So teuer ist ein Pflegeheim
Oft muss es schnell gehen mit dem Platz in einer Senioreneinrichtung. Welche Kosten dann entstehen, worauf zu achten ist und wie jeder vorsorgen kann
762,81 Euro ist im Schnitt der Eigenanteil Pflege, wurde im Juli gemeldet. Doch das Bundesgesundheitsministerium hat nur den „einrichtungseinheitlichen Eigenanteil“errechnet. Herr Schemm, Sie sind Fachberater für Kranken- und Pflegezusatzversicherung bei der Verbraucherzentrale Bayern, mit 762,81 Euro Eigenanteil im Monat kommt man nicht weit, oder? Stefan Schemm: Nein, das ist nur der durchschnittliche Eigenanteil für die Pflegeleistungen. Allerdings muss man im Pflegeheim ja zusätzlich noch für die Unterkunft und die Verpflegung bezahlen. Außerdem kommen Investitionskosten dazu, also Kosten für die Instandhaltung und Renovierung des Hauses. Das heißt, es sind nie nur die Pflegekosten, die werden zum großen Teil sogar von der sozialen Pflegeversicherung übernommen. Selber tragen muss man die Unterbringungsund die Verpflegungskosten, das sind im Grunde Kosten wie in einem Hotel.
Mit wie viel Eigenanteil muss man im Schnitt in Bayern rechnen, wenn man einen Platz im Pflegeheim braucht? Schemm: Bundesweit wird im Schnitt mit einem Eigenanteil von etwa 1700 Euro gerechnet – und für Bayern passt das auch. Es gibt natürlich auch deutlich teurere Heime.
Was ist denn für den Eigenanteil entscheidend – der Pflegegrad? Schemm: Nein, der Pflegegrad ist hier weniger wichtig. Je höher der Pflegegrad, desto mehr übernimmt die Pflegeversicherung an Kosten, weil der Pflegeaufwand dementsprechend höher ist. Der vom Bundesgesundheitsministerium genannte pflegebedingte „einrichtungseinheitliche Eigenanteil“bleibt aber von Pflegegrad II bis Pflegegrad V immer gleich.
Was ist dann entscheidend für die Höhe des Eigenanteils?
Schemm: Der Eigenanteil unterscheidet sich in der Regel schon darin, ob die Einrichtung in einer Großstadt oder auf dem Land ist – meist ist es in der Stadt teurer. Und es gibt natürlich billigere und teurere Heime.
Worauf muss ich noch achten? Schemm: Bei einem neu gebauten Haus muss ich in der Regel mit weniger Investitionskosten rechnen als bei einem älteren. Dann ist es natürlich entscheidend, wie komfortabel das Zimmer ist: wie groß ist es, hat es einen Balkon oder eine Terrasse. Das Problem ist in der Realität allerdings, dass es oft so schnell gehen muss, dass die Betroffenen und ihre Angehörigen nicht viel Zeit zum Vergleichen haben, sondern froh sein müssen, überhaupt einen Platz in einem Heim zu bekommen.
Außerdem kommen doch noch Zuzahlungen zu den Medikamenten als finanzielle Belastung dazu … Schemm: Es ist grundsätzlich so, dass der jährliche Höchstbetrag für die Medikamentenzuzahlung bei zwei Prozent des individuellen Jahresbruttoeinkommens liegt. Auch der Eigenanteil bei einer stationären Behandlung im Krankenhaus oder die Zuzahlung bei häuslicher Krankenpflege sind damit abgedeckt. Für chronisch Kranke, aber auch für Menschen ab Pflegegrad III oder bei Menschen mit einer 60-prozentigen Schwerbehinderung liegt die Belastungsgrenze aktuell bei einem Pro- zent des individuellen Jahresbruttoeinkommens.
Wie soll man vorsorgen?
Schemm: Wenn man rechtzeitig daran denkt und es sich vor allem auch leisten kann, hilft eine Pflegezusatzversicherung schon – und hier kann eine Pflegetagegeldversicherung sinnvoll sein. Man sollte sich mit dem Abschluss aber nicht zu lange Zeit lassen. Je später ich einzahle, desto höher sind meine monatlichen Beitragszahlungen. Andererseits zahle ich natürlich bei frühem Abschluss auch schon in jungen Jahren, wenn das Risiko, pflegebedürftig zu werden, noch eher gering ist.
