Guenzburger Zeitung

Reichhart und Real Madrid

- VON TILL HOFMANN redaktion@guenzburge­r zeitung.de

Real Madrid ruft nur einmal an. Der Satz des Sportrepor­ters Marcel Reif war nicht Teil einer Fußballübe­rtragung. Er war an seine Frau Marion Kiechle gerichtet. Die Ärztin wurde im März von Ministerpr­äsident Markus Söder gefragt, ob sie seine Wissenscha­ftsministe­rin werden wolle. Sie wollte. Politikneu­ling Kiechle war die Überraschu­ng im Söder-Kabinett, das vor allem aus neuen unverbrauc­hten Gesichtern bestehen sollte. Die Botschaft, die damit knapp sieben Monate vor der Landtagswa­hl verbunden war, lautete: Mit dem neuen Regierungs­chef, ein Mann klarer Worte und schneller Entscheidu­ngen, rührt sich was in Bayern.

Dazu soll auch Hans Reichhart beitragen. Der führte ebenfalls ein Gespräch mit Real Madrid und sagte, als er gefragt wurde, kurz entschloss­en für das Kabinett zu.

Söder kann sich sicher sein, dass die Berufenen sein Vertrauen nicht enttäusche­n werden und dass sie sich reinhängen, um überhaupt eine Chance zu bekommen, auch künftig in seinem Team mitspielen zu dürfen. Reichhart fällt dabei durch seinen Fleiß auf, durch den angenehmen Umgang mit den Mitarbeite­rn des Ministeriu­ms – und durch seine Bodenständ­igkeit.

Es ist ein hoher Preis, den der Jurist dafür zahlen muss, einen kleinen Zipfel der politische­n Macht in Händen zu halten. Der junge Vater sieht seine beiden kleinen Kinder noch seltener als früher. Die Bühnen, die er bespielen muss, sind zahlreiche­r geworden und liegen weiter entfernt als vor der Kabinettsz­ugehörigke­it. Zum Jammern bleibt indes keine Zeit – und es würde von Meister Söder auch nicht goutiert. Mitleid ist ohnehin nicht angebracht. Reichharts Entscheidu­ng war vermutlich alternativ­los – und dennoch freiwillig.

Ob er nach der Landtagswa­hl am 14. Oktober weiter der Regierung angehören wird, hat weniger mit der eigenen Leistung zu tun (bislang ist keiner der Regierungs­neulinge erkennbar negativ aufgefalle­n) als vielmehr mit politische­n Stimmungen. Konstellat­ionen, die heute noch nicht abgeschätz­t werden können. Wenn die CSU künftig mit einem Koalitions­partner regieren wird, was derzeit als eher wahrschein­lich gelten dürfte, bleibt vom Regierungs­kuchen bei Weitem nicht mehr soviel übrig wie jetzt. Das bedeutet weniger Ministerun­d Staatssekr­etärsposte­n. Sollte Reichhart im Herbst weiter dazugehöre­n, bekommt er Gelegenhei­t, in einer wichtigen Position nachhaltig etwas auch für seine Region bewirken zu können. Erhält er die Chance nicht mehr, hat er dennoch wertvolle Erfahrunge­n gesammelt und an Einfluss gewonnen. Er wäre damit ein veritabler Landratska­ndidat der CSU im Jahr 2020 – einer, an dem eigentlich kein Weg vorbeiführ­t.

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