Die Bibel gab ihr ein Gefühl von Daheimsein
Miriam Pieczyk ist die neue Vikarin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Günzburg
Günzburg Im Moment richtet Miriam Pieczyk ihre Wohnung im Herzen von Günzburg ein, am 1. September beginnt für die junge Frau, die auf dem Weg zur Pfarrerin ist, ihre Zeit als Vikarin in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Günzburg. Der Einführungsgottesdienst mit Verpflichtung und Einsegnung findet am kommenden Sonntag, 26. August, um 10 Uhr in der Auferstehungskirche statt.
Der Termin ist dem Sommerferien-Gottesdienstplan von Pfarrer Friedrich Martin, dem die Vikarin zugeteilt ist, geschuldet. Die gebürtige Ulmerin wird in den nächsten zweieinhalb Jahren in Günzburg nach und nach in alles eingeführt, was ein Pfarrer macht. Schon am 2. September geht es los mit einer Predigt in der Leipheimer St. Veitskirche beim Gottesdienst mit Abendmahl, Mitte September ist die erste Taufe. Im Pfarrgarten der Auferstehungskirche erzählt die 29-Jährige, wie sie nach ihrem Abitur am musischen Humboldt-Gymnasium in Ulm Lehrerin werden wollte und an ihrem Studienort erkannte, welch ein Familienmensch und wie wichtig Heimat für sie ist. „Ich vermisste die Heimat und begann in der Bibel zu lesen. Irgendwie war da beim Lesen ein starkes Gefühl von Daheimsein.“Der Gedanke, Pfarrerin zu werden, war da aber noch weit weg.
Ihr Aufwachsen beschreibt Miriam Pieczyk als eher kirchenfern. Sie leiht sich also erst einmal in der Bibliothek Literatur über die Bibel aus, wechselt an eine Uni, um Theologie für das Lehramt am Gymnasium zu studieren. „Irgendwie reichte das aber nicht, mein Glaube hatte sich gefestigt, ich habe viel überlegt.“Vor den doch großen Schritt ins Pfarramt – „der Pfarrer ist ein Allrounder, halbherzig geht da gar nichts“– setzt sie einen Praxistest als Prädikantin in ihrer Heimat Lehr-Mähringen. „Nach der Ausbildung für dieses Laienamt, den ersten Gottesdiensten, dem Eingebundensein in den Konfirmandenunterricht, wurde es immer klarer, dass ich mit allen Menschen und mit allen Lebenssituationen zu tun haben möchte.“Pieczyk entscheidet sich fürs Studium der evangelischen Theologie an der LMU in München mit dem Ziel, Pfarrerin zu werden.
Ein großes Vorhaben mit 15 Semestern Regelstudienzeit, falls Hebraicum, Graecum und Latinum nicht vom Gymnasium mitgebracht werden. Die Kenntnis der alten Sprachen ist nötig, um das Alte und Neue Testament sowie die Kirchengeschichte in ihren Ursprungstexten lesen zu können. Als Pfarrerin möchte Pieczyk das Alte aus der Bibel so übersetzen, dass es auf das Heute anwendbar ist. Auch, wenn sie großen Respekt davor hat, in der Predigt vor den größtenteils älteren und damit lebenserfahreneren Gemeindemitgliedern über das Leben und das Christliche zu sprechen.
Im Mai waren die letzten Prüfungen des Ersten Kirchlichen Examens, denen sich das Vikariat anschließt. Ihr Wunsch war, nach Schwaben zu kommen. Dass sie letztlich nach Günzburg gesandt wurde, freut sie. „Ich bin nicht so gerne in der Großstadt. Und Günzburg ist hübsch.“Begleitet wird das Vikariat vom Predigerseminar in Nürnberg, wo sich die künftigen Pfarrerinnen und Pfarrer regelmäßig für eine Woche treffen, zusammen lernen und sich austauschen. Vikare sind bei den Sitzungen des Kirchenvorstands oder der mittelbis langfristigen Finanzplanung dabei, auch Bestattungen gehören zum Aufgabengebiet und im Fall von Pieczyk das Hospitieren in der Klinikseelsorge und der Schuldienst an Gymnasium und Grundschule.
Gefragt nach ihrer Meinung zur Ökumene, sagt Miriam Pieczyk: „Wir sollten die Einheit anstreben, indem wir die Grenzen differenziert wahrnehmen und sie danach überschreiten können.“Die fehlende Kircheneinheit sei immer noch ein schmerzliches Zeichen einer Trennung im Christentum. Mit nach Günzburg werden auch ihre beiden Britisch-Kurzhaar-Katzen umziehen. Zum Einführungsgottesdienst werden die Eltern und ihr Bruder erwartet. Ihr Vater und eine Mitstudentin werden ihr als Paten jeweils einen Bibelspruch zusprechen. Pieczyk freut sich schon darauf, die Günzburger Kirchengemeinde kennenzulernen, den Menschen zu begegnen und mit ihnen in Kontakt zu kommen. Über ihren künftigen Beruf als Pfarrerin sagt sie: „Nur, was von Herzen kommt, kann auch zu Herzen gehen.“