Eine WM zum Wohlfühlen
Kim Young-gwon und Son Heung-min sind wir zu Dank verpflichtet. Gut, das gilt nicht für jenen unseligen 27. Juni, als die beiden Torschützen Südkoreas die hochgepriesenen und tief gefallenen deutschen Elitekicker vorführten. Aber danach sind wir doch alle fließend in einen Entspanntheitsmodus eingetaucht, den wir bis dahin nicht für möglich gehalten hätten. Niemand musste sich mehr abhetzen, um rechtzeitig seinen Schreibtisch oder seine Werkbank zu verlassen für ein Plätzchen vor der Großbildleinwand.
Keiner brauchte in den nachfolgenden Finalrunden zu befürchten, mit Schweißausbrüchen, plötzlich steigendem Blutdruck und Herzrasen zu reagieren, weil die DFB-Pannentruppe trotz geringer Laufleistung, dafür aber mit einer beachtlichen Anzahl an Fehlpässen weiter und weiter in bekannte Fußball-Galaxien vordringt.
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland wurde auch im Landkreis Günzburg zur WM der Beiläufigkeit. aber kein
Und so hatten manche Zeitgenossen plötzlich sogar Zeit für Ausflüge oder eine abendliche Runde auf dem Fahrrad. Und manchmal soll diese Zeitgutschrift sogar in ein Schwätzchen mit der Ehefrau investiert worden sein.
Die Tiefenentspannung ist in der Region so groß gewesen, dass Zeit irgendwie relativ geworden ist. So bot am Samstag ein Günzburger Restaurant die Übertragung des kleinen Finales um 20 Uhr an. Dass bereits vier Stunden zuvor Anpfiff war, wen stört’s? Alles fließt.
Natürlich gibt es auch Verlierer: Das sind beispielsweise die Gastwirte, die die Katze im Sack kaufen mussten in Form üppiger Lizenzgebühren für die TV-Übertragungen – und das ganz unabhängig vom Abschneiden der deutschen Nationalelf.
Doppelte Verlierer sind die Sportfachhändler, deren DFBTrikots sich über Nacht in Ladenhüter verwandelten, während die Nachfrage nach kroatischen Spielerleibchen auch in Günzburg und Umgebung zuletzt deutlich über dem Angebot lag.
Am besten wird sein, einen Haken dran zu machen – und die nationale Fußballbrille wieder aufzusetzen in der Gewissheit, dass in 39 Tagen die Bundesliga wieder beginnt. Jesus musste länger in der Wüste ausharren.