die Kälte bestmöglich draußen zu halten. Im Treppengeländer fühlt sich der Holzwurm heimisch und die Wohnung im Obergeschoss ist schon lange nicht mehr als solche genutzt worden. Stattdessen lagert hier unter anderem der Krumbacher Künstler Lutz-Volker Spies Materialien für seine Aktionen. Ende der 70er-Jahre hatte er den Wiedemanns Keller gepachtet und wiedereröffnet. Von seinem Vornamen leitet sich auch der inoffizielle, aber nach wie vor gebräuchliche Name der Kneipe ab: Luvo.
Nun muss Lutz-Volker Spies sein Lager räumen, genauso, wie Conny Wagner im Erdgeschoss klar Schiff macht. Aber wie geht es dann mit der Immobilie weiter? Wird sie als Gaststätte weiterbetrieben und eventuell saniert? Oder rückt stattdessen der Abrissbagger an?
Eva Herold-Fißl und Claudia Seitz aus Krumbach hoffen auf Ersteres. Sie haben gemeinsam eine Briefaktion initiiert und Gäste, denen das Luvo am Herzen liegt, dazu animiert, den Eigentümern des Hauses zu schreiben, wieso diese Lokalität so wichtig ist für die Stadt.
Eva Herold-Fißl vermutet, dass die Eigentümerfamilie Schiedermair, die in Pfarrkirchen in Niederbayern wohnt, keine genauen Vorstellungen davon hat, „wie viel Kultur, Leben, Miteinander und internationale Begegnungen im Luvo stattfinden“. Über 20 Briefe hat die Fachoberschullehrerin, die unter dem früheren Pächter Jaro auch selbst schon in der Gaststätte bedient hat, gesammelt und gebündelt weitergeleitet.
Dieter Schiedermair bestätigt am Telefon den Erhalt der Briefe und erzählt, dass seine Familie gerade dabei sei, sie zu lesen. Mittlerweile hätten auch einige Leute bei ihnen angerufen und die Bitte geäußert, dass es mit der Kneipe in irgendeiner Form weitergeht. Von der Kündigung Conny Wagners seien sie überrascht worden. „Das bringt uns in die Bredouille“, sagt Schiedermair. Sie hätten damit gerechnet, dass die Pächterin noch drei Jahre weitermacht.
Die Familie Schiedermair hat eine Brauerei betrieben und besitzt mehrere gastronomisch genutzte Immobilien. Der Wiedemanns Keller in Krumbach aber ist rund 250 Kilometer von Pfarrkirchen entfernt, was die Suche nach einem neuen Pächter natürlich nicht einfacher macht. An einem solchen aber seien sie durchaus interessiert, stellt Schiedermair klar. Seine Familie würde eindeutig zu einer weiteren Nutzung des Luvo als Kneipe tendieren. „Wenn wir einen ordentlichen Pächter finden, spricht da nichts dagegen“, so Schiedermair. Für ihn und seine Frau würde ein Abriss des Hauses und ein Verkauf des über 2000 Quadratmeter großen Grundstücks nur eine Notlösung darstellen, betont er am Telefon.
Der Umgang war locker und lässig