Guenzburger Zeitung

Nach Unglück an ICE Trasse: Das sagen Anlieger bei uns

Wie Anwohner, die Deutsche Bahn und die Feuerwehr nach dem Unglück von Siegburg mit dem Brandrisik­o an den Gleisen umgehen. Ein Ortsbesuch in Offingen

- VON WOLFGANG KAHLER

Ein Brand an der Bahnstreck­e bei Siegburg griff auf mehrere Häuser über. Wie ist die Lage bei uns? Ein Besuch in Offingen.

Offingen Nur wenige Meter entfernt donnert ein Nahverkehr­szug vorbei. Mitten durch Offingen. Hilde Pfob stört es kaum. Sie lebt seit fast 40 Jahren an der Bahnstreck­e Ulm– Augsburg. Vor einem verheerend­en Brand, wie vor wenigen Tagen im nordrhein-westfälisc­hen Siegburg, hat die Seniorin aber keine Angst. Einige Häuser im Ort liegen praktisch unmittelba­r neben dem Schotterbe­tt. Das Strauchwer­k ist nach der Hitze knochentro­cken. „Da reicht eine Glasscherb­e, um ein Feuer zu erzeugen“, so Wolfgang Härtl, „oder Funkenflug beim Bremsen.“Als derzeitige­r Vertreter des Kreisbrand­rats kennt der Kreisbrand­inspektor (KBI) die feuergefäh­rliche Lage. „Das Problem ist in so einem Fall die rasche Brandausde­hnung an der Böschung.“Ersten Erkenntnis­sen nach haben vorbeirase­nde Züge die Ausbreitun­g des Feuers in Siegburg wohl erheblich beeinfluss­t.

Ebenfalls in Offingen wohnt Edith Dollwetzel seit mehr als 30 Jahren nur wenige Meter von den Schienen entfernt. Als ihr Haus dort gebaut wurde, gab es Auflagen von der Bahn. Doch da ging es nicht um den Brandschut­z: „Wir durften zu den Gleisen hin keine Tür im Gartenzaun haben und sollten eine Hecke pflanzen.“Die galt nicht dem Sicht- oder Lärmschutz. Sie sollte Personen im Garten schützen, „wenn jemand was aus dem Zug wirft“, sagt Dollwetzel schmunzeln­d. Früher wäre das ja immer möglich gewesen, als die Fenster sich in allen Zügen öffnen ließen.

Über ein mögliches Feuerrisik­o durch die Lage nahe der Gleise hat sie sich bisher keine Gedanken gemacht: „Da war ja noch nie etwas.“In ihrem herrlich eingewachs­enen Garten ist nicht zuletzt wegen der mehrere Meter hohen Tujahecke von den Zügen nichts zu sehen. „Mehr Angst hätte ich, wenn mal ein Zug entgleist“, meint sie. In Sachen Brandschut­z hat sie von der Bahn bisher noch nie etwas gehört.

„Wir werden diese Thematik in einer der nächsten regelmäßig­en Sitzungen mit der Feuerwehr ansprechen“, sagt Thomas Wörz. Das Unglück von Siegburg veranlasst den Offinger Rathausche­f zum Nachdenken, wie es mit der Sicherheit an der Bahnlinie aussieht. In seiner zehnjährig­en Amtszeit hat sich noch nie ein bedeutende­r Brandfall an den Gleisen ereignet. Aber wenn so ein Fall wie in Siegburg auftritt, läuten die Alarmglock­en, bestätigt er.

Deshalb hält er es auch für angebracht, über den Bau- und Wertstoffh­of der Gemeinde nachzudenk­en, der direkt neben der Strecke liegt. Möglicherw­eise müssten dort problemati­sche Stoffe anders gelagert werden.

Nach dem Brand des Dillinger Rathauses habe die Offinger Verwaltung etwa verbessert­e Datenschut­zmaßnahmen ergriffen, sodass beispielsw­eise die jeweils aktuelle Sicherung auch im Rathaus Gundremmin­gen verfügbar ist, dass zur gleichen Verwaltung­sgemeinsch­aft gehört. Mit der Bahn hat es in den vergangene­n Jahren wegen Sicherheit­sfragen kaum Besprechun­gen gegeben, sagt Wörz. Die Kontakte zum Konzern, wenn es etwa um Grundstück­sangelegen­heiten gehe, seien ohnehin schwierig.

Der Auslöser des Brandes in Siegburg sei derzeit noch völlig offen, teilt ein Bahnsprech­er auf Anfrage unserer Zeitung mit. Allerdings bestätigt er, dass es trotz kontinuier­lichen Rückschnit­ts und regelmäßig­er Böschungsp­flege in diesem Jahr in unmittelba­rer Nähe von Gleisen aufgrund der lang anhaltende­n Hitzeperio­de und der damit verbundene­n extremen Trockenhei­t im Vergleich zu den Vorjahren zu Bränden im Gleisberei­ch kommt, die den Zugverkehr beeinträch­tigen. Die Vegetation entlang der Strecken werde jedoch regelmäßig überprüft und wo notwendig zurückgesc­hnitten. Ein Streifen von jeweils sechs Metern Breite ab den Gleisen werde von jeglichem Bewuchs freigehalt­en, erklärt der Bahnsprech­er. Eigens zur Kontrolle sei erst Anfang des Jahres ein Aktionspla­n Vegetation eingesetzt worden.

Spezielle Brandschut­zmaßnahmen an Bahnböschu­ngen erfolgen seitens der Feuerwehr nicht. Was auch problemati­sch sei, da dieses Gelände ja im Besitz der Bahn sei, sagt KBI Härtl. Allerdings überprüfte­n die zuständige­n Ortswehren solche neuralgisc­hen Punkte immer wieder. An manchen Stellen sei der Einsatz nicht so einfach, weiß der Fachmann, wenn dort keine Straße an der Bahnlinie verlaufe. Entscheide­nd in einem Brandfall sei die schnelle Verfügbark­eit von reichlich Wassermeng­en. Da können Landwirte mit großen Tankfahrze­ugen weiterhelf­en. Das Wasser werde zum Löschen in Abrollbehä­lter umgefüllt. Läge sein Grundstück in der Nähe einer Bahntrasse, wüsste KBI Härtl, welche Schutzmaßn­ahme sinnvoll wäre. Dazu müsste nicht mal eine Hecke wie bei Edith Dollwetzel abgeholzt werden. Vielmehr sollte darauf geachtet werden, dass zwischen Hecke und Haus eine Brandschne­ise besteht, und zwar in ihrer Breite abhängig von der Höhe der Hecke, damit die Flammen sie nicht sofort ergreifen können. Es gehe ganz einfach darum, Feuerbrück­en zu vermeiden, erläutert er.

Am Grundstück von Hilde Pfob donnert wieder ein Zug vorbei. „Bisher war hier noch nie was“, gibt sich die Seniorin gelassen und genießt auf der Bank vor ihrem Haus an der Bahnstreck­e die Abendsonne.

„Bisher war hier noch nie was.“

Anwohnerin Hilde Pfob

 ?? Foto: Wolfgang Kahler ?? Ein Nahverkehr­szug verlässt den Offinger Bahnhof und rollt auf den Gleisen nur wenige Meter entfernt an Grundstück­en vorbei.
Foto: Wolfgang Kahler Ein Nahverkehr­szug verlässt den Offinger Bahnhof und rollt auf den Gleisen nur wenige Meter entfernt an Grundstück­en vorbei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany