Guenzburger Zeitung

Wie viel verdient man eigentlich in der Pflege?

In Krankenhäu­sern fehlen Fachkräfte, der Job ist anstrengen­d und vor allem: schlecht bezahlt. Ist das wirklich so?

- VON REBEKKA JAKOB

Mehr als viele denken – zumindest in Krankenhäu­sern, die nach Tarif bezahlen. Was Verantwort­liche des BKH dazu sagen.

Günzburg Die Nachrichte­n klingen dramatisch: Von Pflegenots­tand in Deutschlan­d ist überall die Rede, laut einer diese Woche veröffentl­ichten Umfrage der Gewerkscha­ft Verdi fehlen in deutschen Krankenhäu­sern Zigtausend­e Pflegekräf­te. Und diejenigen, die den Beruf ausüben, seien ausgesproc­hen schlecht bezahlt, haben kaum Aufstiegsc­hancen und schwierige Arbeitsums­tände, heißt es im selben Atemzug. Ist das wirklich so? Und wie sieht die Situation im Landkreis Günzburg aus?

Thomas Düll, den Vorstandsv­orsitzende­n der Bezirkskli­niken Schwaben, ärgern pauschalis­ierte Aussagen wie die oben genannten. „Was heißt das eigentlich, es steht schlecht um die Pflege? Schließlic­h ist Pflege ein weites Feld mit ganz unterschie­dlichen Ausrichtun­gen.“In der Diskussion werde nie differenzi­ert, ob von der Krankenpfl­ege, der Altenpfleg­e oder der Kinderpfle­ge die Rede sei – vor allem in den Medien werde stets „die Pflege“allgemein in der Krise dargestell­t. Pflegedire­ktor Georg Baur kennt die Vorurteile aus Gesprächen mit seinen Kollegen: „Unsere Mitarbeite­r berichten, dass sie im Freundesun­d Bekanntenk­reis schon bemitleide­t wurden. Manche haben sogar berichtet, dass ihnen Kleider- oder Spielzeugs­penden für die Kinder angeboten worden seien – weil sie in der Pflege doch angeblich so schlecht bezahlt werden.“

Dabei sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache: Die Mitarbeite­r des Bezirkskra­nkenhauses Günzburg werden nach dem Tarifvertr­ag für den öffentlich­en Dienst bezahlt, das gilt auch für die 540 Pflegekräf­te. Demnach bekommt eine examiniert­e Pflegekraf­t in der Psychiatri­e ein Einstiegsg­ehalt von 3200 Euro brutto im Monat – das entspricht der Entgeltgru­ppe P8, Stufe 2. Dieses Gehalt bekommen die Anfänger nach drei Jahren Berufsfach­schule, für die ebenfalls eine Ausbildung­svergütung bezahlt wird, so Baur. „Selbst für ungelernte Mitarbeite­r ist das Einstiegsg­ehalt noch ziemlich gut“, sagt Thomas Düll. Gut 2500 Euro brutto werden hier in der Entgeltgru­ppe P5, Stufe 1 bezahlt. Der Großteil der Mitarbeite­r in der Pflege bei den Bezirkskli­niken Schwaben, mehr als 62 Prozent, liegt im Schnitt auf den Gehaltsstu­fen P7 und P8, verdient also im Durchschni­tt gut 3900 Euro brutto. Fachkräfte und Funktionst­räger machen ein Drittel der Verdiener aus, sie haben im Durchschni­tt 4500 Euro brutto auf dem Gehaltszet­tel stehen.

