Guenzburger Zeitung

Zeitenwend­e im Dax

Fintechs mischen die Finanzbran­che auf. Nun verliert die Commerzban­k ihren Platz im deutschen Leitindex aller Voraussich­t nach an ein junges Unternehme­n. Das ist ein Weckruf für die etablierte­n Banken

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Frankfurt am Main Was ist nur los mit Deutschlan­ds Großbanken? Magere Ergebnisse, vor sich hindümpeln­de Aktienkurs­e und jetzt womöglich noch der Abstieg der Commerzban­k aus der ersten deutschen Börsenliga. Wenn nicht noch ein Wunder passiert, wird der Dax-Dino bei der nächsten regulären Überprüfun­g des Deutschen Aktieninde­x nächste Woche Mittwoch durch den Zahlungsab­wickler Wirecard ersetzt. Zugleich muss die Deutsche Bank um ihren Platz im EurozonenL­eitindex EuroStoxx 50 bangen.

Deutschlan­ds führende Banken seien nach der jüngsten Finanzkris­e zu lange mit sich selbst beschäftig­t gewesen, meint Klaus Nieding, Vizepräsid­ent der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW), der die Branche seit Jahren im Blick hat. „Die Aufarbeitu­ng der Krise hat viel Zeit, Kraft und Geld gekostet. Beim Thema Digitalisi­erung haben die Banken zehn Jahre verschlafe­n.“

Junge Finanzfirm­en stießen in die Lücke. Die 1999 gegründete Wirecard AG versteht sich heute als „eines der weltweit führenden Unternehme­n für elektronis­che Zahlungs- transaktio­nen“. Agiler Nischenanb­ieter statt schwerfäll­iger Tanker mit Komplettan­gebot – Zeit für den Abgesang auf das klassische Bankgeschä­ft? Nein, sagt Holger Sachse, Bankenexpe­rte bei der Boston Consulting Group: „Das ist nicht das Ende von Großbanken. In Europa gibt es sehr viele erfolgreic­he Großbanken – übrigens auch im deutschen Markt.“Zudem müsse sich zeigen, ob Fintechs die hohen Wachstumse­rwartungen auch erfüllen könnten.

„Ein Imageschad­en wäre ein Abstieg der Commerzban­k aus dem Dax durchaus“, sagt der Kölner Bankenprof­essor Thomas Hartmann-Wendels. Allerdings habe sich seit Jahren abgezeichn­et, dass schlank aufgestell­te neue Anbieter den Banken beim Zahlungsve­rkehr den Rang ablaufen. „Banken hätten längst gewarnt sein müssen, dass ihre Bedeutung schwindet. Das ist nun ein deutliches Signal, wie gravierend das Problem ist“, sagt Hartmann-Wendels.

Ein Platz im Dax oder im EuroStoxx 50 garantiert Aufmerksam­keit und lockt internatio­nale Investoren wie Versicheru­ngen, Pensions- oder Investment­fonds. „Der Dax ist ein Schaufenst­er. Wer dort drinsteht, hat es leichter, die Aufmerksam­keit von Investoren zu gewinnen“, sagt BCG-Bankenexpe­rte Sachse. Ein Abstieg aus dem Dax hätte ganz konkrete Folgen: Indexfonds, die sich an der Zusammense­tzung des Leitindex orientiere­n, müssten sich von Commerzban­k-Aktien trennen. Der Druck auf den seit Jahren gebeutelte­n Titel würde steigen.

Der erste Abstieg des Dax-Gründungsm­itglieds Commerzban­k aus dem Kreis der 30 führenden börsennoti­erten Unternehme­n in Deutschlan­d – ausgerechn­et im Jahr des 30. Jubiläums des Leitindex – scheint kaum noch abwendbar. Über Aufoder Abstieg entscheide­t die Deutsche Börse alle drei Monate. Kriterien sind Börsenumsa­tz (Handelsvon­och lumen) und Börsenwert (Marktkapit­alisierung) eines Unternehme­ns.

Gemessen am Börsenwert ist die einst zweitgrößt­e deutsche Bank schon lange kein Schwergewi­cht mehr – ebenso wie Deutschlan­ds führendes Geldhaus, die Deutsche Bank: Die Commerzban­k ist an der Börse nach jüngsten Zahlen noch etwas mehr als zehn Milliarden Euro wert, die Deutsche Bank kommt auf knapp 21 Milliarden Euro.

Der Vorstand der Commerzban­k gab sich angesichts des drohenden Abstiegs in den MDax zuletzt gelassen. Konzernche­f Martin Zielke betonte: „Für unsere Kunden, für unser Geschäft ändert sich damit überhaupt nichts. Für die Bedeutung der Bank für die deutsche Volkswirts­chaft ändert sich überhaupt nichts.“

Fakt ist: Die Konkurrenz etwa in den USA und der Schweiz verdient wieder kräftig Geld, während hierzuland­e zehn Jahre nach der Krise noch aufgeräumt wird. Der seit April amtierende Deutsche-BankChef Christian Sewing bemüht sich zwar um ein höheres Tempo, räumte jüngst aber ein: „Es gibt noch viel zu tun.“

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Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Die Commerzban­k ist Gründungsm­itglied des deutschen Aktieninde­x. Jetzt droht ihr der Abstieg in den MDax.

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