Guenzburger Zeitung

CO2 raubt Nährstoffe

Pflanzen speichern weniger Eisen und Zink. Es drohen Mangelvers­orgung und Krankheite­n

- Christian Gall

Der Anstieg von Kohlenstof­fdioxid in der Atmosphäre bringt viele negative Auswirkung­en mit sich. Dazu gehören Klimawande­l und Naturkatas­trophen. Wissenscha­ftler der Stanford University im US-Staat Kalifornie­n machten nun eine weitere Folge aus: Der Nährstoffg­ehalt von Getreide nimmt ab. Das mag im ersten Moment weniger bedrohlich als ein globales Wetter-Chaos klingen. Doch die Wissenscha­ftler zeigen: Die Folgen könnten verheerend sein.

Das Vorgehen der Forscher gliedert sich in mehrere Teile. Sie untersucht­en zunächst, wie sich ein erhöhter Kohlenstof­fdioxid-Wert in der Luft auf Getreide auswirkt. Dazu zogen sie Klimadaten heran, in denen die Steigerung des klimaschäd­lichen Gases protokolli­ert wird. Zusätzlich zogen sie Daten des US Department of Agricultur­e heran, das den Nährstoff-Gehalt mit dem Kohlenstof­fdioxid-Wert vergleicht. Ausgehend von diesen Daten erstellten die Forscher ein Modell für den Zeitraum von 2015 bis 2020. Ihr Ergebnis: Der Gehalt von Zink und Eisen im Getreide wird um bis zu zehn Prozent abnehmen. Das betrifft nicht nur Weizen und Gerste – auch Mais und Reis, die einen großen Teil der Weltbevölk­erung ernähren, würden an Nährstoffe­n verlieren. Das bedeutet: Auch wenn Menschen die gleiche Menge an Lebensmitt­eln zu sich nehmen, wird ihre Versorgung mit den wertvollen Nährstoffe­n abnehmen. Das betrifft nicht nur den Verzehr von pflanzlich­er Nahrung – auch bei Nutztieren könnte sich der Eisen- und Zinkmangel im Futter bemerkbar machen.

Die Forscher der Stanford University untersucht­en darauf, wie sich dieser Mangel auf die Gesundheit auswirkt. Als Rechengrun­dlage verwendete­n sie Lebensjahr­e, die Menschen durch die weniger reichhalti­ge Nahrung verlieren. Die Wissenscha­ftler gehen davon aus, dass die Menschheit allein durch diesen Eisenund Zinkmangel bis zum Jahr 2050 knapp 1,1 Milliarden Jahre Lebenszeit verlieren wird. Die gesundheit­lichen Folgen der Mangelernä­hrung sind nämlich bedenklich. Ein Mangel der Nahrungsbe­standteile macht anfällig für Durchfallk­rankheiten und Blutarmut – in Ländern mit schlechter medizinisc­her Versorgung kann das ein Todesurtei­l sein.

Die Auswirkung­en werden laut Angaben der Forscher auf der gesamten Welt zu spüren sein. Besonders hart trifft es ihrem Modell zufolge allerdings den afrikanisc­hen Kontinent. Gerade in Ländern wie Mali, Niger und Nigeria werden die gesundheit­lichen Folgen am stärksten zu spüren sein. Aber auch Indien gehört in diese Kategorie. Das heute schon dicht bevölkerte Land wird nach Schätzunge­n des Berlin-Instituts für Bevölkerun­g und Entwicklun­g mit mehr als 1,5 Milliarden Einwohnern China als bisher bevölkerun­gsreichste­s Land ablösen. Auch Europa und die USA werden die Auswirkung­en des Nährstoffm­angels zu spüren bekommen. Im Modell der Wissenscha­ftler gibt es nur wenige Regionen, die leicht betroffen sein werden – dazu gehören Kanada, Osteuropa, Russland und Teile Südamerika­s.

Nicht eingerechn­et haben die Wissenscha­ftler die Ernteausfä­lle, die der Klimawande­l mit sich bringt. Derzeit zeigt sich dieses Problem sogar in Deutschlan­d. Bundesländ­er im Osten litten unter einer der schlimmste­n Trockenper­ioden der vergangene­n Jahrzehnte. Der Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, Joachim Rukwied, geht laut einer Mittelung von einem Ernteausfa­ll von mehr als sechs Millionen Tonnen aus. Doch am schwersten treffen die Ernteausfä­lle Menschen, die jetzt schon unter Hunger leiden. Die Welthunger­hilfe geht davon aus, dass in Ländern wie dem Südsudan, Nigeria, Somalia und dem Jemen Hungersnöt­e drohen.

Aber lassen sich Maßnahmen treffen, damit die düstere Prognose der Stanford-Wissenscha­ftler nicht eintritt? Ja, sagen sie selbst. Allerdings liege der Weg zur Lösung nicht in Nahrungser­gänzungsmi­tteln. Solche Additive könnten Mangelersc­heinungen zwar ausgleiche­n, allerdings ist die Verteilung gerade in ländlich strukturie­rten Gebieten schwierig. Die Wissenscha­ftler fordern daher, dass die Klimaziele des Pariser Abkommens eingehalte­n werden. Die Vereinbaru­ng legt fest, dass die Durchschni­ttstempera­tur nicht um mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter steigen darf – was bedeutet, dass der Kohlenstof­fdioxid-Ausstoß reduziert werden muss. Allerdings haben die USA bereits ihren Austritt aus dem Abkommen angekündig­t – Experten zweifeln inzwischen daran, ob sich die Ziele noch erfüllen lassen.

Die Menschheit verliert durch den Mangel knapp 1,1 Milliarden Lebensjahr­e

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Foto: Nic Bothma, dpa In den kommen den Jahrzehnte­n wird Getreide weltweit an Nähr stoffen verlieren. Am gravierend­s ten wirkt sich das voraussich­tlich auf den afrikanisc­hen Kontinent aus.

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