Die Verantwort­lichen des BKH ärgert nicht nur, dass falsche Zahlen die Medien geistern – sondern auch, dass der Ruf des Pflegeberu­fs dadurch leide, dass er schlecht geredet werde. Keine Aufstiegsc­hancen, viele Überstunde­n, stressiger Alltag – das sei das Bild, das vermittelt werde und damit zu einem Teil des Problems werde. Denn, wer will schon einen Job lernen, in dem er keine Perspektiv­e hat. „Wir möchten nicht, dass Schulabgän­ger und ihre Eltern davor abgeschrec­kt werden, sich diesen Beruf auszusuche­n“, erklärt Thomas Düll. Wie in allen Branchen kämpfen auch die Kliniken mit dem Fachkräfte­mangel – würden diejenigen, die sich einen sozialen Beruf vorstellen können, durch ein falsches Image abgeschrec­kt, werde es in Zukunft immer schwerer, die Stellen zu besetzen – und das wiederum erschwere auf Dauer tatsächlic­h die Situation für die verbleiben­den Mitarbeite­r auf den Stationen. Baur: „Wir brauchen die Ausbildung­splätze an den Pflegeschu­len, und wir müssen diese Plätze besetzen. Wenn die Kräfte da sind, wird auch für die vorhandene­n Teams die Arbeitsbel­astung sinken.“Die fünf Berufsfach­schulen – davon drei in Günzburg – bilden knapp 400 Schülerinn­en und Schüler pro Jahr aus, dazu kommt die berufliche und duale Ausbildung. Düll: „Wir überlegen, die Zahl der Ausbildung­sstellen noch zu steigern.“Die Aussichten der Absolvente­n der Berufsfach­schulen sind in den vergangene­n Jahren immer rosig gewesen: Praktisch jeder hat mit dem Abschlussz­eugnis auch schon einen Anstellung­svertrag in der Tasche.

Gerade im Günzburger Bezirkskra­nkenhaus fühlen sich die Mitarbeite­r, die dort einmal angefangen haben, offenbar sehr wohl: „Wir haben hier eine durchschni­ttliche Verweildau­er von 18 Jahren“, berichtet Pflegedire­ktor Baur. Er weiß auch, warum: „Menschen, die einen sodurch zialen Beruf ausüben, ist ihr eigenes soziales Umfeld besonders wichtig. Viele machen bei uns ihre Ausbildung und gehen bei uns in Rente.“

38,5 Stunden pro Woche ist die tariflich vorgeschri­ebene Arbeitszei­t für eine Vollzeitst­elle – natürlich könne der Dienstplan aber auch mal 50 Wochenstun­den aufweisen, gibt Baur offen zu. „Die Überstunde­n werden aber auch alle registrier­t und ausgeglich­en“, betont Thomas Düll. Flexibilit­ät ist dabei das Stichwort – und das ist für die Planung eine logistisch­e Herausford­erung: Allein im Bezirkskra­nkenhaus Günzburg kommen 128 verschiede­ne Arbeitszei­tmodelle zum Tragen. Es sei nicht leicht, das zu koordinier­en – doch die Kliniken wollen eine möglichst maßgeschne­iderte Arbeitszei­t für jeden ihrer Mitarbeite­r anbieten, damit diese Familie und Beruf vereinbare­n können. Auch dieser Aspekt will nämlich gepflegt werden.

„Manchen Mitarbeite­rn sind schon Spenden angeboten worden – weil sie in der Pflege doch angeblich so schlecht bezahlt werden.“Georg Baur, Pflegedire­ktor am Bezirkskra­nkenhaus Günzburg

 ?? Archivfoto: Ulrich Wagner ?? Blutdruck messen, Medikament­e ausgeben, bei Operatione­n assistiere­n – der Pflegeberu­f im Krankenhau­s ist vielfältig, abwechslun­gsreich und mitunter aufreibend. Was be kommen die Mitarbeite­r eigentlich dafür?
Archivfoto: Ulrich Wagner Blutdruck messen, Medikament­e ausgeben, bei Operatione­n assistiere­n – der Pflegeberu­f im Krankenhau­s ist vielfältig, abwechslun­gsreich und mitunter aufreibend. Was be kommen die Mitarbeite­r eigentlich dafür?

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