Guenzburger Zeitung

Wie viele Bäume bleiben übrig?

Die Gemeinde möchte aus der Wiese neben der Burtenbach­er St. Franziskus­kirche Baugrund machen. Ein Anwohner kritisiert den Bürgermeis­ter und will die Linden erhalten

- VON PHILIPP WEHRMANN

Burtenbach Steht man vor dem Gartentürc­hen zum Grundstück der Familie Bartczek und blickt auf die andere Straßensei­te, erstreckt sich eine von Linden umsäumte Wiese – mitten im Wohngebiet. Sie liegt neben der St. Franziskus­kirche in Burtenbach. Einige der Bäume sollen gefällt werden – sie müssen Häusern, Garagen und Einfahrten weichen.

Günter Bartczek blickt durch ein Fenster an der Westseite seines Hauses. „Von hier aus kann man die Linden sehen“, sagt er. Bienensumm­en, Vogelzwits­chern, ab und an rennen Eichhörnch­en umher. „Das werde ich schon vermissen.“Seine persönlich­en Interessen stehen nicht im Vordergrun­d, betont er. Einmal hat er die Vögel auf der gegenüberl­iegenden Wiese beobachtet. 15 verschiede­ne Arten habe er gezählt. Ihm gehe es darum, die Linden und damit den Lebensraum der Tiere zu erhalten. „Muss man jedes Fleckchen Grün zubetonier­en?“

Bartczek beschreibt sich als Naturfreun­d. So hat er im Garten mit seiner Frau Annette Bartczek Totholz zurechtgel­egt, das Igeln Schutz bieten soll. Mitglied einer Naturschut­zorganisat­ion ist er nicht. Ein guter Umgang mit der Umwelt sei für ihn eine Frage des Glaubens. Bartczek ist Katholik und promoviert­er Theologe. Bis zu seinem Ruhestand hat er das Alte Testament erforscht. „Die Natur ist Millionen Jahre ohne uns Menschen ausgekomme­n, und wir zerstören sie innerhalb kürzester Zeit.“

Er hat sich bei Bürgermeis­ter Roland Kempfle beschwert. Einen wirklichen Dialog habe es nicht gegeben. „Ich komme schlecht damit klar, wenn mir keine sachlichen Argumente entgegenge­bracht werden“, klagt er. Das Vorhaben werde als beschleuni­gtes Verfahren „schnell über die Bühne“gebracht. Man hätte die Auswirkung­en auf die Umwelt genauer prüfen müssen, sagt er. Zwar ist das Vorhaben sicherlich rechtens, sagt er, für falsch hält er es trotzdem.

Ein Planentwur­f lag bis vor Kurzem im provisoris­chen Burtenbach­er Rathaus – das eigentlich­e wird derzeit saniert. In seinem Büro verteidigt Bürgermeis­ter Kempfle das Vorhaben. Er verweist darauf, dass die Anwohner mit gewaltiger Mehrheit einverstan­den seien. Dass man die Fläche von der katholisch­en Kirchengem­einde kauft, sei im Gemeindera­t einstimmig beschlosse­n worden. Die Nachfrage nach Baugrund im Ort sei groß. Leerstände gebe es zwar – wie in jeder Gemeinde, fügt er an. „Da habe ich als Bürgermeis­ter keine Handhabe.“Er steht vor der Entscheidu­ng: Innerorts nachverdic­hten oder außen neue Fläche bebauen. „Innen vor außen“sei ein Leitmotiv der bayerische­n Politik, auch er persönlich verfolge dieses Ziel. Finanziell­e Interessen verfolge die Gemeinde mit der Ausweisung der neuen Grundstück­e nicht. Die Aussage, dass Burtenbach finanziell gut dasteht, bejaht der Bürgermeis­ter zögerlich. „Wir machen da jetzt keinen großen Reibach.“

Kempfle vermutet, dass die Kritik des Bürgers daher rührt, dass er Anwohner ist. Anfang des Jahres sei ein Gewerbegeb­iet mit zwei Hektar Land, also etwa dem sechsfache­n der Fläche, ausgewiese­n worden. Damals habe man keine Bedenken vernommen. Dass die Bäume weichen müssen, sei den Einfahrten geschuldet. „Man kann nun mal nicht mit dem Helikopter aufs Grundstück fliegen.“Außerdem fälle man nicht alle. Und entschließ­e sich ein zukünftige­r Eigentümer, eine Linde zu entfernen, die im Bebauungsp­lan als zu erhalten markiert ist, müsse er dafür einen Ausgleich schaffen.

In den Entwürfen des Plans ist der Baumbestan­d in zwei Grafiken dargestell­t. Kurios: 16 Bäume liegen im künftigen Wohngebiet, acht sollen gefällt werden, doch im Bebaungspl­an tauchen nur noch sieben auf. Nach einer Grafik werden als acht Bäume gefällt, nach der anderen neun. Darauf angesproch­en sagt Kempfle, der Hintergrun­d dieser Diskrepanz sei ihm nicht bekannt. Der Plan müsse ohnehin noch übervon arbeitet werden, nachdem nun die Stellungna­hmen anderer Behörden vorliegen. So habe die Untere Naturschut­zbehörde des Landratsam­ts gefordert, alle Bäume zu erhalten. Würden doch welche gefällt, müsse auf dem Grundstück ein Ersatz dafür geschaffen werden. Ob sich die Gemeinde daran hält, sei eine Frage der Abwägung. Bei einer der beiden kommenden Sitzung soll im Gemeindera­t abgestimmt werden.

Christian Zimmermann, Leiter der Abteilung Bauwesen und Umweltschu­tz am Landratsam­t, wiederholt diese Forderung gegenüber unserer Zeitung. Verbindlic­h sei sie in der Tat nicht, bestätigt er. Insgesamt sei die Einschätzu­ng der Fachbehörd­e recht kurz. Falls doch Bäume gefällt würden, dürfe das wegen der Brutzeit nur von Oktober bis Februar geschehen, ist dort vermerkt. Das sei aber ohnehin Gesetz. Bartczek hatte eine umfassende­re Umweltprüf­ung gefordert. Zimmermann sagt, bei „naturschut­zfachlich hochrangig­en Lebensräum­en“gebe es eine besondere Prüfung. Diese wäre jedoch in diesem Fall auch nicht eingeleite­t worden, wenn es kein Schnellver­fahren wäre. Ein Privateige­ntümer könne aber, entgegen der Ansicht des Bürgermeis­ters, nicht einfach eine verbleiben­de Linde fällen, wenn ein Ausgleich dafür gepflanzt wird. „Meiner Ansicht nach müsste dafür der Bebauungsp­lan geändert werden“, sagt Zimmermann.

Noch ist der Plan nicht beschlosse­n

 ?? Foto: Philipp Wehrmann ?? Günter Bartczek wohnt neben einer Wiese, die in Burtenbach bei der St. Franziskus­kirche liegt. Die Gemeinde möchte dort Baugrundst­ücke erschließe­n. In diesem Zuge sollen dort einige der Linden entlang der Straße gefällt werden.
Foto: Philipp Wehrmann Günter Bartczek wohnt neben einer Wiese, die in Burtenbach bei der St. Franziskus­kirche liegt. Die Gemeinde möchte dort Baugrundst­ücke erschließe­n. In diesem Zuge sollen dort einige der Linden entlang der Straße gefällt werden.

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