Filmfestspiele Venedig klotzen 2018
Am Lido werden Werke von ganz großen Regisseuren uraufgeführt
Venedig Wahrscheinlich bereut Dieter Kosslick heute seine Entscheidung, als er bei der Berlinale 2006 „Das Leben der Anderen“von Florian Henckel von Donnersmarck nicht zeigen wollte. Das StasiDrama wurde enorm erfolgreich und gewann international zahlreiche Preise, darunter der AuslandsOscar. Nun hat Henckel von Donnersmarck einen neuen Film gedreht – und reichte ihn beim Festival in Venedig ein. Dort konkurriert sein „Werk ohne Autor“im Wettbewerb um den Goldenen Löwen.
Den Festival-Auftakt aber macht am kommenden Mittwoch „First Man“von Damien Chazelle. Er erzählt mit Ryan Gosling in der Hauptrolle von Neil Armstrong, der als erster Mensch den Mond betrat. Der Streifen ist der erste von 21 Beiträgen im Wettbewerb, die um die Hauptpreise der Jury um Guillermo del Toro konkurrieren. Chazelle und Gosling eröffneten übrigens schon vor zwei Jahren die Festspiele auf dem Lido: Das Musical „La La Land“wurde später mit sechs Oscars ausgezeichnet.
Überhaupt konnte sich Venedig in den letzten Jahren als erstes wichtiges Forum für die jeweils folgende Oscar-Saison etablieren. Leiter Alberto Barbera bewies immer wieder ein sehr gutes Gespür für Filme, die später international Erfolg feierten. Wodurch zahlreiche Regisseure diese Plattform nutzen wollen – und das macht sich auch in dieser Festivalausgabe bemerkbar, in der besonders viele hochkarätige Filmemacher und mit Spannung erwartete Werke vertreten sind. Die vierfachen Oscar-Gewinner Ethan und Joel Coen etwa legen mit „The Ballad of Buster Scruggs“einen Western mit James Franco, Liam Neeson und Tom Waits vor.
Auch der Franzose Jacques Audiard entschied sich in seinem ersten Film auf Englisch für eine Westerngeschichte und schickt Joaquin Phoenix und Jake Gyllenhaal in „The Sisters Brothers“durch das Oregon des 19. Jahrhunderts. Alfonso Cuarón hingegen zeigt nach seinem Oscar-Gewinner „Gravity“das in Schwarz-Weiß gedrehte „Roma“über das Mexiko seiner Kindheit. Auch der Brite Mike Leigh geht zurück in die Vergangenheit: „Peterloo“thematisiert das Massaker 1819 in Manchester, bei dem eine friedliche Protestkundgebung tödlich niedergeschlagen wurde.
Julian Schnabel hingegen schaut in „At Eternity’s Gate“mit Willem Dafoe und Mads Mikkelsen auf Vincent van Goghs Zeit in Arles. Henckel von Donnersmarcks „Werk ohne Autor“ist ebenfalls das Porträt eines Künstlers (Tom Schilling als Kurt Barnert). Dieser wird nach der Flucht in den Westen von den Erinnerungen an die NS-Zeit und an das SED-Regime verfolgt. Donnersmarck ließ sich auch durch die Biografie Gerhard Richters inspirieren.
Im Wettbewerb stammt zwar nur ein einziger Beitrag von einer Frau. Dennoch könnten gleich mehrere Frauen einen starken Eindruck hinterlassen: Natalie Portman gibt in „Vox Lux“eine Sängerin, die sich zurück ins Leben kämpft, während die australische Regisseurin Jennifer Kent in „The Nightingale“eine Frau auf einen Rachefeldzug schickt. Und Luca Guadagnino besetzte sein „Suspiria“fast ausschließlich mit Schauspielerinnen, darunter Dakota Johnson und Tilda Swinton.
Außer Konkurrenz bietet das Programm unter anderem: Bradley Coopers Regiedebüt „A Star is Born“mit Lady Gaga und speziell dafür geschriebenen Songs, Errol Morris’ Dokumentation „American Dharma“mit Steve Bannon, dem einstigen Chefstrategen von Donald Trump, Orson Welles jetzt erst beendeter Film „The Other Side of the Wind“. Die Regielegende hatte das Werk in den 70er Jahren gedreht, konnte es aber nie fertigstellen. 2017 kaufte der Streamingdienst Netflix die Rechte und vollendete den Film. Eigentlich sollte er bereits beim Festival Cannes gezeigt werden. Doch da es dort Ärger um die Kinoauswertung von Netflix-Produktionen gab, wurde der Welles-Film zurückgezogen. Was ganz Besonderes für die nunmehr 75. Festivalausgabe.