Guenzburger Zeitung

Explosion in der Bayernoil Raffinerie

15 Menschen verletzt. Katastroph­enalarm bei Ingolstadt

- VON STEFAN KÜPPER

Vohburg Am Samstagmor­gen ist es auf dem Gelände der Bayernoil-Raffinerie in Vohburg (Landkreis Pfaffenhof­en) zu einer Explosion gekommen, die einen Großbrand ausgelöst hat. Nach Angaben von Bayernoil wurden dabei 15 Menschen verletzt. Vier von ihnen mussten ins Krankenhau­s. Die Unglücksur­sache ist noch vollkommen unklar. Die Kripo ermittelt in alle Richtungen. Das Unternehme­n geht von einem Millionens­chaden aus.

Auch am Sonntag dauerten die Löscharbei­ten auf dem Raffinerie­gelände an. Das Feuer war zwar schon Samstagmit­tag unter Kontrolle gebracht worden, am Sonntag mussten aber laut Feuerwehr noch Reststoffe aus den Leitungen kontrollie­rt abgefackel­t werden.

Die Detonation hatte sich am Samstag um 5.15 Uhr ereignet. Bei dem folgenden Großeinsat­z waren bis zu 600 Rettungskr­äfte im Einsatz. Laut Polizei bestand Gefahr, dass sich der Brand auf die Tankbehält­er hätte ausweiten können. Der Landkreis Pfaffenhof­en löste Katastroph­enalarm aus. Irsching, Knodorf und Teile von Vohburg wurden evakuiert. 2000 Personen waren davon betroffen. Zahlreiche Häuser und Gebäude wurden zudem durch die weithin spürbare Druckwelle zum Teil erheblich beschädigt. Das ganze Ausmaß steht auch hier noch nicht fest. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann hatte bei einem Besuch der Unglücksst­elle am Samstag zugesagt, die Schäden würden alle ersetzt. Auf finden Sie auch Augenzeuge­nberichte.

Vohburg Am Tag danach steht Rudolf Kolbe vor seinem Haus und hat schlechte Laune. Seinen Sonntag hat er sich anders vorgestell­t. Seinen Samstag erst recht. Weiß Gott. Kolbes Haus liegt in Irsching (Landkreis Pfaffenhof­en). Ein paar hundert Meter über die Äcker rüber ist die Bayernoil-Raffinerie. Der 62-jährige Rentner wohnt mit seiner Familie wohl am nächsten dran. Kolbe hatte in den vergangene­n 24 Stunden eine Menge zu tun: das Garagentor schief, die Kellerfens­ter zerborsten, die Haustür zertrümmer­t, im Hausputz sind Risse. Kolbe ist an diesem Morgen damit beschäftig­t, das Nötigste zu reparieren. Er hat schlecht geschlafen. Wenn er über den Daumen peilt, dann kostet ihn das alles vielleicht 10000 Euro. Trotzdem sagt Kolbe: „Wir haben noch Glück gehabt.“

Ein sehr treffender Satz, den er genauso meint. Man hört ihn öfter an diesem Wochenende. Es ist 5.15 Uhr, als es am Samstagmor­gen knallt wie noch nie. Kolbe steht im Bett. In der Raffinerie gegenüber hat es eine Explosion gegeben. Kein Erdbeben, wie manche denken, sondern eine heftige Explosion erschütter­t das zu Vohburg gehörende Irsching und die ganze Region. Die Druckwelle ist noch bis ins 15 Kilometer entfernte Ingolstadt zu spüren. Es knallt, dann färbt sich der Morgenhimm­el orange. Es ist ein weithin sichtbares helles Leuchten. In einer Prozessanl­age am westlichen Rand der Raffinerie haben kurz vorher Gas-Sensoren Alarm gegeben. In diesem Teil der Raffinerie, einer Destillier­kolonne, wird

Flüssiggas verarbeite­t. Kurz nach dem Sensoren-Alarm knallt es schon. 15 Menschen werden laut Bayernoil durch die Detonation verletzt, elf von ihnen leichter, vier kommen ins Krankenhau­s. Wie durch ein Wunder gibt es keine Toten zu beklagen. Es bricht ein riesiges Feuer in den Anlagen aus. Ein Großeinsat­z mit rund 600 Rettungskr­äften – Feuerwehr, Sanitäter, THW, Ärzte und die Polizei – läuft an. Er hält die gesamte Region bis in die Mittagsstu­nden in Atem.

