Ichenhauser Schule braucht sich nicht zu verstecken
In Ichenhausen wurde vor 50 Jahren auf der grünen Wiese die Volksschule eröffnet. Was geblieben ist und was sich seitdem verändert hat – ein ehemaliger Schüler berichtet unter anderem von seinem größten Streich
Vor 50 Jahren wurde in Ichenhausen die Volksschule eröffnet. Was bis heute geblieben ist und was sich verändert hat, lesen Sie auf
Ichenhausen Dieses Nein der Regierung von Schwaben war letztlich ein Glück: 1962 lehnte sie den Ichenhauser Schlossplatz als Schulstandort ab. Dabei platzte die seit 1862 im Unteren Schloss ansässige Volksschule aus allen Nähten, acht Schulsäle im Schloss und drei Notunterkünfte in der Nachbarschaft waren unzureichend, Schichtunterricht angesagt. Die Stadt war gezwungen, eine Lösung zu finden.
Es herrschte die Aufbruchstimmung der Nachkriegsjahre, als die Stadträte und Bürgermeister Josef Demharter sich für die große Lösung entschlossen: Die Stadt kaufte zwei große Grundstücke zwischen Rohrer Straße, Gartenstraße und Friedrich-Jahn-Straße und baute dort ein Schulhaus für 2830000 D-Mark. Das war seinerzeit vom Feinsten, denn es gab nicht nur 13 moderne Klassenzimmer, sondern auch einen Physik-und Chemiesaal samt Fernseher. 1966 zogen die ersten Schüler ein, aber das I-Tüpfelchen kam zwei Jahre später mit der Eröffnung der Friedrich-JahnTurnhalle samt Lehrschwimmbecken im Untergeschoss. Für Robert Kaifer, der seit fünf Jahren die Grundschule leitet, ist 2018 also ein Jubiläumsjahr: 50 Jahre Grundschule Ichenhausen werden am heutigen Dienstag mit einem Festakt für geladene Gäste und ab 14 Uhr für alle Interessierten mit Auftakt in der Jahnhalle, Tag der offenen Tür und Spielefest im Schulhaus gefeiert.
Albert Seiler, heute für die IT im Rathaus der Stadt zuständig, ist im Einweihungsjahr 1968 eingeschult worden. Die Mutter hat ihn am ersten Schultag begleitet, undenkbar wäre es gewesen, hätte der Vater sich deshalb arbeitsfrei genommen. Der heute 56-Jährige geht zielstrebig über die Treppen in den ersten Stock zu seinem ehemaligen Klassenzimmer. 44 Schüler waren es in seiner Klasse. Heute werden 314 Schüler in 13 Klassen unterrichtet. Unterrichtmaterialien liegen auf dem Boden, die Schulbänke sind längst erneuert und stehen auch nicht mehr penibel ausgerichtet in der Reihe. Eine Schiefertafel im einfachen braunen Lederranzen, wie einst Albert Seiler, das hat heute kein Grundschüler mehr. Einige Lehrer lassen die Anfänger aber auf kleine Kunststofftafeln schreiben, sagt Rektor Kaifer.
Bunt und kreativ wirkt das Klassenzimmer heute, in dem der kleine Albert bei Lehrerin Josefa Markiel einst in der ersten Bank saß. Hatte ein Schüler etwas ausgefressen, musste er in der Ecke stehen. Heute gibt es einen „Nachdenkraum“in der Grundschule, in dem vor allem aggressive Schüler zur Ruhe kommen und mit einer Lehrkraft den Vorfall aufarbeiten können. Albert Seiler hat sich als Grundschüler eine Strafarbeit eingehandelt, weil er sich mit ein paar Kameraden nach der Pause im Garderobenschrank versteckte und dann heimlich nach Hause gegangen ist. Damals war Samstag noch ein regulärer Schul- und ein langes freies Wochenende hätte den Buben halt gebizelt.
Auch wenn man samstags in die Schule musste und die Prügelstrafe noch nicht abgeschafft war: Das neue Schulhaus auf der grünen Wiese – inzwischen bildet die Grundschule mit Hort, Realschule, Mittelschule und die Franziska-ZiehankHalle ein richtiges Bildungszentrum – war für den Buben „einwandfrei“, Sport sein Lieblingsfach und der „Schwimmunterricht war der Hit“.
In der Pause wurde der Unterschied zwischen den Großen und den Kleinen sichtbar: Die Grundschüler spielten auf dem Nordhof, die Hauptschüler waren auf dem Südhof. „Fangos“hat Albert gespielt, und mit anderen Buben Auto-Quartett. Die Mädchen haben sich mit „Gummihupf“beschäftigt. Heute sorgen Pausenkisten mit Hula-Hoop-Reifen, Seilen und Pedalos dafür, dass die Kinder sich bewegen.
Für Albert war es selbstverständlich, dass er zu Fuß zur Schule ging, schon ein paar Häuser weiter traf er die Kinder seiner Tante, weitere stießen unterwegs zu dem kleinen Trupp, in dem die Großen ganz selbstverständlich auf die Kleinen aufpassten. Und wenn mittags die Hausi erledigt war, dann ging es auf die Fußballwiese. Heimkommen musste man, wenn es dunkel wurde. Heutige Grundschüler haben nachmittags ein straffes Programm mit Sport, Musik und anderen Verpflichtungen, sagt Rektor Kaifer.
Nach wie vor sieht er das mittlerweile um ein Geschoss aufgestockte Haus als sehr vorausschauend gebaut an. Der Raumbedarf sei aktuell gedeckt, „aber wir sind voll“. Die Schülerzahlen, sagt der Rektor, werden stabil und die Grundschule drei- bis vierzügig bleiben. Allerdings brauche man vermehrt separate Räume zum Beispiel für LeseEcken und Computerarbeit. Kaifer spricht hier auch den Status als Inklusionsschule (ein Viertel der Schüler hat speziellen Förderbedarf) und die vielfältigen Möglichkeiten der Ganztagsbetreuung an. An soltag, che Entwicklungen war vor 50 Jahren noch nicht zu denken.
Und dann ist da noch die Digitalisierung, für den Rektor „das Thema der Zukunft“. Die Ichenhauser Grundschule ist schon komplett vernetzt, die Stadt hat in allen Klassenzimmern Internet-Anschluss geschaffen, es gibt Laptops, Beamer, Dokumenten-Kameras und W-Lan. Mit der Technik „werden wir die Schüler nicht sehr viel besser machen“, sagt Kaifer, aber die Informationstechnologie gehöre nun mal zur Lebenswelt. Wünsche gibt es immer: „Auf das Glasfaserkabel warten wir natürlich noch“, sagt der Schulleiter, und: „Mir schwebt vor, die Jahnhalle neu zu bauen und ein Stockwerk für den Hort draufzusetzen.“Und Ende des Jahres soll die Planung für eine große Sanierung starten: Elektrik, Toiletten, Treppenhäuser, Flure und Garderoben zählt Kaifer auf. Ob sich künftige Schülergenerationen dann auch noch in der Garderobe verstecken können?