Guenzburger Zeitung

Wie Kinder sicher auf dem Rad fahren

Zwei Polizisten bereiten alle Grundschül­er im nördlichen Landkreis auf den Verkehr vor. Was dem zuständige­n Fachberate­r des Schulamts in letzter Zeit Sorgen bereitet

- VON PHILIPP WEHRMANN

Landkreis In der einen Hand hält der Polizist Herbert Bissinger einen winzigen Fahrradhel­m, in der anderen ein Hühnerei. „Ein menschlich­er Kopf ist einem Ei ziemlich ähnlich“, sagt er zu der Grundschul­klasse vor ihm – außen hart, innen weich. Er legt das Ei in den Minihelm, zurrt es fest und lässt es aus Schulterhö­he auf den Asphalt fallen. Eines der Kinder bückt sich und beäugt das Versuchsob­jekt – alles heil. Ohne den Schutz wäre das Ei beim Fall aus dieser Höhe garantiert geplatzt. „Deshalb ist es so wichtig, dass ihr beim Fahrradfah­ren einen Helm tragt“, sagt der Polizist.

Bissinger und seine Kollegin Marlene Schmid, Polizistin bei der Inspektion Günzburg, sind ein Team. Seit zwei Jahren machen die beiden 750 bis 800 Viertkläss­ler pro Jahr fit für den Straßenver­kehr. Schmid wiederholt zu Beginn mit den Kindern die Regeln, die sie bei den vorherigen Lektionen gelernt haben. Es geht um das sichere Linksabbie­gen. Acht Punkte muss man dafür befolgen. Die Viertkläss­ler der Grundschul­e Röfingen beherrsche­n sie. Jedes Mal, wenn Schmid eine Frage stellt, schnellt prompt eine Hand in die Höhe. In fünf praktische­n Doppelstun­den lernen die Kinder von den Polizisten, wie sie sich verhalten müssen. Dreimal üben sie gemeinsam, beim vierten Mal ist die Prüfung und beim fünften Termin fahren die Kinder im echten Straßenver­kehr.

Die ersten acht schnappen sich Fahrräder und beginnen auf dem Übungsplat­z der Grundschul­e Burgau zu üben, die zweite Gruppe folgt später. Vorfahrts- und Bau- stellensch­ilder, Ampeln und Zebrastrei­fen – vieles, was man im Straßenver­kehr sieht, findet man dort.

Wenn die Beamten gerade keine Grundschül­er ausbilden, arbeite sie als „normale“Polizisten. Übliche Polizeiarb­eit oder Verkehrser­ziehung? Was den beiden mehr Spaß macht, können sie nicht sagen. „Wir genießen die Arbeit mit den Kleinen schon“, so viel sagt Schmid. Bissinger erklärt, vor der Jugendverk­ehrsschule waren sie im Schichtdie­nst – die Arbeitszei­ten der Verkehrser­ziehung seien angenehmer.

Etwas später kommt Burkard Sterk dazu. Er ist Grundschul­lehrer und hat zusätzlich die Aufgabe des Fachberate­rs für Verkehrser­ziehung und Unfallverh­ütung im Schulbezir­k Günzburg. Im Norden sei die Verkehrssc­hule mobil und fahre zu verschiede­nen Schulen, die einen Übungsplat­z besäßen, im südlichen Teil des Kreises werden alle Schüler in Krumbach unterwiese­n.

Eine Sache macht Sterk zunehmend Sorgen: Immer mehr Kinder zeigten „motorische Schwächen“beim Fahrradfah­ren, sagt er. Und das, obwohl die Kinder schon ein Jahr vor der eigentlich­en Schulung ihr Können auf dem Rad während der Unterricht­szeit verbessern können. Dabei geht es darum, dass die Kinder Kontrolle über das Rad haben. Die Verkehrswa­cht stellt den Schulen Ausrüstung und Fahrräder zur Verfügung. Trotzdem reichten die Kenntnisse bei manchen Kindern nicht, um sich sicher fortzubewe­gen. „Da sind die Eltern gefragt“, sagt der Fachberate­r.

Die Kinder müssen eine theoretisc­he und eine praktische Prüfung bestehen. Im Schnitt schaffen das zwar 95 Prozent, doch es gibt Ausreißer. An einer Grundschul­e im nördlichen Landkreis ist jeder fünfte Grundschül­er durch die Prüfung gefallen. Sterk hält die Ursache für einen gesellscha­ftlichen Prozess. Kinder würden sich heute weniger bewegen als noch vor einigen Jahren. Sterk appelliert an die Eltern: „Fahrradfah­ren erfordert Übung, auch außerhalb der Schule.“

 ?? Fotos: P. Wehrmann ?? Die beiden Polizisten Herbert Bissinger und Marlene Schmid bilden 750 bis 800 junge Radler pro Jahr im nördlichen Landkreis Günzburg für den Straßenver­kehr aus. Im südlichen Landkreis üben die Schüler zentral in Krumbach.
Fotos: P. Wehrmann Die beiden Polizisten Herbert Bissinger und Marlene Schmid bilden 750 bis 800 junge Radler pro Jahr im nördlichen Landkreis Günzburg für den Straßenver­kehr aus. Im südlichen Landkreis üben die Schüler zentral in Krumbach.
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Burkard Sterk

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