Wie Kinder sicher auf dem Rad fahren
Zwei Polizisten bereiten alle Grundschüler im nördlichen Landkreis auf den Verkehr vor. Was dem zuständigen Fachberater des Schulamts in letzter Zeit Sorgen bereitet
Landkreis In der einen Hand hält der Polizist Herbert Bissinger einen winzigen Fahrradhelm, in der anderen ein Hühnerei. „Ein menschlicher Kopf ist einem Ei ziemlich ähnlich“, sagt er zu der Grundschulklasse vor ihm – außen hart, innen weich. Er legt das Ei in den Minihelm, zurrt es fest und lässt es aus Schulterhöhe auf den Asphalt fallen. Eines der Kinder bückt sich und beäugt das Versuchsobjekt – alles heil. Ohne den Schutz wäre das Ei beim Fall aus dieser Höhe garantiert geplatzt. „Deshalb ist es so wichtig, dass ihr beim Fahrradfahren einen Helm tragt“, sagt der Polizist.
Bissinger und seine Kollegin Marlene Schmid, Polizistin bei der Inspektion Günzburg, sind ein Team. Seit zwei Jahren machen die beiden 750 bis 800 Viertklässler pro Jahr fit für den Straßenverkehr. Schmid wiederholt zu Beginn mit den Kindern die Regeln, die sie bei den vorherigen Lektionen gelernt haben. Es geht um das sichere Linksabbiegen. Acht Punkte muss man dafür befolgen. Die Viertklässler der Grundschule Röfingen beherrschen sie. Jedes Mal, wenn Schmid eine Frage stellt, schnellt prompt eine Hand in die Höhe. In fünf praktischen Doppelstunden lernen die Kinder von den Polizisten, wie sie sich verhalten müssen. Dreimal üben sie gemeinsam, beim vierten Mal ist die Prüfung und beim fünften Termin fahren die Kinder im echten Straßenverkehr.
Die ersten acht schnappen sich Fahrräder und beginnen auf dem Übungsplatz der Grundschule Burgau zu üben, die zweite Gruppe folgt später. Vorfahrts- und Bau- stellenschilder, Ampeln und Zebrastreifen – vieles, was man im Straßenverkehr sieht, findet man dort.
Wenn die Beamten gerade keine Grundschüler ausbilden, arbeite sie als „normale“Polizisten. Übliche Polizeiarbeit oder Verkehrserziehung? Was den beiden mehr Spaß macht, können sie nicht sagen. „Wir genießen die Arbeit mit den Kleinen schon“, so viel sagt Schmid. Bissinger erklärt, vor der Jugendverkehrsschule waren sie im Schichtdienst – die Arbeitszeiten der Verkehrserziehung seien angenehmer.
Etwas später kommt Burkard Sterk dazu. Er ist Grundschullehrer und hat zusätzlich die Aufgabe des Fachberaters für Verkehrserziehung und Unfallverhütung im Schulbezirk Günzburg. Im Norden sei die Verkehrsschule mobil und fahre zu verschiedenen Schulen, die einen Übungsplatz besäßen, im südlichen Teil des Kreises werden alle Schüler in Krumbach unterwiesen.
Eine Sache macht Sterk zunehmend Sorgen: Immer mehr Kinder zeigten „motorische Schwächen“beim Fahrradfahren, sagt er. Und das, obwohl die Kinder schon ein Jahr vor der eigentlichen Schulung ihr Können auf dem Rad während der Unterrichtszeit verbessern können. Dabei geht es darum, dass die Kinder Kontrolle über das Rad haben. Die Verkehrswacht stellt den Schulen Ausrüstung und Fahrräder zur Verfügung. Trotzdem reichten die Kenntnisse bei manchen Kindern nicht, um sich sicher fortzubewegen. „Da sind die Eltern gefragt“, sagt der Fachberater.
Die Kinder müssen eine theoretische und eine praktische Prüfung bestehen. Im Schnitt schaffen das zwar 95 Prozent, doch es gibt Ausreißer. An einer Grundschule im nördlichen Landkreis ist jeder fünfte Grundschüler durch die Prüfung gefallen. Sterk hält die Ursache für einen gesellschaftlichen Prozess. Kinder würden sich heute weniger bewegen als noch vor einigen Jahren. Sterk appelliert an die Eltern: „Fahrradfahren erfordert Übung, auch außerhalb der Schule.“