Wie hoch sind die Beiträge? Schemm: Die Stiftung Warentest hat es als Beispiel einmal für Versicherte mit einem Einstiegsalter von 45 und 55 Jahren ausgerechnet. Wenn ich mit 45 Jahren starte, muss ich im Schnitt mit 60 Euro im Monat rechnen, wenn ich mit 55 Jahren beginne, mit 90 Euro. Man muss allerdings berücksichtigen, dass die Beiträge dann in der Regel weiter steigen, da viele Verträge eine sogenannte Dynamisierungsklausel haben. Dies bedeutet natürlich auch, dass die Pflegeleistungen steigen. Darüber hinaus müssen die Versicherer die Beiträge neu kalkulieren, wenn Einnahmen und Ausgaben in ein gewisses Missverhältnis geraten.
Was sollte bei so einem Vertrag beachtet werden?
Schemm: Wichtig ist es, einen Vertrag zu wählen, der eine Beitragsfreistellung festschreibt. Das heißt, dass ich zumindest ab Pflegegrad II, wenn ich Leistungen beziehe, beitragsfrei bin. Außerdem schließen viele so eine Pflegezusatzversicherung auch ab, damit die Kinder später nicht zur Finanzierung des Pflegeheims herangezogen werden. Dies bedeutet aber, dass man am besten eine Pflegetagegeldversicherung abschließen sollte, die auch die 1600, 1700 Euro abdeckt. Wichtig ist darüber hinaus, wirklich zu überprüfen, ob ich mir so eine Zusatzversicherung langfristig leisten kann. Kann ich die Beiträge eines Tages nicht mehr zahlen, waren die bisher eingezahlten Beiträge umsonst. Es gibt noch eine Pflegerentenversicherung, die eine spätere Rente auszahlt – sie ist aber wesentlich teurer. Daneben gibt es die Pflegekostenversicherung, die zwar etwas günstiger, dafür im Leistungsfall unflexibler ist.
Kann jeder eine Pflegetagegeldversicherung abschließen?
Schemm: Wie bei vielen privaten Versicherungen wird auch bei der Pflegetagegeldversicherung eine Gesundheitsprüfung verlangt. Unter Umständen ist der Versicherung das Risiko zu groß und der Antragsteller wird nicht genommen.
Schemm: Dann habe ich noch die Möglichkeit, eine geförderte Pflegetagegeldversicherung abzuschließen, eine sogenannte Pflege-BahrVersicherung. Hier erhält man auch einen staatlichen Zuschuss von monatlich fünf Euro. So eine PflegeBahr reicht aber definitiv nicht aus, um die Pflegelücke zu schließen. Und auch hier steigen die Beiträge stark an. Die Beiträge müssen bei einer Pflege-Bahr außerdem auch in der Leistungsphase weiter bezahlt werden.
Nun gibt es auch Menschen mit ganz geringer Rente …
Schemm: Wenn das eigene Einkommen und die Leistung der Pflegeversicherung nicht ausreichen, springt unter Umständen das Sozialamt sein. Dafür muss man aber die eigene Bedürftigkeit nachweisen und vorher so gut wie das ganze Vermögen aufbrauchen – es bleibt nur das sogenannte Schonvermögen.
Wer Fragen zur Vorsorge hat und zur Auswahl bei Heimen, wo wird er beraten?
Schemm: Wir als Verbraucherzentrale Bayern beraten, wenn es darum geht, ob und welche Pflegezusatzversicherung wichtig wäre. Wer Hilfe bei der Wahl des richtigen Pflegeheims möchte oder braucht, bekommt Unterstützung in sogenannten Pflegestützpunkten in den Kommunen vor Ort, in der Pflegeberatung oder natürlich bei der Pflegekasse. Info Die Verbraucherzentrale Bayern bie tet mit ihrem Ratgeber „Pflegefall – was tun?“für 16,90 Euro einen Überblick zu Fra gen zur Pflegebedürftigkeit an. Diesen kann man in allen Verbraucherzentralen oder im Internet (www.ratgeber verbraucher zentrale.de) beziehen.