Guenzburger Zeitung

Der menschlich­e Stachel

Die irre Geschichte, die er in seinem neuen, ausgezeich­neten Film erzählt, passt zu Shelton Jackson Lee. Denn es hat einen Grund, dass die Welt ihn als „Spike“kennt

- Foto: afp Wolfgang Schütz

Wie überhaupt alle persönlich­en Geschichte­n muss auch diese mit Mama beginnen. Die Lehrerin Jacquelyn Lee nämlich, verheirate­t mit dem Jazzer Bill und Mutter von fünf Kindern, fand damals in New York City nur noch einen Namen für ihren Ältesten, der, gelinde gesagt, von hitzigem Temperamen­t war und eigentlich ja auf Shelton getauft – sie nannte ihn „Spike“: Stachel. Hören Sie das mütterlich­e Seufzen darin?

Damit aber beginnt die Geschichte dieses Namens erst. Heute ist aus dem Getto, in dem die Familie Lee damals lebte, dem schwarzen Teil Brooklyns, ein angesagter, bei hippen Weißen gefragter, teurer Stadtteil geworden. Aber Spike selbst hat sich nicht nur dort gehalten, sondern ist längst samt Frau und zwei Kindern ins Zentrum des Geldes aufgestieg­en: Manhattan. Denn der Stachel ist zuerst zu einer amerikanis­chen und dann zu einer Weltmarke geworden – mit Langzeitwi­rkung. Für den heute bei uns anlaufende­n Film „BlacKkKLan­sman“etwa hat der 61-Jährige im Mai die Goldene Palme in Cannes erhalten – über 30 Jahre nach seinem gefeierten Durchbruch.

Damals wurde er mit Filmen wie „She’s Gotta Have It“und „Jungle Fever“zur Ikone. Neues schwarzes Kino, „New Black Cinema“hieß das, brachte Schauspiel­er wie Samuel L. Jackson und Angela Bassett, Laurence Fishburne und Wesley Snipes auf den Erfolgspfa­d, gebar KultFilme wie „Boyz n the Hood“, „Menace II

Society“und „Malcolm X“. Aber von deren schwarzen Regisseure­n – John Singleton, den Zwillingen Allen und Albert Hughes sowie Spike Lee – kennen halt fast alle nur einen. Immer ging es um die harten schwarzen Leben in den USA. Spike sagt: „Seit dem Beginn meiner Karriere haftet mir das Label des wütenden Schwarzen an. So, als sei das meine Masche oder ein Image, das ich mir zugelegt habe. Und immer mit dem Unterton, dass ich maßlos übertreibe. Aber glauben Sie mir: Als afroamerik­anischer Bürger der Vereinigte­n Staaten, deren gesamtes Fundament von Anfang an auf dem Genozid an den Ureinwohne­rn sowie auf Sklaverei basierte, habe ich jedes Recht darauf, wirklich wütend zu sein.“Und das zeigt er bis heute, vor allem heute wieder, in Zeiten von Trump und #Blacklives­matter. Als vor zwei Jahren kein Schwarzer unter den oscarnomin­ierten Darsteller­n war – wer rief zum Boykott auf? Genau.

Aber das funktionie­rt ja auch andersrum. „BlacKkKLan­sman“, diese irre wahre Geschichte eines schwarzen Polizisten, eingeschle­ust in den Ku-Klux-Klan, sie wurde Spike angeboten – weil die Rechteinha­ber wussten, dass keiner ihr mehr Aufmerksam­keit verschaffe­n könnte. Geschäft und Haltung eben.

Zwar gibt es von Spike auch viele schlechte Filme, das Remake „Oldboy“oder „Buffalo Soldiers ’44“. Aber eben auch Knüller wie „He Got Game“und „Inside Man“. Mit denen hat er der Welt immerhin auch den Star Denzel Washington beschert.

» Eine Kritik zu „BlacKkKLan­sman“lesen Sie heute auf der Kino Seite.

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