Wie viel verdient man eigentlich in der Pflege?
In Krankenhäusern fehlen Fachkräfte, der Job ist anstrengend und vor allem: schlecht bezahlt. Ist das wirklich so?
Mehr als viele denken – zumindest in Krankenhäusern, die nach Tarif bezahlen. Was Verantwortliche des BKH dazu sagen.
Günzburg Die Nachrichten klingen dramatisch: Von Pflegenotstand in Deutschland ist überall die Rede, laut einer diese Woche veröffentlichten Umfrage der Gewerkschaft Verdi fehlen in deutschen Krankenhäusern Zigtausende Pflegekräfte. Und diejenigen, die den Beruf ausüben, seien ausgesprochen schlecht bezahlt, haben kaum Aufstiegschancen und schwierige Arbeitsumstände, heißt es im selben Atemzug. Ist das wirklich so? Und wie sieht die Situation im Landkreis Günzburg aus?
Thomas Düll, den Vorstandsvorsitzenden der Bezirkskliniken Schwaben, ärgern pauschalisierte Aussagen wie die oben genannten. „Was heißt das eigentlich, es steht schlecht um die Pflege? Schließlich ist Pflege ein weites Feld mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen.“In der Diskussion werde nie differenziert, ob von der Krankenpflege, der Altenpflege oder der Kinderpflege die Rede sei – vor allem in den Medien werde stets „die Pflege“allgemein in der Krise dargestellt. Pflegedirektor Georg Baur kennt die Vorurteile aus Gesprächen mit seinen Kollegen: „Unsere Mitarbeiter berichten, dass sie im Freundesund Bekanntenkreis schon bemitleidet wurden. Manche haben sogar berichtet, dass ihnen Kleider- oder Spielzeugspenden für die Kinder angeboten worden seien – weil sie in der Pflege doch angeblich so schlecht bezahlt werden.“
Dabei sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache: Die Mitarbeiter des Bezirkskrankenhauses Günzburg werden nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt, das gilt auch für die 540 Pflegekräfte. Demnach bekommt eine examinierte Pflegekraft in der Psychiatrie ein Einstiegsgehalt von 3200 Euro brutto im Monat – das entspricht der Entgeltgruppe P8, Stufe 2. Dieses Gehalt bekommen die Anfänger nach drei Jahren Berufsfachschule, für die ebenfalls eine Ausbildungsvergütung bezahlt wird, so Baur. „Selbst für ungelernte Mitarbeiter ist das Einstiegsgehalt noch ziemlich gut“, sagt Thomas Düll. Gut 2500 Euro brutto werden hier in der Entgeltgruppe P5, Stufe 1 bezahlt. Der Großteil der Mitarbeiter in der Pflege bei den Bezirkskliniken Schwaben, mehr als 62 Prozent, liegt im Schnitt auf den Gehaltsstufen P7 und P8, verdient also im Durchschnitt gut 3900 Euro brutto. Fachkräfte und Funktionsträger machen ein Drittel der Verdiener aus, sie haben im Durchschnitt 4500 Euro brutto auf dem Gehaltszettel stehen.
Die Verantwortlichen des BKH ärgert nicht nur, dass falsche Zahlen die Medien geistern – sondern auch, dass der Ruf des Pflegeberufs dadurch leide, dass er schlecht geredet werde. Keine Aufstiegschancen, viele Überstunden, stressiger Alltag – das sei das Bild, das vermittelt werde und damit zu einem Teil des Problems werde. Denn, wer will schon einen Job lernen, in dem er keine Perspektive hat. „Wir möchten nicht, dass Schulabgänger und ihre Eltern davor abgeschreckt werden, sich diesen Beruf auszusuchen“, erklärt Thomas Düll. Wie in allen Branchen kämpfen auch die Kliniken mit dem Fachkräftemangel – würden diejenigen, die sich einen sozialen Beruf vorstellen können, durch ein falsches Image abgeschreckt, werde es in Zukunft immer schwerer, die Stellen zu besetzen – und das wiederum erschwere auf Dauer tatsächlich die Situation für die verbleibenden Mitarbeiter auf den Stationen. Baur: „Wir brauchen die Ausbildungsplätze an den Pflegeschulen, und wir müssen diese Plätze besetzen. Wenn die Kräfte da sind, wird auch für die vorhandenen Teams die Arbeitsbelastung sinken.“Die fünf Berufsfachschulen – davon drei in Günzburg – bilden knapp 400 Schülerinnen und Schüler pro Jahr aus, dazu kommt die berufliche und duale Ausbildung. Düll: „Wir überlegen, die Zahl der Ausbildungsstellen noch zu steigern.“Die Aussichten der Absolventen der Berufsfachschulen sind in den vergangenen Jahren immer rosig gewesen: Praktisch jeder hat mit dem Abschlusszeugnis auch schon einen Anstellungsvertrag in der Tasche.
Gerade im Günzburger Bezirkskrankenhaus fühlen sich die Mitarbeiter, die dort einmal angefangen haben, offenbar sehr wohl: „Wir haben hier eine durchschnittliche Verweildauer von 18 Jahren“, berichtet Pflegedirektor Baur. Er weiß auch, warum: „Menschen, die einen sodurch zialen Beruf ausüben, ist ihr eigenes soziales Umfeld besonders wichtig. Viele machen bei uns ihre Ausbildung und gehen bei uns in Rente.“
38,5 Stunden pro Woche ist die tariflich vorgeschriebene Arbeitszeit für eine Vollzeitstelle – natürlich könne der Dienstplan aber auch mal 50 Wochenstunden aufweisen, gibt Baur offen zu. „Die Überstunden werden aber auch alle registriert und ausgeglichen“, betont Thomas Düll. Flexibilität ist dabei das Stichwort – und das ist für die Planung eine logistische Herausforderung: Allein im Bezirkskrankenhaus Günzburg kommen 128 verschiedene Arbeitszeitmodelle zum Tragen. Es sei nicht leicht, das zu koordinieren – doch die Kliniken wollen eine möglichst maßgeschneiderte Arbeitszeit für jeden ihrer Mitarbeiter anbieten, damit diese Familie und Beruf vereinbaren können. Auch dieser Aspekt will nämlich gepflegt werden.
„Manchen Mitarbeitern sind schon Spenden angeboten worden – weil sie in der Pflege doch angeblich so schlecht bezahlt werden.“Georg Baur, Pflegedirektor am Bezirkskrankenhaus Günzburg