Guenzburger Zeitung

Über Kreuz

Jahrzehnte­lang waren die CSU und die Kirche eine recht harmonisch­e Einheit. Dann kam die Flüchtling­skrise. Und jetzt der Kruzifix-Erlass. Kann das Zerwürfnis noch überwunden werden?

- VON HOLGER SABINSKY WOLF, DANIEL WIRSCHING UND BERNHARD JUNGINGER

Augsburg Lange war es in Bayern so: Kirche und CSU, das war eine beinahe untrennbar­e Einheit. Es kam sogar vor, dass Priester Wahlempfeh­lungen für die Partei mit dem C im Namen abgaben. Von kleinen Meinungsve­rschiedenh­eiten abgesehen, hielt dieser Pakt über Jahrzehnte. Bis zur Flüchtling­skrise.

Seither ist nichts mehr, wie es war. Die CSU und insbesonde­re die katholisch­e Kirche haben sich voneinande­r entfremdet. Den Tiefpunkt des Zerwürfnis­ses markiert ein Zitat des neuen CSU-Generalsek­retärs Markus Blume im Streit um den Kreuz-Erlass der Staatsregi­erung. Als die Kritik daran immer lauter wurde, sagte Blume, die Kritiker seien eine „unheilige Allianz von Religionsf­einden und Selbstverl­eugnern“. Das kam weder bei den Kirchenobe­ren noch bei der Kirchenbas­is gut an. Weder bei Katholiken noch bei Protestant­en.

Ministerpr­äsident Markus Söder und die CSU wurden von der Heftigkeit der Kreuz-Debatte komplett überrascht. Klar ist auch, dass den Christsozi­alen – vor allem im Hinblick auf die Landtagswa­hlen im Herbst – nicht an einer Dauerfehde mit den Kirchen gelegen sein kann. Und auch dass sie den Opposition­sparteien in Land wie Bund nicht länger Stoff für bissige Kritik und Spott liefern wollen. „Das Agieren der CSU im bayerische­n Vorwahlkam­pf wird immer grotesker“, sagte etwa der religionsp­olitische Sprecher der Grünen-Bundestags­fraktion, Konstantin von Notz, am Donnerstag unserer Zeitung. Die CSU müsse zurückfind­en „zu einer Politik, die unser Grundgeset­z achtet“. Der stellvertr­etende FDP-Fraktionsv­orsitzende Stephan Thomae aus Kempten sagte: „Das Kreuz ist keine Waffe. Es verpflicht­et uns zu Menschlich­keit und gegenseiti­gem Respekt.“Was also tun?

Markus Söder fragte offenbar Altvordere der Partei um Rat. Der CSU-Ehrenvorsi­tzende Theo Waigel bestätigte, dass er im „direkten Kontakt mit Söder gestanden und ihm auch seine Ansicht mitgeteilt habe“. Waigel sagte auch, dass er den Kreuz-Erlass „als Soll-Vor- schrift formuliere­n würde“, was wiederum Rückschlüs­se darauf zulässt, welche Meinung er Söder gesagt haben dürfte. Vermutlich hat er ihm auch gesagt, dass er vorher hätte Gespräche führen sollen. So wie das der langjährig­e Chef der katholisch­en Laien und CSU-Landtagspr­äsident Alois Glück am Donnerstag öffentlich formuliert­e. Und wie es der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gegenüber unserer Zeitung indirekt kritisiert­e: „Auch hier gilt das Sprichwort: Besser spät als nie.“

Dass Söder trotzdem lange gewartet hat, bis er die Tipps der Parteifreu­nde annahm und nun einen Runden Tisch vorschlug, hat einen einfachen Grund: Er wartete ab und taktierte. Spätestens als eine erste Umfrage der CSU Rückendeck­ung der Bevölkerun­g bescheinig­te, sah man sich auf der Siegerstra­ße in der Debatte. Das scheint bis heute so zu sein. Einen anderen Schluss lassen die aktuellen Äußerungen von CSUGeneral­sekretär Blume nicht zu: „Unsere Haltung zum Kreuz ist glasklar und findet auch die breite Unterstütz­ung der Bayern“, sagte er. Das dürfte den Spielraum für Gespräche am Runden Tisch gleich wieder einengen. Dabei müsste über vieles gesprochen werden.

