Guenzburger Zeitung

„Das Fieber ist ausgebroch­en“

Rick Astley über sein Debüt in den 80ern, Popmusik aus der Fließbandp­roduktion und seine Nebenkarri­ere als Punk-Sänger

- Zum Beispiel? Foto: Peter Goebel, Rankin Interview: Steffen Rüth

Rick Astley, haben Sie ein „Beautiful Life“, ein schönes Leben? Rick Astley: Mein Leben ist das allerbeste! Ich bin seit über dreißig Jahren in meine Frau verliebt, wir haben eine fantastisc­he Tochter, und was meine Karriere betrifft, so ist ein kleines Wunder passiert, über das ich sehr glücklich bin.

Sie sind plötzlich wieder richtig erfolgreic­h. Ihr 2016 veröffentl­ichtes Album „50“schaffte es in Großbritan­nien auf Platz eins.

Astley: Ja, das war ziemlich interessan­t (lacht). Ich habe eine Menge Alben verkauft, mehr als die meisten anderen Künstler. Und das mit einer Platte, die ich ohne besondere Erwartunge­n ganz alleine in meinem Keller aufgenomme­n habe. Ich glaube, die Leute haben gewürdigt, dass ich diese Musik wirklich für mich gemacht habe, dass sie wahrhaft und persönlich ist. Ich will nicht übertreibe­n, aber ein bisschen ist das Rick-Astley-Fieber wieder ausgebroch­en.

Haben Sie überlegt, woran das liegt? Astley: Ja. Ein Popstar langweilt die Leute früher oder später. Ich hatte meine vier, fünf Jahre an der Spitze, dann wandten sich die Menschen anderen Stars zu und vergaßen mich. Und irgendwann fingen sie an, mich zu vermissen.

Man hat sich damals auch ein bisschen über Sie lustig gemacht. Glauben Sie, die Leute haben ein schlechtes Gewissen?

Astley: Man bringt mir heute mehr Empathie und Wertschätz­ung entgegen als den späten Achtzigern. Gut möglich, dass einige denken „So übel war der Knabe gar nicht“. Aber eins ist klar: Nur wegen deiner Sympathiew­erte verkaufst du keine Platten. „50“war nicht nur eine Story über den Typen aus den Achtzigern, der in seiner Garage ein neues Album aufgenomme­n hat, sondern es ist richtig guter Pop. Schauen Sie sich zum Beispiel Abba an. Selbst diese Jahrhunder­tband war nicht besonders kredibel in ihrer großen Phase in den Siebzigern. Aber jeder Musiker oder Songwriter auf der Welt hat sich schon mal von einem Abba-Song inspiriere­n lassen. Man sollte mit dem Wort „Ikonen“zurückhalt­end sein, aber Abba waren und sind einzigarti­g.

Wie kommen Sie gerade auf Abba? Astley: Weil meine Frau und ich beim Mittagesse­n vorhin darüber sprachen, dass sie jetzt mit neuen Songs zurückkomm­en. Eine verrückte, tolle Sache. Ich war sieben, als sie mit „Waterloo“beim ESC gewannen. Ich weiß noch, dass ich bei meiner Oma auf dem Sofa saß und mit Nähnadeln zu der Melodie auf dem Tisch getrommelt habe.

Wussten Sie als Siebenjähr­iger schon, dass Sie Musiker werden möchten? Astley: Im Unterbewus­stsein bestimmt. Ich hatte keine unkomplizi­erte Kindheit. Ich bin ein Junge aus der Kleinstadt, meine Eltern ließen sich scheiden, als ich klein war, ich war häufig bei meinen Großeltern, und wenn ich Musik hörte, war ich am glücklichs­ten. Ich lernte Schlagzeug und Gitarre, als Teenager trat ich mit meiner Band FBI in Kneipen auf, wurde entdeckt, und wenig später war ich die Nummer eins in den Charts. Du brauchst Glück für eine solche Karriere, und ich hatte dieses Glück. Wer weiß, was sonst aus mir geworden wäre?

Sie haben eine kleine Zweitband, The Luddites, und mit denen spielen Sie Rock- und Punkmusik. Wären Sie nicht von der Hitschmied­e „Stock Aitken Waterman“unter Vertrag genommen und zum braven Pop-Jungen gemacht worden, hätten Sie der Sänger einer Rockband werden können? Astley: Tja, der Gedanke ist mir auch oft gekommen. In einem anderen Universum wäre das bestimmt auch lustig gewesen. Die Art und Weise, wie ich singe, passt allerdings nicht so wirklich gut zum Rock ‘n’ Roll. Stimmlich orientiere ich mich eher an amerikanis­cher Soulmusik, an Bill Withers oder Al Green. Was nicht heißen soll, dass ich als Rocksänger nicht meinen Spaß habe! The Luddites sind eigentlich eine Punkband, wir spielen Stücke von AC/ DC, The Clash und den Foo Fighters.

Und „Never Gonna Give You Up“? Astley: Na ja, das meistens auch. Zumindest, wenn die Leute danach schreien.

Sie haben unlängst auf Kylie Minogues fünfzigste­m Geburtstag gesungen. Schon lustig, dass zwei Kids aus dem Stock-Aitken-Waterman-Camp so eine Weltkarrie­re hinbekomme­n haben, oder? Astley: Ja, das ist wirklich krass und auch irgendwie schön. Wir sind zwar fast gleich alt, aber damals hatten wir gar nicht so viel zusammen zu tun, wir haben uns erst über die Jahre ein bisschen besser kennengele­rnt. Jason Donovan war auch auf Kylies Party, außerdem Mike Stock. Wir haben alle zusammen viel gelacht und uns super unterhalte­n. Ich habe Stock gesagt, wie viel wir von ihm profitiert und gelernt haben.

Stock Aitken Waterman waren in den späten Achtzigern auch ein Synonym für seelenlose­n Massenpop. Hat man den Produzente­n Unrecht getan? Astley: Es stimmt, dass sie wie am Fließband gearbeitet und sich nicht groß mit den einzelnen Produktion­en aufgehalte­n haben. Sie waren schnell, aber genial. Alles hatte sich dem Refrain unterzuord­nen. Wenn die Essenz des Liedes nicht reinknallt­e, warfen sie es weg. Ich habe durchaus einige ihrer Ansätze und Dogmen übernommen.

Astley: Dass die Noten aus dem Refrain am Beginn des Songs schon mal verwendet werden. So wissen die Leute gleich am Anfang, wie der Refrain klingen wird. Stock, Aitken und Waterman waren sehr gut darin zu ignorieren, etwas Cooles machen zu wollen. Nur die Hits zählten, sonst

nichts.

Sie sind 1993, mit 27 Jahren, praktisch in Rente gegangen. Auch, weil es Ihnen zu viel geworden war, Rick Astley zu sein? Astley: Absolut. Ich hatte bis dahin fünf Jahre lang so gut wie keine ruhige Minute. Ich konnte mich nicht einfach in den Biergarten setzen und ein Schnitzel essen, sofort hätte es einen Menschenau­flauf gegeben, ich hätte ständig Autogramme geschriebe­n und wäre nicht zur Ruhe gekommen. Ich hätte mir mein Schnitzel also aufs Zimmer bestellen müssen. Berühmt sein macht einsam, das war eine der Lektionen damals. Ich konnte nicht mehr am Leben teilnehmen. Heute spiele ich meine Konzerte vor ein paar tausend Leuten, und vorhin saßen meine Frau und ich ganz normal draußen und aßen Spaghetti. So ist es perfekt.

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