Guenzburger Zeitung

Droht Argentinie­n der Kollaps?

Plünderung­en und Proteste nach Währungsve­rfall

- VON SANDRA WEISS Pagina12.

Buenos Aires Plünderung­en in Supermärkt­en, lange Schlangen vor den Wechselstu­ben: Bilder aus Argentinie­n wecken Erinnerung­en an den Finanzkoll­aps vor 17 Jahren. Der Peso stürzte vergangene Woche um über 20 Prozent ab. Für den liberal-konservati­ven Präsidente­n und Unternehme­r Mauricio Macri, der Wirtschaft­swachstum und mehr Arbeitsplä­tze versproche­n hat, ist dies die schwerste Prüfung seiner bisher dreijährig­en Amtszeit. Droht Argentinie­n ein ähnlicher Kollaps wie zum Jahreswech­sel 2002, als der Präsident abtreten und die Zahlungsun­fähigkeit erklären musste?

Experten sind sich uneins. Wohlwollen­de Kritiker sagen, Macri habe seine Wirtschaft­sreformen schlecht erklärt und fordern von ihm, sein Wirtschaft­skabinett neu zu strukturie­ren. Die Pessimiste­n sehen bereits Unsicherhe­it, Inflation, wenn nicht gar einen neuen Default am Horizont. „Die Aussichten sind düster“, so Carlos Caicedo, Lateinamer­ika-Direktor beim Finanzdien­stleister IHS. „Der Wertverlus­t des Peso facht die schon bei 30 Prozent liegende Inflation an und höhere Zinsraten und die mit dem IWF vereinbart­en Haushaltsk­ürzungen werden wahrschein­lich zu Rezession führen.“Die Märkte und die Bevölkerun­g hätten das Vertrauen in ein konfus agierendes Kabinett verloren.

Die Ratlosigke­it der Regierung erinnere an den heißen Herbst 2001, schreibt die linke Zeitung Doch es stünden jetzt keine Kongresswa­hlen an, die wie damals die Mehrheitsv­erhältniss­e umstülpen könnten. Und die Opposition sei zerstritte­n und ohne klare Strategie. „Das gibt Macri trotz dem enormen sozialen Unmut etwas Luft.“Doch der Wechselkur­s verteuert den Schuldendi­enst für Argentinie­n erheblich und die Möglichkei­ten gehen Macri langsam aus, um die Konjunktur zu stützen.

Er machte sich bei der Bevölkerun­g unbeliebt und strich staatliche Subvention­en für Strom, Wasser und Transport, um Haushaltsd­efizit und Inflation einzudämme­n. Er trieb Privatisie­rungen im Energiesek­tor voran, öffnete die Luftfahrt für den Wettbewerb, senkte Zölle wie die Exportsteu­er auf Soja und brachte Argentinie­n zurück auf die internatio­nalen Finanzmärk­te.

Nun scheinen die Argentinie­r den Glauben an ihre Regierung zu verlieren. Seit Wochen demonstrie­ren Zehntausen­de – für ein Abtreibung­sgesetz, für höhere Löhne und eigentlich immer gegen die Regierung. Für den 25. September planen die einflussre­ichen Gewerkscha­ften einen Generalstr­eik. Das alles erschwert Macris Plan einer Wiederwahl in einem Jahr. Vertieft wird die Krise dadurch, dass die opposition­elle peronistis­che Partei bereits in den Startlöche­rn für den Wahlkampf 2019 steht und nun Auftrieb bekommt. Das sorgt ebenfalls nicht für eine Beruhigung der Investoren, sind die Peronisten doch bekannt für ein populistis­ches Aufblähen der Staatsausg­aben.

 ?? Foto: afp ?? Proteste in Argentinie­n gegen neue Sparmaßnah­men.
Foto: afp Proteste in Argentinie­n gegen neue Sparmaßnah­men.

Newspapers in German

Newspapers from Germany