Im Ort gibt’s auch einen „Heiratsmarkt“
Dorfserie (9) Die ehemals selbstständige Gemeinde Seifertshofen verdankt ihren Bekanntheitsgrad einer ideenreichen Wirtin. Aber auch sonst lässt es sich dort gut leben
Seifertshofen Zum Idealbild eines intakten Dorfes gehört die Kirche und daneben die Wirtschaft. In Seifertshofen trifft dies zu. Hier ist die Welt also noch in Ordnung. Gegenüber früher hat sich aber auch wie in vielen anderen kleinen Gemeinden einiges geändert. Es gibt keinen Sonntagsgottesdienst und die Wirtschaft ist zumindest an den Werktagen tagsüber geschlossen. Der Gemeinschaftsgeist aber ist trotzdem spürbar. Jeder Bewohner ist gerne ein Seifertshofer, wobei allen bewusst ist, dass die Waltenberger gleichwertige Mitbürger sind. Immerhin.
Beide Ortsteile bildeten bis zur Gebietsreform eine politische Gemeinde mit eigenem Bürgermeister. Seit Mai 1978 gehören sie zum größeren Nachbarn Ebershausen und sind Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Krumbach. Unter Bürgermeister Herbert Kubicek fühlen sich alle gut aufgehoben, obwohl sie mit Albert Jenuwein nur einen Vertreter im Gemeindeparlament sitzen haben und damit nach der Einwohnerzahl deutlich unterrepräsentiert sind. Man gewöhnt sich daran, macht das Beste daraus, lebt in Zufriedenheit und teilt das Schicksal so manch anderer kleinen Kommune mit weniger als 100 Einwohnern.
Geschichtlich spielt Seifertshofen gleichfalls keine große Rolle. Lange Zeit gehörte es zum Kloster Roggenburg, ab 1581 waren die Fugger in Babenhausen die Dienstherren und von 1695 bis 1805 war es Besitz der Jakobspfründe Augsburg.
Bekannt wurde es und ist es noch heute zumindest im schwäbischen Raum durch eine Besonderheit: das Tanzlokal Keller. Von diversen Kreisen gerne besucht, findet dort an jedem Wochenende ein Heiratsmarkt im durchaus positiven Sinne statt. Dieser besitzt eine im weiten Umkreis einzigartige Erfolgsquote. Und dies seit fast 60 Jahren.
So lange betreibt inzwischen die Familie Keller das Lokal, heute in der dritten Generation. Was dabei geboten wird? An jedem Samstag ein seriöser Tanzabend mit bekannten Kapellen und am Sonntagnachmittag ein bis in den Abend hinein reichender Tanztee. Beide Veranstaltungen sind speziell ausgerichtet für Personen im Alter ab etwa 35 bis 70 Jahre.
Die Seele des Betriebs ist, wie bereits zu Beginn im Jahr 1958, noch immer die Hausherrin und Wirtin Josefa Keller, die sich für die Zeitung nicht fotografieren lassen will. Unterstützt wird sie von zwei ihrer vier erwachsenen Söhne und von mehreren Enkeln. Der um 1964 gebaute Saal im Obergeschoß des Gasthofs bietet Platz für 300 Personen, ist also auch für Hochzeiten und Geburtstagsfeiern groß genug. Auf eines pocht Josefa Keller besonders: „Willkommen sind uns zum Tanz in erster Linie reifere, vielfach allein stehende Men- schen beiderlei Geschlechts, die sich hier bei guter Musik und froher Unterhaltung kennenlernen sollen.“Zahlreiche Dankschreiben, Einladungen zur Hochzeit und viele persönliche Gespräche beweisen der Gastgeberin, dass sie auch nach sechs Jahrzehnten immer noch „richtig“liegt und auf diese Weise viele Menschen glücklich gemacht hat oder ihnen einen Lebenspartner vermitteln konnte.
