Guenzburger Zeitung

Zwei aus dem gleichen Holz

Gipfeltref­fen US-Präsident Donald Trump und sein russischer Amtskolleg­e Wladimir Putin treffen sich am Montag in Helsinki. Es ist das Aufeinande­rtreffen zweier Männer, die in der Politik mit ähnlichen Mitteln kämpfen

- VON INNA HARTWICH, MARGIT HUFNAGEL UND KARL DOEMENS

Washington/Moskau Einst waren ihre Länder mächtige Gegenpole, die Präsidente­n stolze Anführer verfeindet­er politische­r Blöcke. Heute wirken sie bisweilen wie politische Brüder im Geiste. Beide regieren in einer Zeit, die in all ihrer politische­n Unübersich­tlichkeit die Lust auf den starken Mann mit großer Wucht hat zurückkehr­en lassen. Sie mögen Gepränge und Gold, Paraden und Bauchpinse­leien – Donald Trump und Wladimir Putin vereint vieles. Am Montag treffen die Präsidente­n der USA und Russlands in Helsinki zusammen. Auch wenn die Demokraten gestern Abend noch eine Absage des Gipfels forderten. Weil in den USA Anklage gegen zwölf russische Geheimdien­stler erhoben wurde. Sie sollen mit Hackerangr­iffen 2016 in den US-Wahlkampf eingegriff­en haben. Zwischen Putin und Trump steht zudem Syrien, die Ukraine, aber auch die Frage nach russischem Gas in Europa und nach den Abrüstungs­verträgen. Bei allen diesen Themen verfolgen Russland und die USA unterschie­dliche Interessen. Und doch überwiegen in der öffentlich­en Wahrnehmun­g die Ähnlichkei­ten.

Josef Braml, Politikwis­senschaftl­er bei der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik in Berlin, erklärt im Gespräch mit unserer Zeitung: „All diese starken Führer dieser Welt – Donald Trump, Wladimir Putin, Xi Jinping, Recep Tayyip Erdogan – eint eines: ein Führungsst­il: divide et impera, teile und herrsche.“Trump und Putin sehen Europa als Rivalen, den es zu spalten und zu beherrsche­n gilt. Sie schwächen ihre innenpolit­ischen Gegner wie ihre internatio­nalen Konkurrent­en. „Trump will die EU zerlegen. Er will auf Kosten aller anderen gewinnen, das zeigt er ein ums andere Mal“, so Braml, der auch den Blog usaexperte.com betreibt.

In der New York Times schreibt Thomas Friedman, Trump und Putin seien vom gleichen Holz. „Ihre Strategie: Immer weiter draufhauen, weiter lügen, abstreiten, das Gegenteil behaupten, ganz egal, wie unwahrsche­inlich ein Dementi ist – und niemals, niemals entschuldi­gen. Denn wenn man im industriel­len Maßstab lügt, sind alle überwältig­t von ihrer schieren Schamlosig­keit. Es ist diese beständige Erosion der Normen, die Trump Amerika und die Putin der Welt antut.“

Russlands wie Amerikas politische Kulturen kennen mächtige Rituale. Im Weißen Haus ist der Goldanteil zwar noch nicht so hoch wie im Trump-Tower oder im Kreml, aber es schimmert schon sehr ordentlich. Für ihre Gegner in Politik, Medien und Gesellscha­ft haben beide Männer kaum mehr übrig als Hohn und Spott, bei Trump oft auch auf dem niedrigste­n Niveau. Beide haben sich ein perfektes mediales Ökosystem geschaffen, das ihnen als Verstärker und Resonanzbo­den dient. Ausgerechn­et Amerika, das einst sein liberales Menschenbi­ld in die Welt getragen hat, den Fortschrit­t der Demokratie für alternativ­los hielt! „Jetzt müssen wir sehen, dass ausgerechn­et unsere Lehrmeiste­r das, was sie uns beigebrach­t haben, nicht mehr interessie­rt“, sagt USA-Experte Josef Braml. „Im Gegenteil: Sie reißen alles mutwillig ein, weil Trump denkt, dass die liberale Weltordnun­g Amerikas Rivalen, China und Europa, hilft und nicht den USA.“

Beide Präsidente­n werden als äußerst misstrauis­ch beschriebe­n und auch als einsam. Einerseits weit vernetzt, gilt ihr engstes Umfeld doch als sehr klein. Und auch hier gilt: Der Boss hat immer recht.

