CO2 raubt Nährstoffe
Pflanzen speichern weniger Eisen und Zink. Es drohen Mangelversorgung und Krankheiten
Der Anstieg von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre bringt viele negative Auswirkungen mit sich. Dazu gehören Klimawandel und Naturkatastrophen. Wissenschaftler der Stanford University im US-Staat Kalifornien machten nun eine weitere Folge aus: Der Nährstoffgehalt von Getreide nimmt ab. Das mag im ersten Moment weniger bedrohlich als ein globales Wetter-Chaos klingen. Doch die Wissenschaftler zeigen: Die Folgen könnten verheerend sein.
Das Vorgehen der Forscher gliedert sich in mehrere Teile. Sie untersuchten zunächst, wie sich ein erhöhter Kohlenstoffdioxid-Wert in der Luft auf Getreide auswirkt. Dazu zogen sie Klimadaten heran, in denen die Steigerung des klimaschädlichen Gases protokolliert wird. Zusätzlich zogen sie Daten des US Department of Agriculture heran, das den Nährstoff-Gehalt mit dem Kohlenstoffdioxid-Wert vergleicht. Ausgehend von diesen Daten erstellten die Forscher ein Modell für den Zeitraum von 2015 bis 2020. Ihr Ergebnis: Der Gehalt von Zink und Eisen im Getreide wird um bis zu zehn Prozent abnehmen. Das betrifft nicht nur Weizen und Gerste – auch Mais und Reis, die einen großen Teil der Weltbevölkerung ernähren, würden an Nährstoffen verlieren. Das bedeutet: Auch wenn Menschen die gleiche Menge an Lebensmitteln zu sich nehmen, wird ihre Versorgung mit den wertvollen Nährstoffen abnehmen. Das betrifft nicht nur den Verzehr von pflanzlicher Nahrung – auch bei Nutztieren könnte sich der Eisen- und Zinkmangel im Futter bemerkbar machen.
Die Forscher der Stanford University untersuchten darauf, wie sich dieser Mangel auf die Gesundheit auswirkt. Als Rechengrundlage verwendeten sie Lebensjahre, die Menschen durch die weniger reichhaltige Nahrung verlieren. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Menschheit allein durch diesen Eisenund Zinkmangel bis zum Jahr 2050 knapp 1,1 Milliarden Jahre Lebenszeit verlieren wird. Die gesundheitlichen Folgen der Mangelernährung sind nämlich bedenklich. Ein Mangel der Nahrungsbestandteile macht anfällig für Durchfallkrankheiten und Blutarmut – in Ländern mit schlechter medizinischer Versorgung kann das ein Todesurteil sein.
Die Auswirkungen werden laut Angaben der Forscher auf der gesamten Welt zu spüren sein. Besonders hart trifft es ihrem Modell zufolge allerdings den afrikanischen Kontinent. Gerade in Ländern wie Mali, Niger und Nigeria werden die gesundheitlichen Folgen am stärksten zu spüren sein. Aber auch Indien gehört in diese Kategorie. Das heute schon dicht bevölkerte Land wird nach Schätzungen des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung mit mehr als 1,5 Milliarden Einwohnern China als bisher bevölkerungsreichstes Land ablösen. Auch Europa und die USA werden die Auswirkungen des Nährstoffmangels zu spüren bekommen. Im Modell der Wissenschaftler gibt es nur wenige Regionen, die leicht betroffen sein werden – dazu gehören Kanada, Osteuropa, Russland und Teile Südamerikas.
Nicht eingerechnet haben die Wissenschaftler die Ernteausfälle, die der Klimawandel mit sich bringt. Derzeit zeigt sich dieses Problem sogar in Deutschland. Bundesländer im Osten litten unter einer der schlimmsten Trockenperioden der vergangenen Jahrzehnte. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, geht laut einer Mittelung von einem Ernteausfall von mehr als sechs Millionen Tonnen aus. Doch am schwersten treffen die Ernteausfälle Menschen, die jetzt schon unter Hunger leiden. Die Welthungerhilfe geht davon aus, dass in Ländern wie dem Südsudan, Nigeria, Somalia und dem Jemen Hungersnöte drohen.
Aber lassen sich Maßnahmen treffen, damit die düstere Prognose der Stanford-Wissenschaftler nicht eintritt? Ja, sagen sie selbst. Allerdings liege der Weg zur Lösung nicht in Nahrungsergänzungsmitteln. Solche Additive könnten Mangelerscheinungen zwar ausgleichen, allerdings ist die Verteilung gerade in ländlich strukturierten Gebieten schwierig. Die Wissenschaftler fordern daher, dass die Klimaziele des Pariser Abkommens eingehalten werden. Die Vereinbarung legt fest, dass die Durchschnittstemperatur nicht um mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter steigen darf – was bedeutet, dass der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß reduziert werden muss. Allerdings haben die USA bereits ihren Austritt aus dem Abkommen angekündigt – Experten zweifeln inzwischen daran, ob sich die Ziele noch erfüllen lassen.
Die Menschheit verliert durch den Mangel knapp 1,1 Milliarden Lebensjahre