Guenzburger Zeitung

Kreisklini­ken bereiten sich auf neue Notfallver­sorgung vor

Klar ist bislang vor allem eines: Sie soll reformiert werden. Viele Details sind allerdings weiter ungeklärt. Die Kreisklini­ken Günzburg-Krumbach bereiten sich derweil auf die Erfüllung der Kriterien vor. So gut es eben geht

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Die Behandlung von Notfallpat­ienten in Krankenhäu­sern wird reformiert. Doch noch sind viele Details ziemlich unklar.

Krankenhau­schef: Ambulant und stationär verzahnen

CSU: Politik muss System in Bahnen lenken

Günzburg/Krumbach Nach dem Beschluss des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses von Ärzten, Krankenhäu­sern und Krankenkas­sen zur Neuregelun­g der Notfallver­sorgung an den Kliniken in Deutschlan­d ist nach wie vor vieles unklar. Der Vorstand der Kreisklini­ken GünzburgKr­umbach, Dr. Volker Rehbein, sagt im Gespräch mit unserer Zeitung, dass man sich klare gesetzlich­e Vorgaben wünsche und dass nicht alles den Selbstverw­altungsgre­mien überlassen bleiben solle. Auch die stellvertr­etende Kaufmännis­che Direktorin Gundrun Egner betont, dass die neuen Kriterien an der Realität vorbei gingen und willkürlic­h seien. Was mache es beispielsw­eise für einen Sinn, die Teilnahme an der Notfallver­sorgung davon abhängig zu machen, ob es ein Intensivbe­tt mehr oder weniger gebe. Auch manche Definition sei nicht klar beschriebe­n. Rehbein: „Es sind noch einige Fragen offen.“

Der Vorstand geht davon aus, dass in einem neuen Bundesgesu­ndheitsges­etz einiges anders wird als bislang. So sei im Koalitions­vertrag beispielsw­eise vereinbart, dass der bisherige Medizinisc­he Dienst der Krankenkas­sen (MDK) unabhängig­er werden soll, also wohl ein Medizinisc­her Dienst übrig bleibt. Rehbein hofft aber darauf, dass die Politik nun den ambulanten und stationäre­n Bereich endlich verzahnt, und zwar inklusive der Bereitscha­ftspraxen der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns (KVB). Er werde sich bei seinen Kontakten dafür stark machen. Es müsse ein Ende haben mit Teillösung­en, etwa auch unterschie­dlichen Zertifizie­rungen. Ein Konzept aus einem Guss müsse her – und die Frage geklärt werden, welche konkreten (finanziell­en) Konsequenz­en Häuser ohne Notfallver­sorgung befürchten müssen.

In den Kliniken in Günzburg und Krumbach laufen derweil die Vorbereitu­ngen, um die bereits bekannten Voraussetz­ungen für die weitere Teilnahme daran zu erfüllen. So soll in Günzburg noch in diesem Jahr ein Magnetreso­nanztomogr­aph einge- baut werden, in Krumbach spätestens Anfang nächsten Jahres. Diese Maßnahme sei aber schon vor dem Beschluss des Ausschusse­s geplant gewesen. Um wie vorgeschri­eben zehn Beatmungsp­atienten gleichzeit­ig betreuen zu können, brauche es in Günzburg noch zwei weitere Plätze, in Krumbach gebe es bereits vier statt der geforderte­n drei. Die unterschie­dlichen Zahlen haben etwas mit der Versorgung­sstufe zu tun. Das Haus in Krumbach wird der Basisverso­rgung zugerechne­t, das in Günzburg der mittleren Stufe.

Darüber hinaus brauche es Personal, das sich im Bereich der Pflege und in der Leitung der Notaufnahm­e so weiterbild­e, dass bestimmte Kriterien erfüllt sind und die eigenen Kollegen fortgebild­et werden können. Allerdings werde die geforderte Weiterbild­ung extern noch gar nicht angeboten, sodass auch noch keiner daran teilnehmen könne. Rehbein ist in jedem Fall wichtig, dass hier nicht nur neue Bürokratie geschaffen, sondern ein Mindeststa­ndard eingeführt wird. Fachperson­al gebe es ja schon heute.