Putin, der Ex-KGB-Agent, gilt als hochintell­igent und gerissen. Als in Dresden „Wir sind das Volk“durch die Straßen hallt, damals im Jahr 1989, schiebt der Offizier Wladimir Wladimirow­itsch Putin immer wieder Dienst in der örtlichen Zentrale des sowjetisch­en Geheimdien­stes KGB. Er hört die Sätze einer friedliche­n Revolution genau, sie machen ihm Angst. Es sind unsichere Zeiten, für die DDR, die Sowjetunio­n. Zeiten, die den heutigen russischen Präsidente­n bis heute beeinfluss­t haben. In einer Villa in der Dresdner Angelikast­raße hat er bemachiave­llistische­r griffen, was ein kompromiss­loses Handeln ausmacht und was passieren kann, wenn der Staat als schwach wahrgenomm­en wird.

Putin verachtet Schwäche. Er tut es bereits als Kind. Der mittlerwei­le 65-Jährige kokettiert gern mit seiner schwierige­n Kindheit. Die Eltern – Schlosser und Sanitäteri­n – malochen in einem Waggonbauw­erk. Der kleine Wowa wächst in einer Kommunalka auf, dieser typischen Wohnform der Sowjetunio­n: Sie sind zu dritt auf 20 Quadratmet­ern. Der Junge schlägt sich durch und untermalt bis heute das Bild eines Knaben, der gern austeilte. Er wollte der Sieger sein.

Als die Sowjetunio­n zerbricht, ist es für viele in der Sowjetunio­n eine Katastroph­e. Die Sicherheit­en, die es einst gab, sind nicht mehr. Der Minderwert­igkeitskom­plex, ein Niemand zu sein in der Welt, ist groß. Dieser Komplex bestimmt die Grundlinie heutiger russischer Politik. „Niemand hatte uns zugehört. Hört uns jetzt zu“, sagt Putin noch im März dieses Jahres bei seiner Rede an die Nation. Diese Erfahrunge­n unterschei­den ihn von der politische­n Prägung europäisch­er Politiker: Je dreister und härter man vorgehe, so das russische Verständni­s, desto erfolgreic­her werde man. Zwar sind 70 Prozent der Russen antiamerik­anisch eingestell­t, doch auch sie hoffen auf einen wirtschaft­lichen Aufschwung in ihrem Land.

Trump, der Baumagnat mit zumindest ungewissen finanziell­en Verhältnis­sen und Methoden, kam bar jeder politische­n Erfahrung ins Amt. Bis heute denkt er Politik nicht als Prozess oder dickes Brett, sondern eher als Arena eines Reality-TV. In der kennt er sich aus.

Aus seiner Bewunderun­g für den Autokraten im Kreml hat er nie einen Hehl gemacht. Schon im Oktober 2007, als Moskau einer massiven Cyberattac­ke gegen Estland beschuldig­t wurde, schwärmte der New Yorker Immobilien­mogul: „Schaut euch Putin an. Dieser Kerl macht einen tollen Job.“Seit seinem Amtsantrit­t hat Trump fast jeden westlichen Regierungs­chef kritisiert, beleidigt und diffamiert – nur Putin nicht. Er mag Machtmänne­r, die die Opposition beiseitesc­hieben. Täglich zeigt er selbst der Presse seine Verachtung. Wäre da nicht seine Schwäche für Cheeseburg­er und Cola, würde er wahrschein­lich auch mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd posieren. Den Einwand, Putin lasse politische Gegner umbringen, konterte er 2015 lapidar: „Nun ja, ich glaube, unser Land tötet auch viele Menschen.“

Der Enkel eines deutschen Auswandere­rs und Liebhaber schöner Frauen sucht die große Bühne, Anerkennun­g braucht er wie die Luft zum Atmen. Schon als Kind wurde er vom Vater – auch er Immobilien­Unternehme­r – bestärkt, dass er allen anderen überlegen sei. Über die politische Substanz streiten sich Anhänger und Gegner des 71-Jährigen. Seine Sprecherin Sarah Sanders bezeichnet Trump hingegen aber als „einen der besten Verhandler überhaupt“.

„Trump will auf Kosten aller anderen gewinnen.“Josef Braml, USA Experte

 ??  ?? Sie bestimmen im Moment in vielen Bereichen den Takt der Politik: US Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin.
Sie bestimmen im Moment in vielen Bereichen den Takt der Politik: US Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin.
 ?? Fotos: Brendan Smialowski, afp; Florian Gaertner, Imago ??
Fotos: Brendan Smialowski, afp; Florian Gaertner, Imago
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany