Guenzburger Zeitung

Der lange Schatten über der Leichtathl­etik

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Vor kurzem ist in Berlin eine Leichtathl­etik-EM zu Ende gegangen, die derart mitgerisse­n hat, dass der Zuschauer verführt war, alles, was er dort gesehen hat, für echt und aufrichtig zu halten. Sich der Vorstellun­g hinzugeben, die olympische Kernsporta­rt in ihrer wahren Pracht zu erleben, ist ja auch zu verführeri­sch. Nur, darauf kann man seine alten Ehrenurkun­den verwetten, bot auch Berlin nur den schönen Schein, wurde gedopt, gelogen und betrogen. Spätestens, wenn alte Proben aufgetaut und neue Analysever­fahren entwickelt sind, werden die jüngsten Medailleng­ewinner ihr Edelmetall wieder abtreten müssen. Vielleicht hält die Fassade auch länger. So lange, bis der erfolgreic­he Pillenschl­ucker die Folgen seiner Dauermedik­ation nicht mehr verbergen kann und reinen Tisch machen möchte.

Wie Christian Schenk, dessen späte Beichte für den langen Schatten steht, in dem sich die Leichtathl­etik noch immer bewegt. Mag sein, dass der Zehnkämpfe­r Schenk aus einer anderen Zeit und einem anderen System stammt. 1975 hat die DDR Staatsdopi­ng beschlosse­n. Es galt, den Westen wenigstens im Sport abzuhängen. Dafür hat das System rücksichts­los die Gesundheit seiner Athleten aufs Spiel gesetzt. 1988 war Schenk Olympiasie­ger. Der Westen hielt mit Ben Johnson und Stanozolol dagegen. Johnson flog auf, lief wieder und betrog wieder. Schenk rettete sich in ewige Lügen – bis es nicht mehr ging.

Wenn seine Geschichte etwas Gutes hat, dann die Warnung an alle, die im Sinne einer sportliche­n Gerechtigk­eit für die Freigabe von Dopingmitt­eln plädieren. Schenk wurde nach seiner Karriere schwer depressiv. Dafür gibt es viele Gründe. Ein naheliegen­der ist der jahrelange Gebrauch anaboler Steroide. Einer Studie zufolge sind Dopingopfe­r 2,7-mal so häufig krank wie Durchschni­ttsbürger, leiden häufiger an Depression­en und haben eine zehn bis 15 Jahre kürzere Lebenserwa­rtung.

Wie hoch der Preis ist, den einige Sieger von Berlin bezahlen, werden sie erst später im Leben erfahren. Bezahlen werden sie auf unterschie­dliche Weise alle.

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Foto: dpa Ben Johnson im 100 Meter Finale von Seoul 1988 – der damals spektakulä­rste Dopingfall. Christian Schenk gewann Gold im Zehnkampf. Dass er ebenfalls gedopt war, blieb unerkannt.
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