Profitiert hat davon auch das benachbarte, auf einem Hügel stehende Ulrichskirchlein. Mesnerin Annemarie Horber, die seit zehn Jahren ehrenamtlich aktiv ist, erinnert sich gerne an einige Hochzeiten und auch Taufen, die ihren Ursprung im benachbarten Gasthof hatten. Kunsthistorisch ist die Kapelle mit ihrem weithin sichtbaren Zwiebelturm das einzig bemerkenswerte Gebäude des Weilers. Sie stammt aus dem Jahr 1731 und wurde mehrfach restauriert. Dabei wurden 1989 hinter den Seitenaltären einige Stuckfragmente aus einem Vorgängerbau freigelegt. Ungewöhnlich sind die kunstvoll gestaltete Fassade, der Zugang zur Kanzel von außen und die insgesamt fünf Darstellungen des Heiligen. Ulrich, die ihn alle mit dem Fisch in der Hand zeigen. Annemarie Horber setzt viel Liebe und Zeit für die Ulrichskapelle ein. Sie reinigt sie, kümmert sich um den Blumenschmuck und öffnet die Tür, wenn Fremde Interesse zeigen. Das gilt auch für die kirchlichen Feiern, denn alle 14 Tage ist am Dienstag Messe – und von Oktober bis Mai jeden Freitag Rosenkranz.
Bei einem weiteren Blick zurück in die Seifertshofer Geschichte stößt man auf den Namen Gossner, der 1750 erstmals im Ort auftaucht und 1931 letztmals erwähnt wird. Die aus Schwaz in Tirol stammende Familie kaufte 1647 vom Kloster Roggenburg einen Bauernhof in Hilbertshausen. Im Lauf der Jahre ergaben sich mehrere Gossner-Linien, bevor ein Sebastian Gossner 1765 die Wirtschaft in Seifertshofen eröffnete. Die folgenden Generationen machten daraus eine Bierbrauerei, die zu den Größten im weiten Umkreis gehörte. 1931 war der Betrieb abgewirtschaftet und wurde von Johann Keller, dem Schwiegervater der heutigen Wirtin gekauft. Zu großem Ansehen brachte es der 1773 geborene Johannes Gossner, der Pfarrer wurde, später zur protestantischen Kirche übertrat und in St. Petersburg und Berlin als Prediger wirkte. Verdienste erwarb er sich außerdem durch seine Missionstätigkeit in Indien.
Was gibr es heute noch in Seifertshofen? Vier Milchviehbauern und zwei Handwerksbetriebe, nämlich das Elektro-Fachgeschäft von Albert Jenuwein und die Baumschule Max Weber. De Mann wohnt zwar in Zaiertshofen, lässt aber die Pflanzen auf seiner Heimatflur Seifertshofen wachsen. Was das Vereinsleben betrifft, ist die gemeinsame Feuerwehr Seifertshofen/Waltenberg mit zwei Dutzend Aktiven zu nennen und eine eigene Jagdgenossenschaft. Gemeinderat Jenuwein freut es besonders, dass gleich mehrere Häuser eingerüstet sind und straßenseits renoviert werden. Für ihn bedeutet dies eine erhebliche Verbesserung des Ortsbildes, was seiner Meinung wieder jedem Mitbürger zugutekommt.
Spontan verweist Jenuwein auf ein Problem im Zusammenhang mit dem derzeitigen Einbau eines Verkehrskreisels in die B 300 östlich von Ebershausen: Zwar ist die Bundesstraße ab Waltenberg gesperrt und doch werde der Hohlenbachweg vielfach als Umleitung genutzt. Der unbefestigte Feldweg östlich der Hasel zwischen B 300 und Seifertshofer Brücke leide unter dem starken Verkehrsaufkommen erheblich. Deshalb will er das Thema bei der nächsten Gemeinderatssitzung zur Diskussion bringen. Für ihn trägt das Straßenbauamt als Auftraggeber der Maßnahme an der unguten Situation eine Mitschuld. Er findet, dass die Behörde zumindest für einen Teil der Kosten für die notwendig werdende Instandsetzung des Feldwegs aufkommen muss. Jenuwein: „Aber das diskutieren wir erst, wenn der Bürgermeister von seiner Russland-Fahrt zurück ist.“