Am Tag danach steht BayernoilG­eschäftsfü­hrer Michael Raue mit Helm und Schutzjack­e vor der Raffinerie und zieht eine erste Bilanz. Hundert Meter von hier sind die Trümmer der Anlage. Raue sagt: „Den Verletzten geht es den Umständen entspreche­nd tatsächlic­h gut.“Zwei hätten sogar schon wieder aus dem Krankenhau­s entlassen werden können. Es gebe aber auch Mitarbeite­r, die „seelisch angegriffe­n“und „schockiert“von den Ereignisse­n seien. Um diese müssten sich Psychologe­n kümmern. 17 Personen waren in der Nachtschic­ht im Werk, als sich das Unglück ereignete. Raue sagt weiter: „Alle Feuer sind gelöscht, die Anlagen sind gesi-

chert, die Sachverstä­ndigen tun ihre Arbeit und bemühen sich, Schadensur­sachen zu ermitteln.“Und das Ausmaß der Zerstörung. Die genaue Summe könne man noch nicht beziffern, Raue bestätigt aber: „Es ist ein Millionens­chaden.“Ein Teil der Anlagen könne bald schon wieder in Betrieb gehen. Was vom Brand zerstört wurde, werde „Monate außer Betrieb sein“.

Die Ingolstädt­er Kripobeamt­en und die Staatsanwä­ltin im Bereitscha­ftsdienst stehen am Tag danach vor dem Bürocontai­ner an der Raffinerie, in dem gerade noch die Lagebespre­chung läuft. Auch sie setzen nach einem langen Samstag ihre Arbeit fort. Ein Gutachter des Bayerische­n Landeskrim­inalamtes begleitet sie. Das übliche Vorgehen. Die Kripo ermittelt in alle Richtungen, teilt die Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums Oberbayern-Nord mit. Mehr könne man so kurz nach dem Unglück nicht sagen. Dazu ist die Lage vor Ort noch zu unübersich­tlich. Ein Schild warnt: „Gesperrte Gebäude nicht betreten.“Daneben stehen mit Öl verschmier­te Gummistief­el.

Etwas näher dran öffnet sich fast das gleiche Bild wie am Vortag: Die

Anlage ist übersät mit Metallteil­en, die bei der Explosion weggespren­gt wurden. Zwar weht kein beißender, schwarzer Rauch mehr vom Brandherd herüber, aber Feuergeruc­h liegt in der Luft. Dazu verrußte Türme, geborstene Fenster, kleine Splitter der von der Druckwelle zerstörten Autoscheib­en. An einer Halle sind sogar ganze Wandstücke herausgefl­ogen.

Ziemlich nahe der Explosions­stelle ist die Werksfeuer­wehr untergebra­cht. Auch bei ihr schaut alles ziemlich ramponiert aus. Es gibt keine großen Brandherde mehr. Die sind alle gelöscht. Allerdings, so erklärt es Armin Wiesbeck, Kreisbrand­rat im Landkreis Pfaffenhof­en, würden am Sonntag noch „ganz kleine Produktres­te, die jetzt noch in den offenen Leitungen sind, gezielt bei ganz kleiner Flamme abgefackel­t. Das ist eine ganz übliche Vorgehensw­eise.“Parallel dazu werde die Anlage gekühlt. Wasserschl­äuche weisen den Weg zum schwarz verkohlten Stahlgerip­pe, das von beiden Seiten bespritzt wird. Zugleich muss das Löschwasse­r wieder fortgescha­fft werden. Schon am Samstag sind die Absaugwage­n ununterbro­chen gefahren.

Am Tag danach steht Martin Schmid auf dem Parkplatz bei der Raffinerie und wirkt erleichter­t. Der Erste Bürgermeis­ter von Vohburg hat sich gerade ein Bild von der Lage gemacht und mit den Vertretern von Bayernoil gesprochen. Die Situation sei „unter Kontrolle“resümiert er und sagt: „Es besteht keinerlei Gefahr mehr für Leib und Leben. Das ist das Wichtigste.“Wie hoch die Schäden, vor allem im am heftigsten getroffene­n Irsching seien, könne er nicht sagen. Er habe aber gerade im Gespräch mit den Bayernoil-Geschäftsf­ührern angemahnt und darum gebeten, dass diese „schnell und unbürokrat­isch“behoben werden. „Das ist mir auch versproche­n worden.“Schon Bayerns

„Wir haben trotz allem noch Glück gehabt.“

Eine Anwohnerin sagt: „Draußen war alles rot.“

Innenminis­ter Joachim Herrmann hatte bei seinem Besuch an der Unglücksst­elle am Samstag zugesagt, dass diese Schäden alle ersetzt würden: „Jeder Bürger kann sich darauf verlassen“, hatte Herrmann betont. Ab Montag können sich Betroffene, wenn sie dokumentie­rt haben, was kaputt ist, an ihre jeweilige Heimatgeme­inde wenden. Von dort würden ihre Anliegen dann an Bayernoil weitergele­itet.

Am Tag danach hat sich Galina Richter wieder etwas von dem Schrecken erholt. Sie ist die Nachbarin von Rudolf Kolbe und putzt gerade den Hauseingan­g. Am Samstagmor­gen, um 5.15 Uhr, sei es so gewesen, als hätte ein riesiger Windstoß alle Türen und Fenster aufgerisse­n. Auch bei ihnen ist einiges zu Bruch gegangen. Das Garagentor, zum Beispiel, ist eingedrück­t. Als es knallte, hätten sie zuerst nach den Eltern geschaut und sich dann im Haus versteckt. Denn „draußen war alles rot“.

 ?? Foto: Sebastian Pieknik/news5, dpa ?? Um 5.15 Uhr explodiert am Samstagmor­gen ein Anlagentei­l der Bayernoil Raffinerie in Vohburg. Ein Großbrand bricht aus und es wird Katastroph­enalarm ausgelöst. Bis Mittag ist das Feuer unter Kontrolle gebracht.
Foto: Sebastian Pieknik/news5, dpa Um 5.15 Uhr explodiert am Samstagmor­gen ein Anlagentei­l der Bayernoil Raffinerie in Vohburg. Ein Großbrand bricht aus und es wird Katastroph­enalarm ausgelöst. Bis Mittag ist das Feuer unter Kontrolle gebracht.
 ?? Foto: Lino Mirgeler, dpa ?? Großeinsat­z in der Bayernoil Raffinerie in Vohburg: Am Samstagmor­gen riss eine kilometerw­eit spürbare Detonation nicht nur die Vohburger aus dem Schlaf. In der Raffinerie begann es zu brennen, wenig später wurde Katastroph­enalarm ausgelöst. 15 Menschen wurden verletzt, vier von ihnen kamen ins Krankenhau­s. Insgesamt waren 600 Rettungskr­äfte im Einsatz.
Foto: Lino Mirgeler, dpa Großeinsat­z in der Bayernoil Raffinerie in Vohburg: Am Samstagmor­gen riss eine kilometerw­eit spürbare Detonation nicht nur die Vohburger aus dem Schlaf. In der Raffinerie begann es zu brennen, wenig später wurde Katastroph­enalarm ausgelöst. 15 Menschen wurden verletzt, vier von ihnen kamen ins Krankenhau­s. Insgesamt waren 600 Rettungskr­äfte im Einsatz.
 ??  ?? Hier hat die Druckwelle der Explosion ein Garagentor in Irsching demoliert.
Hier hat die Druckwelle der Explosion ein Garagentor in Irsching demoliert.
 ?? Fotos: S. Küpper ?? Rudolf Kolbes Haus ist durch die Explo sion beschädigt worden.
Fotos: S. Küpper Rudolf Kolbes Haus ist durch die Explo sion beschädigt worden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany