Verständigung auch ohne Worte
Beim Europa-Fest in Lannion bringen Tanz, Musik und Bier Franzosen, Deutsche, Spanier und Briten zusammen. Auch wenn nicht alles auf Anhieb klappt
Lannion/Günzburg Dafür brauchte es nicht viele Worte: Einmal linksherum, einmal rechtsherum, und dann mit dem Nebenmann eine Runde zu zweit im Kreise drehen. Das haben alle verstanden – ob sie nun aus Schwaben, aus Galizien, aus Wales oder aus der Bretagne kommen. Und so kam Europa im kleinen Park St. Anne im französischen Lannion zusammen: fröhliche, friedliche Völkerverständigung. Das Fest bildete für die Günzburger, die sich in diesem Jahr zur Komiteefahrt in die bretonische Partnerstadt aufgemacht haben, zugleich Höhepunkt und Finale des Besuches.
Zwischen Bretonen und Schwaben sind in der Woche viele neue Freundschaften gewachsen, andere, wie zum Beispiel die zwischen Komiteesprecherin Lydia Wagner und der inzwischen im Stadtrat von Lannion für die Partnerschaften zuständige Sonya Nicholas. „Nur in der Gastfamilie können wir das Leben und die Kultur hier in der Bretagne wirklich kennenlernen“, hatte Lydia Wagner beim Empfang im Lannioner Rathaus betont. Gemeinsam mit Annick Le Page, der Präsidentin des Lannioner Komitees, mischten die Besucher sich beim Fest auf dem Gelände des ehemaligen Klosters ins europäische Getümmel. Dort waren nämlich nicht nur die Lannioner Partner aus dem spanischen Vivero und dem britischen Caerphilly unterwegs: In die Region Trégor, in der Lannion liegt, reisten auch Partner anderer Städte – zum Beispiel aus Italien und auch aus Feldheim (Kreis Donau-Ries), das mit Plestin-les-Grèves eine Partnerschaft pflegt. Etwa 150 Gäste aus verschiedenen europäischen Städten und Gemeinden waren dazu in die Bretagne gekommen.
Und alle hatten dazu etwas mitgebracht – so erklangen aus Spanien Gesang und Trommeln, die Günzburger präsentierten sich als spontan gegründeter „Komitee-Chor“mit deutschen Volksliedern, und die Briten erwiesen sich als begeisterte Tänzer. Gleich mehrfach gab es das Märchen vom Rotkäppchen und dem bösen Wolf zu erleben – als Chaperon Rouge auf Französisch, aber auch auf schwäbisch und bretonisch wurde das Stück von den Besuchern vorgeführt. Europäisch-gemischt wurde zudem gespeist: Neben dem Crêpes-Stand wurden einträchtig nebeneinander Günzburger Bier und Cidre ausgeschenkt, vor dem traditionellen gemeinsamen Abendessen bildeten spanische Tapas den Aperitif.
Lannions Bürgermeister Paul Le Bihan hatte sich zuvor an eine persönliche Premiere gewagt, als er das erste Fass mit Günzburger Bier vor den Augen der Gäste anzapfte – leider hatte im Reisegepäck der Günzburger der erforderliche Holzhammer gefehlt, sodass der Maire mit einem leichten Gummihammer vorlieb seine Aufgabe meistern musste. „Der Trégor ist eine Region, die von Herzen europäisch ist“, sagte Paul Le Bihan den Besuchern des Festes. Le Bihan erinnerte daran, dass sich dieses Jahr das Kriegsende 1918 zum 100. Mal jährt. „Das Ende des Ersten Weltkriegs war ein Jahr, dass uns alle getrennt hat. Unser Fest heute zeigt, dass wir jetzt wieder vereint sind.“
An den Ersten Weltkrieg erinnert in der Partnerstadt derzeit auch ein vergänglicher Garten entlang des Léguer, des Flusses, der durch Lannion fließt. Den hatten sich die Günzburger Gäste in dieser Woche ebenso angesehen wie einige Drehorte des ARD-Fernsehkrimis „Kommissar Dupin – Bretonisches Leuchten“, der in der Region um Lannion spielt. Der Höhepunkt: Ein Kaffee und ein Stück Kouign Amann, traditioneller bretonischer Butterkuchen, auf eben jener Terrasse, auf der im Film der Kommissar mit seiner Freundin am Strand von Ploumanach schon gespeist hat. Den Tisch aus der Filmszene durften sich übrigens die Freundinnen Lydia Wagner und Sonya Nicholas teilen – und auch da brauchte es eigentlich keine Worte beim gemeinsamen Genuss unter der bretonischen Sonne.