„Irgendwann kommt kein Schiedsrichter mehr“
Immer weniger junge Fußballer wollen Unparteiischer werden. Obmann Robert Zeller argumentiert, es sei gar nicht so leicht, aktiv gegenzusteuern. Er sieht die Vereine in der Pflicht
Sie wurden zu Jahresbeginn als Nachfolger von Wolfgang Glaser zum Obmann der Fußball-Schiedsrichtergruppe Westschwaben gewählt. Mal ehrlich: Wie viele Ideen konnten Sie bereits umsetzen, Herr Zeller?
Zeller: Wir haben bei unseren Schiedsrichtern einen sehr hohen Altersdurchschnitt von etwa 50 Jahren. Wir haben 75-Jährige, die drei, vier Spiele am Wochenende pfeifen. Um einen ersten Schritt zu gehen, war ich also bestrebt, zwei bis drei jüngere Unparteiische von unten in die Kreisliga zu schieben. Das habe ich auch gemacht und das werde ich beibehalten.
Und woran hapert’s noch?
Zeller: Ich möchte natürlich wieder ein paar Leute aus unserer Gruppe in den höheren Spielklassen haben. Der Höchste, den wir momentan besitzen, ist Moritz Osteried. Der pfeift in der Bezirksliga. Aber das liegt nicht an mir allein. Dazu müssen unsere jungen Schiedsrichter natürlich ihren Teil beitragen.
Wie meinen Sie das?
Zeller: Wir hatten einige inzwischen ältere Kameraden, die höhere Klassen gepfiffen haben und dann ausgeschieden sind, beziehungsweise für unsere Gruppe nichts mehr gemacht haben. Dabei wären solche Vorbilder eine Motivation für unsere Jungen. Dann hatten wir junge Leute, die zum Studieren oder zum Arbeiten weggegangen sind, Johannes Imminger vom TSV Offingen zum Beispiel. Unser Ausnahmetalent Konrad Bestle vom SV Mindelzell ist Pfarrer geworden. So haben wir das eine oder andere Talent verloren, anschließend aber keine nachbekommen. Früher war es zugegebenermaßen auch ein bisschen einfacher, sich nach oben zu pfeifen.
Was können Sie als Obmann leisten, um das Problem anzugehen?
Zeller: Es ist schwierig, junge Menschen für den Schiedsrichterjob zu begeistern. Weil unter anderem das Überangebot an Freizeitgestaltungsmöglichkeiten so groß ist. Glücklicherweise gibt es Ausnahmen. Ich habe jetzt einen Jungen, der für die JFG Krumbach pfeift. Er ist mit 16 zu uns gekommen und wollte aus eigenem Antrieb Schiedsrichter werden. Aus solchen Talenten werden oft die Besten.
Wenn Sie als Obmann wenig ausrichten können – wer steht dann in der Pflicht?
Zeller: Die Vereine. Wenn sie Schiedsrichter wollen, müssen sie schauen, dass sie uns welche schi- Um nicht missverstanden zu werden: Das ist kein exklusives Problem im Landkreis Günzburg. In anderen Gruppen sieht’s vielleicht ein bisschen besser aus, aber so viel ist sicher: Das Problem Schiedsrichtermangel kommt mehr oder weniger auf alle zu.
Im Fußball-Kreis Augsburg werden in dieser Runde keine B-Klassen-Spiele mehr mit Unparteiischen besetzt. Die Vereine müssen das selbst regeln. Wie stellt sich die aktuelle Lage im Bereich der Gruppe West dar?