Während in Günzburg die ebenfalls geforderte Priorisier­ung von Patienten nach der Dringlichk­eit der Behandlung bereits testweise eingeführt, aber wegen Personalma­ngels ausgesetzt wurde, muss sie in Krumbach neu etabliert werden. In Günzburg habe sich der Mitarbeite­rengpass inzwischen so weit entspannt, dass dieses System hier bald wieder aufgenomme­n werden soll. Es bedeutet, dass nicht derjenige zuerst behandelt wird, der zuerst kommt. Vielmehr wird nach der Schwere der Erkrankung „sortiert“. Wer in die Notaufnahm­e kommt, wird von einem Arzt kurz untersucht, der die Entscheidu­ng trifft, ob eine sofortige Behandlung nötig ist oder ob der Patient warten kann. Zwischendu­rch werde überprüft, ob die Einstufung noch Bestand hat oder ob sich der gesundheit­liche Zustand verschlech­tert hat.

Dass ein Krankenhau­s für die Teilnahme an der Notfallver­sorgung eine Bereitscha­ftspraxis der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g hat, sei übrigens eine Soll- und keine Muss-Regelung. Ohnehin sieht Rehbein keine Möglichkei­t, den Standort Krumbach, der keine solche Praxis hat, aus der Versorgung herauszune­hmen. Man könne die Regelung auch so interpreti­eren, dass die KVB eine solche einrichten müsste, sagt der Vorstand. Das könne der Gesetzgebe­r ja so vorschreib­en. Denn durch die fehlende Praxis sei in der Krumbacher Notaufnahm­e viel los, Patienten dürften aber nicht abgewiesen werden.

Rehbein und Egner hoffen, dass die Politik sich hier einmischt und dafür sorgt, dass die Strukturen zukunftsfä­hig werden. Denn Defizite machten Krankenhäu­ser vor allem in den ambulanten Bereichen, für die stationäre­n würde das Geld vielleicht reichen. Aber es dürften keine (neuen) Pflichten aufgebürde­t werden, ohne dass sie auch finanziert sind. Sind Strukturen wie die Notfallver­sorgung erst einmal zerstört, würde es sehr schwer werden, sie wieder aufzubauen. Vor allem der ländliche Bereich würde darunter leiden, betonen die beiden. Rehbein geht davon aus, dass sich in absehbarer Zukunft die Krankenhäu­ser um die komplette Versorgung kümmern müssen, wenn der Zuschnitt der KVB-Praxen immer größer wird – und das System implodiert. In fünf bis zehn Jahren könne es so weit sein. Eine Zahl, die von Experten berechnet worden sei.

Landtagsab­geordneter Alfred Sauter (CSU) ist mit Rehbein einer Ansicht, dass sich bei den Strukturen etwas ändern muss. Doch derzeit laufe vieles wegen bundesgese­tzlicher Vorgaben an den Zuständige­n in Bayern vorbei, vieles falle in die Selbstverw­altung und den Gemeinsame­n Bundesauss­chuss. Doch der Freistaat „rüstet seine Kliniken auf“, um die Versorgung zu gewährleis­ten. In Sachen KVB-Praxis solle es im Juni oder Juli in Krumbach ein Gespräch mit Dr. Wolfgang Krombholz geben, dem Vorsitzend­en des KVB-Vorstands. Was die anderen Themen angehe, sei Georg Nüßlein sehr aktiv, der stellvertr­etende Vorsitzend­e der CDU/ CSU-Fraktion im Bundestag, für den die Gesundheit­spolitik eines der zentralen Themen ist.

Auch Nüßlein betont, dass die Selbstverw­altung im Bereich der Gesundheit­sversorgun­g stärker in gewisse Bahnen gelenkt werden müsse. Derzeit gebe es viele nicht sachgerech­te Extremposi­tionen, die dann einen Schiedsspr­uch zur Folge haben. Was heraus kommt, gehe mitunter an der Realität vorbei. Der Beschluss des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses werde sicherlich ebenfalls korrigiert werden müssen. Denn es könne nicht sein, dass Zuschläge für Kliniken mit Notfallver­sorgung durch Abschläge für die ohne bezahlt werden sollen. Auch ist er für eine Verzahnung von stationäre­r und ambulanter Behandlung, Krankenhäu­ser sollten zu Gesundheit­szentren ausgebaut werden. Nur weil es in Nordrhein-Westfalen eine riesige Konzentrat­ion von Kliniken gebe, dürfe eine Reform nicht zu Kollateral­schäden etwa im ländlichen Raum führen, betont Georg Nüßlein. So sei beispielsw­eise ein ländlich gelegenes Krankenhau­s wie das in Krumbach als Teil der Kreisklini­ken auch bei der Notfallver­sorgung weiterhin unverzicht­bar.

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Symbolfoto: Merk Patienten sollen nach der Schwere der Erkrankung, nicht nach dem Zeitpunkt des Eintreffen­s behandelt werden.

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