Polizei setzt auf „Super Recogniser“
Das Präsidium in München will sich ein besonderes Talent seiner Angestellten zunutze machen
München „Super-Recogniser“: So nennen Wissenschaftler Menschen, die sich Gesichter besonders gut merken können – egal, ob diese teilweise verdeckt waren, eine Begegnung Jahre her ist oder das Filmmaterial unscharf. Der Begriff kommt vom englischen Wort „recognise“, das unter anderem „wiedererkennen“bedeutet. Nun hat die Polizei die Menschen mit diesem besonderen Talent für sich entdeckt.
Allzu oft stehe bei Verbesserungen in der Verbrechensbekämpfung neue Technik im Fokus, findet der Münchner Polizeipräsident Hubertus Andrä. Menschliche Fähigkeiten gerieten dabei jedoch aus dem Blickfeld: „Dabei ist und bleibt der wichtigste Baustein für erfolgreiche Polizeiarbeit der Mensch.“Deshalb will sich die Münchner Polizei das Talent der „Super-Recogniser“in ihren eigenen Reihen zunutze machen. Sie können etwa einen gesuchten Verdächtigen auch in einer großen Menschenmenge identifizieren oder ein Videobild mit einem alten Fahndungsfoto in Verbindung bringen, selbst wenn die Person mit Mütze, Bart oder Sonnenbrille ihr Aussehen komplett verändert hat.
Das Polizeipräsidium München greift dabei auf Erfahrungen der Po- in London zurück: Dort hatten die Ermittler vor rund acht Jahren erstmals festgestellt, dass es immer die gleichen Beamten waren, die auf Videomaterial Verdächtige identifizieren konnten. „Ich war anfangs sehr skeptisch“, sagt der Psychologe Dr. Josh Davis von der englischen Universität Greenwich, der nach der Londoner nun auch die Münchner Polizei berät. Umfangreiche wissenschaftliche Tests hätten aber schnell gezeigt, dass einige Beamte tatsächlich diese besondere Fähigkeit haben.
Die Londoner Polizei identifizierte daraufhin 20 „Super-Recogniser“unter den eigenen Beamten. Der Erfolg sei durchschlagend gewesen, berichtet der Wissenschaftler. So habe ein einziger dieser Polizisten bei Ausschreitungen in London im Sommer 2011 aus Videoaufnahmen 180 Verdächtige identifilizei zieren können – ein gleichzeitig eingesetztes Computerprogramm dagegen nur einen einzigen Täter.
Begleitende wissenschaftliche Untersuchungen auch unter NichtPolizisten hätten zudem gezeigt, dass die spezielle Fähigkeit zur Gesichtserkennung genetisch bedingt und weder lern- noch trainierbar ist, so Davis. Auf einer Internetseite www.superrecognisers.com haben inzwischen mehr als drei Millionen Menschen ihre eigene Fähigkeit getestet. Im Vergleich zu der Computer-Software zur Gesichtserkennung habe sich zudem ein rund 500 Mal höherer Identifikationserfolg der „Super-Recogniser“gezeigt: „Wir werden in Zukunft sicher beides nutzen“, glaubt Davis. „Im Moment schlagen aber die menschlichen Fähigkeiten den Computer um Längen.“
Fähigkeiten, die sich die Münchner Polizei von Londoner Kollegen auf dem Oktoberfest im vergangenen Jahr vor Ort vorführen ließ: Die Erfolgsquote, etwa eine bestimmte Person in der großen Menschenmenge zu entdecken, sei dabei „beeindruckend“gewesen, berichtet Andrä. Mithilfe der Tests des Psychologen Davis wurden deshalb seit letzten Dezember aus rund 5000 Münchner Polizisten 37 „SuperRecogniser“identifiziert. Deren Potenzial wolle man nun bestmöglich nutzen, so Andrä.
„Wir haben ein hervorragendes Ermittlungsinstrument gewonnen“, ist Andrä überzeugt. Auch Ausschreitungen wie beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg könnten mithilfe der Spezialisten besser aufgeklärt werden. „Es gibt jedenfalls großes Interesse in ganz Deutschland, was da in München gerade läuft.“