Zeller: Bei uns schaut’s so aus, dass wir – noch – alle Klassen besetzen, so gut es geht. Es kommt allerdings vor, dass am einen oder anderen Wochenende beim einen oder anderen B-Klasse-Spiel kein Schiedsrichter kommt. Das war zum Beispiel am vergangenen Wochenende bei zwei Begegnungen der Fall. Und, ganz ehrlich: Der Schein trügt da auch ein bisschen, denn mein Stellvertreter Xaver Erdle bemüht sich immer bis Sonntagmittag, dass er auch wirklich alle Spiele besetzen kann. Sie selbst könnten doch mal wieder zur Pfeife greifen. Sie sind 53 Jahre alt, liegen also gut im Altersdurchschnitt. Zeller: Wissen sie, ich war 25 Jahre Schiedsrichter, habe in meiner Laufbahn 999 Spiele gepfiffen. Ich habe als Bezirksoberliga- und Bezirksliga-Schiedsrichter immer einen guten Ruf gehabt. Da bin ich stolz drauf. Aber ich bin einfach nicht mehr fit – und den guten Ruf lasse ich mir jetzt nicht kaputt machen.
Aber die 1000 Spiele werden’s schon noch, oder?
Zeller: Das eine mache ich auch noch – aber das suche ich mir selber raus.
Den Einteiler Xaver Erdle haben Sie bereits erwähnt. Auch über seine Person hinaus stehen Sie als Obmann nicht allein für die Gruppe Westschwaben. Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit den Kollegen?
Zeller: Wirklich optimal, da brauchen wir gar nicht reden. Wir passen sehr gut zusammen. Was viele nicht wissen: Die Gruppe würde es gar nicht mehr geben, wenn ich im Jacken. nuar nicht den Obmann gemacht hätte. Dann wären der nördliche und der südliche Teil der FußballSchiedsrichter im Landkreis zwei anderen Gruppen zugeschlagen worden. Und wir hätten bestimmt weitere Schiedsrichter verloren.
Ein anderes Thema: Immer und überall gibt es Vereine, die mehr Platzverweise kassieren als andere und auch häufiger im Zusammenhang mit Zuschauerärger und Abbrüchen genannt werden. Bei unserer jährlichen Fairplay-Verleihung belegen Mannschaften mit türkischen Namen regelmäßig die letzten Plätze; nach der Saison 2017/18 waren es Teams von Türkspor Ichenhausen, Türkiyemspor Krumbach und Bosporus Thannhausen. Nimmt das ein Obmann inzwischen als Realität hin oder arbeitet er konstruktiv an Verbesserungen?
Zeller: Ganz ehrlich: Du kannst da nicht viel machen. Da benehmen sich halt manche Fußballer, Funktionäre und/oder Zuschauer nicht so, wie man sich in Deutschland benimmt. Da ist auch die Mentalität oft anders, ein bisschen muss man das verstehen. Und ich nehme meine Leute gar nicht in Schutz: Da gibt’s auch manche Schiedsrichter, die sich nicht so benehmen, wie sie sollten. Dass sich unter Schiedsrichtern schnell rumspricht, was auf den Plätzen konkret los war, ist halt auch Teil der Wahrheit; das können wir nicht verhindern. Und natürlich machen alle, auch Schiedsrichter, einfach mal Fehler. Aber in der A-Klasse oder in der Kreisklasse kriegst du halt nicht die allerbesten Schiedsrichter. Ich sage immer: Wir haben gute und sehr gute Schiedsrichter – und manchmal steht halt nur ein guter auf dem Platz.
Verantwortliche vor allem süd- und osteuropäischer Vereine behaupten zuweilen Fremdenfeindlichkeit seitens der Unparteiischen. Kann man das so stehen lassen?
Zeller: Das ist nicht so. Wir haben absolut keine Vorurteile gegenüber ausländischen Spielern und Vereinsfunktionären.
Eine Frage zum großen Fußball: Gleich zu Beginn der Bundesliga-Saison gab’s wieder Riesenärger um den Videobeweis. Wie verfolgen Sie die Diskussion?
Zeller: Bei klaren Szenen, Tor oder kein Tor oder klares Abseits, da kann man das machen. Bei der WM war es größtenteils in Ordnung. So wie es in der Bundesliga abläuft, muss ich allerdings sagen: Den Videobeweis brauchen wir in dieser Form nicht.