Guenzburger Zeitung

Was im neuen Rentenpake­t steckt

Wie Mütter von den Beschlüsse­n der Koalition profitiere­n. Die Beitragsse­nkungen aber sind nicht von Dauer

- VON MARTIN FERBER

Berlin Manchmal kann es in der Politik auch ganz schnell gehen. Kurz nach Mitternach­t legten die Parteiund Fraktionsv­orsitzende­n von CDU, CSU und SPD im Beisein des Finanz- und des Sozialmini­sters ihren Konflikt um das Rentenpake­t bei, und am Vormittag bereits stimmte das Bundeskabi­nett den Rentenplän­en der Koalition zu. Gleichzeit­ig beschlosse­n die Koalitionä­re eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslos­enversiche­rung um 0,5 Punkte von 3,0 auf 2,5 Prozent. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Ist die Union auf die Forderung von Vizekanzle­r und Finanzmini­ster Olaf Scholz eingegange­n, das Rentennive­au bis zum Jahr 2040 dauerhaft bei 48 Prozent zu stabilisie­ren? Nein. Schon vor dem Treffen hatten die Spitzen der Union unmissvers­tändlich zu verstehen gegeben, dass sie der erst vor wenigen Wochen eingesetzt­en unabhängig­en Rentenkomm­ission nicht zuvorkomme­n und deren Arbeit mit Vorgaben einschränk­en wollen. Die Kommission soll bis 2020 ein Gesamtkonz­ept entwickeln, wie die gesetzlich­e, betrieblic­he und private Altersvors­orge nach dem Jahr 2025 ausgestalt­et werden soll. Insofern blieb es bei den Vereinbaru­ngen des Koalitions­vertrags, dass das Rentennive­au bis 2025 nicht unter den derzeitige­n Stand von 48 Prozent sinken darf und gleichzeit­ig der Beitrag zur Rentenvers­icherung nicht über 20 Prozent, derzeit sind es 18,6 Prozent.

Verbesseru­ngen gibt es bei der Mütterrent­e. Wie sehen diese aus? Alle älteren Mütter, die vor 1992 Kinder auf die Welt gebracht haben, erhalten einen weiteren halben Rentenpunk­t pro Kind und kommen somit auf 2,5 Rentenpunk­te pro Kind, jüngere Mütter erhalten drei Punkte. Vom Tisch ist damit das Vorhaben, dass nur Mütter, die vor 1992 drei oder mehr Kinder geboren haben, den vollen dritten Punkt bekommen, damit wären Mütter mit einem oder zwei Kindern leer ausgegange­n. Diese Regelung hätte möglicherw­eise gegen das Grundgeset­z und dem Grundsatz der Gleichbeha­ndlung verstoßen.

Was bedeutet das für Mütter konkret?

Ein Rentenpunk­t entspricht im Westen der Bundesrepu­blik 32 Euro (im Osten 30,70 Euro). Somit gab es bislang für ältere Mütter in der alten Bundesrepu­blik pro Monat eine zusätzlich­e Rente von 64 Euro für jedes vor 1992 geborene Kind. Nach der Vorgabe des Koalitions­vertrags hätten Mütter mit einem oder zwei Kindern unveränder­t 64 Euro erhalten, mit drei oder mehr Kindern hingegen 96 Euro pro Monat und Kind. Nach dem gestrigen Kabinettsb­eschluss gibt es nunmehr für alle Mütter 80 Euro pro Monat und Kind, bei vier Kindern sind dies 320 Euro. Von der Regelung profitiere­n etwa sieben Millionen Mütter, die zusätzlich­en Kosten belaufen sich auf rund 3,7 Milliarden Euro. Gibt es Kritik an diesen Plänen? Die Wirtschaft­sverbände kritisiere­n die hohen Kosten, die das gesamte Rentenpake­t verursacht. Die Initiative Neue Soziale Marktwirts­chaft verwies auf ein Prognos-Gutachten, wonach bis 2025 zusätzlich­e Kosten von insgesamt 48 Milliarden Euro entstünden, zwischen 2025 und

2045 würden die Nachwirkun­gen des Rentenpake­ts mit weiteren 239 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Die Beschlüsse gingen „vor allem zulasten künftiger Beitragsza­hler“, kritisiert­e Hubertus Pellengahr, der Geschäftsf­ührer der Initiative. Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer sagte, das Rentenpake­t sei unfair, „denn es wird auf die geburtensc­hwachen Jahrgänge unserer Kinder und Enkelkinde­r als milliarden­schwerer Kostenbume­rang zurückkomm­en“. Gleichzeit­ig beschloss die Koalition eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslos­enversiche­rung um 0,5 Punkte. Was bedeutet das? Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er werden bei den Sozialabga­ben spürbar entlastet. Im Koalitions­vertrag hatten Union und SPD eine Senkung um 0,3 Punkte von 3,0 auf 2,7 Prozent des Bruttolohn­s vereinbart. Doch angesichts der vollen Kassen der Nürnberger Bundesagen­tur für Arbeit, deren Rücklagen sich auf über 20 Milliarden Euro belaufen, setzten sich CDU und CSU mit ihrer Forderung nach einem höheren Betrag durch.

Ist die Entlastung bei den Sozialabga­ben dauerhaft?

Nein, denn CDU-Gesundheit­sminister Jens Spahn hat bereits angekündig­t, dass der Beitrag zur Pflegevers­icherung im kommenden Jahr nicht um 0,3 Punkte, sondern um 0,5 Punkte auf dann 3,05 Prozent (Kinderlose 3,3 Prozent) steigen könnte, um die Reformen bei der Pflege zu finanziere­n.

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Jens Spahn

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