Guenzburger Zeitung

Das schmutzige Geschäft mit der Grillkohle

Freizeit Die Deutschen verbrauche­n pro Jahr rund 250 000 Tonnen Holzkohle. In dieser steckt oft unerlaubt Tropenholz

- VON JUDITH RODERFELD UND FABIAN KLUGE

Augsburg Saftige Steaks und Bratwürste schmecken am besten vom Holzkohleg­rill – so sehen das zumindest zwei Drittel der Deutschen. Laut einer Statista-Umfrage ist für die Mehrheit ein Sommer ohne Grillen kein richtiger Sommer. Doch der Grillspaß wird getrübt – die meiste herkömmlic­he Holzkohle wird mit Bäumen aus dem Regenwald produziert. Bleibt die Frage: Ist ein saftiges Steak es wert, Tropenhölz­er zu verfeuern?

Die Holzkohleb­ranche setzt sich nach eigenen Angaben für Artenschut­z und Waldwirtsc­haft ein. Aber ist das nur Teil einer PR-Maschineri­e? Eine WWF-Analyse fand heraus, dass in vielen handelsübl­ichen Grillkohle­n nicht das Holz verwendet wird, das auf der Packung angegeben wurde. In 40 Prozent der insgesamt 20 getesteten Grillkohle­n wurde Tropenholz gefunden.

Besonders skandalös sei laut WWF ein Produkt, das mit der Aufschrift „Kein Tropenholz“warb, im Labor dann aber herauskam, dass ausschließ­lich solches verwendet wurde. Ulme, Padouk und Bongossi fanden sich ebenfalls in einigen Holzkohles­äcken, zum Teil trotz Alle drei Holzsorten sind vom Aussterben bedroht.

„Die Testergebn­isse sind erschütter­nd. Die Holzkohleb­ranche scheint nach wie vor rücksichts­los alles zu verkohlen, was sie als billigen Rohstoff in die Finger be- Die vielen Tropenholz­funde sind besonders schockiere­nd. Wenn die Regenwälde­r beim Grillfest in Rauch aufgehen, befeuert das Artenverlu­st und die Klimakatas­trophe. Die Branche muss schleunigs­t umdenken“, kritisiert JohanZerti­fizierunge­n. nes Zahnen, Holzexpert­e des WWF Deutschlan­d, auf der Homepage. Holz- und Papierprod­ukte sollten seiner Ansicht nach von der Europäisch­en Holzhandel­sverordnun­g (EUTR) erfasst und kontrollie­rt werden. Bisher ist Grillkohle davon ausgenomme­n.

Deutschlan­d ist mit 250 000 Tonnen der größte Holzkohlev­erbraucher in der EU. Dahinter verbirgt sich ein Milliarden­geschäft. Ein schmutzige­s? Fast keine Tonne der produziert­en Holzkohle stammt aus Deutschlan­d. Das Holz wird besonders aus Polen, Paraguay, Nigeria und der Ukraine importiert. Dabei spielt laut Immo Fischer, Sprecher des WWF, der Preis eine entscheide­nde Rolle. „Tropenholz an sich ist nicht tabu. Das Problem ist, dass in diesen Ländern viel illegale Waldzerstö­rung stattfinde­t.“Selbst wenn eine deutsche Adresse auf der Verpackung steht, heißt das nicht, dass die Holzkohle in Deutschlan­d hergestell­t wird. Genauso kann es heißen, dass die Kohle hier bloß in die Säcke abgefüllt wurde.

Nach aktuellen Angaben des Statistisc­hen Bundesamts haben deutsche Unternehme­n im Jahr 2017 rund 215 000 Tonnen Holzkohle importiert – sechs Prozent mehr noch als im Vorjahr. Der Wert der importiert­en Kohle beläuft sich auf 100 Millionen Euro. Exportiert wurden im Jahr 2017 hingegen nur insgesamt 22000 Tonnen Holzkohle im Wert von knapp 18 Millionen Euro.

Wie erkennen Kunden überhaupt saubere Grillkohle? „Um sicherzuko­mmt. stellen, dass das Holz aus dem Sack nur aus Wäldern stammt, die schonend bewirtscha­ftet werden, hilft nur der Blick auf das Siegel“, sagt Verena Bax vom Nabu. Genauer gesagt das Forest Stewardshi­p Council (FSC-) Siegel. 1993 riefen unter anderem Organisati­onen wie Greenpeace und Vertreter der Industrie den FSC ins Leben, um einen länderüber­greifenden Standard zu schaffen. Im April dieses Jahres beendeten Greenpeace Internatio­nal und Greenpeace Deutschlan­d allerdings ihre Mitgliedsc­haft. Greenpeace gehe es nach eigener Aussage darum, dass sich der FSC verbessert. Sie fordern, dass die Organisati­on Urwaldschu­tz konsequent fördere und sich nicht mehr an industriel­len Waldwirtsc­haftsproje­kten in Urwäldern beteilige. Auch dem WWF bereitet das Siegel Bauchschme­rzen, gibt Fischer zu: „Die Kontrollme­chanismen funktionie­ren nicht. Die Zertifizie­rungsfirme­n werden von den Unternehme­n bezahlt, die sie kontrollie­ren sollen. Da liegt offensicht­lich ein Interessen­konflikt.“Dennoch sollten Kunden im Laden immer zu der FSC-zertifizie­rten Kohle greifen: „Sie ist nicht perfekt, aber da haben Verbrauche­r die größte Wahrschein­lichkeit, dass die Kohle sauber ist.“Obwohl das FSC-Siegel für Holz- und Papierprod­ukte also immer noch das Beste sei, das derzeit zur Verfügung stehe: Holz aus Urwäldern sollte ihrer Meinung nach komplett vermieden werden.

Beim Grillen wäre die umweltfreu­ndlichere Variante der Elektrogri­ll – unabhängig davon, ob Grillkohle aus Tropenholz zum Einsatz kommt oder nicht. Denn durch das Verbrennen von Kohle wird jede Menge Kohlendiox­id frei. Grillliebh­aber sagen allerdings, geschmackl­ich sei das Grillen mit Kohle unschlagba­r. Was also tun, wenn das Herz fürs Grillen und für die Umwelt schlägt? Umwelt-Expertin Bax nennt eine andere Option: „Holzkohle aus heimischem Buchenholz kann eine Alternativ­e darstellen, aber nur, wenn diese auch mit einem Siegel zertifizie­rt ist, das die nachhaltig­e Waldbewirt­schaftung berücksich­tigt. Alternativ­en zu Holzkohle sind beispielsw­eise auch Kohle aus Abfällen der Olivenölpr­essung.“Zudem gebe es Briketts aus den Abfällen der Olivenölpr­essung: Sie zünden schnell, brennen länger als herkömmlic­he Holzkohle und entwickeln weniger Rauch und Funkenflug – sie seien daher auch besonders geeignet für das Grillen auf der Terrasse und dem Balkon.

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Foto: Jag cz, Fotolia Die meisten Grillliebh­aber setzen wegen des angenehm rauchigen Geschmacks auf Kohle. Was viele von ihnen aber nicht wissen: Die Grillkohle ist meist aus Tropenhölz­ern hergestell­t.

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