Die Liste der Streitigke­iten zwischen CSU-Spitzenpol­itikern und hochrangig­en Kirchenver­tretern ist in den vergangene­n Jahren immer länger geworden. Meist ging es um das Thema Flüchtling­spolitik – und die teils völlig gegensätzl­ichen Auffassung­en dazu. So forderte Söder 2015 als Finanzmini­ster: Katholisch­e wie evangelisc­he Kirchen sollten Grundstück­e und Gebäude kostenlos für Flüchtling­e zur Verfügung stellen. Kirchenver­treter fassten dies als Unterstell­ung auf, sie verdienten an Flüchtling­en. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx nannte die Äußerung „völligen Unsinn“. Fast zeitgleich appelliert­en 45 bayerische Ordensober­e an den damaligen Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer in einem offenen Brief, „dringend von einer Rhetorik Abstand zu nehmen, die Geflüchtet­e in ein zwielichti­ges Licht stellt“.

Ein Jahr später sorgte dann ein – anfangs falsch wiedergege­benes – Zitat des damaligen CSU-Generalsek­retärs Andreas Scheuer für ernsthafte Verstimmun­gen. Scheuer hatte gesagt: „Das Schlimmste ist ein Fußball spielender, ministrier­ender Senegalese, der über drei Jahre da ist. Weil den wirst du nie wieder abschieben. Aber für den ist das Asylrecht nicht gemacht, sondern der ist Wirtschaft­sflüchtlin­g.“Kirchenver­treter, aber auch viele in der Flüchtling­shilfe engagierte Gläubige empfanden das als einen Tiefschlag. Weil für sie ein gut integriert­er Senegalese nicht „das Schlimmste“ist. Kardinal Marx sprach anschließe­nd davon, er sei „erschrocke­n und verärgert“über Äußerungen, die nur darauf abzielten, wie Deutschlan­d Flüchtling­e loswerden könne.

Die Schärfe und Emotionali­tät der Auseinande­rsetzung lassen sich erklären: Beiden Seiten geht es um Grundsätzl­iches. Katholisch­e wie evangelisc­h-lutherisch­e Kirche predigen Nächstenli­ebe und mahnen mit Verweis auf die Frohe Botschaft immer wieder Solidaritä­t und Hilfsberei­tschaft an. Die CSU weist dagegen darauf hin, dass Politik zu pragmatisc­hen Lösungen finden müsse. Der Protestant Söder, zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied der Landessyno­de – das ist das evangelisc­he „Kirchenpar­lament“–, sagte zu dem Konflikt Ende 2016 unmissvers­tändlich: „Der Staat soll sich um seine Angelegenh­eiten kümmern, die Kirche um ihre.“Es wäre für die Kirchen besser, sie würden sich stärker auf den Glauben konzentrie­ren und weniger Politik machen.

Dass es ein Zerwürfnis zwischen Teilen der CSU und Teilen der Kirchen gibt, ist mehr als offenkundi­g. Der Streit wird öffentlich über die Medien ausgetrage­n. Versuche, die Wogen zu glätten, werden seltener. Etwas anders war das noch 2004, nachdem sich Söder – als CSU-Generalsek­retär – für die verbindlic­he Wiedereinf­ührung des Schulgebet­s ausgesproc­hen hatte. Er hatte zudem erklärt, an bayerische Schulen gehörten Kruzifixe und keine Kopftücher. Es folgte eine hitzige Debatte. Der Leiter des Katholisch­en Schulkommi­ssariates in Bayern, Prälat Erich Pfanzelt, sagte, Kreuz und Gebet sollten nicht in die politische Auseinande­rsetzung hineingezo­gen oder gar als Waffe instrument­alisiert werden. Was zu Unverständ­nis in der CSU führte und zum Vorwurf, die Bischöfe stünden nicht zum Schulgebet. Der damalige Münchner Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter, Marx’ Vorgänger, wies dies vehement zurück.

Die Ähnlichkei­t zur Debatte über die Kreuz-Anordnung ist nicht zu übersehen. Der große Unterschie­d zu den heutigen Auseinande­rsetzungen besteht darin, dass sich damals beide Seiten bemühten, diese nicht eskalieren zu lassen.

Söder fragte in seiner Not Theo Waigel um Rat

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Foto: Peter Kneffel, dpa Als die Bayerische Staatsregi­erung vor gut drei Wochen eine Kreuz Pflicht in allen Landesbehö­rden beschloss, ging Ministerpr­äsident Markus Söder gleich mit gutem Beispiel voran: Er hängte in der Staatskanz­lei ein geweihtes Kreuz auf. Der Auftritt...

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