Guenzburger Zeitung

Stadt Ulm benennt Heilmeyer Saal um

Der Gründungsr­ektor der Uni stand dem Nazi-Regime nahe. Auch in Günzburg wird debattiert

- VON SEBASTIAN MAYR

Ulm/Günzburg Er war Gründungsr­ektor der Uni Ulm, hat als Arzt, Wissenscha­ftler und Bürger der Stadt viel geleistet. Als Vorbild gilt Ludwig Heilmeyer in Ulm dennoch nicht mehr – zumindest nicht mehr uneingesch­ränkt. Historiker werfen dem Mediziner seine unkritisch­e Haltung zum Nationalso­zialismus und sein Verhalten in der Nachkriegs­zeit vor. Darf eine Straße den Namen dieses Manns tragen? Und darf ein Saal, den vor allem soziale Gruppen und Verbände für Treffen und Veranstalt­ungen nutzen, nach ihm benannt sein?

Schon seit Langem schwelt diese Diskussion auch in Günzburg, wo ebenfalls eine Straße nach dem Gründungsr­ektor der Uni Ulm benannt ist – jene, die unter anderem zu den Kliniken führt. In Ulm läuft die Diskussion schon etwas länger. Nun hat die Stadt eine erste Entscheidu­ng getroffen. Der Heilmeyer-Saal im Ochsenhäus­er Hof wird in Felix-Fabri-Saal umbenannt. Am 5. Dezember spricht der emeritiert­e Stuttgarte­r Geschichts­professor Folker Reichert dort über den neuen Namensgebe­r, den Mönch und ersten Chronisten der Stadt. Vor 550 Jahren versetzte der Dominikane­rorden Fabri nach Ulm.

Kulturbürg­ermeisteri­n Iris Mann begründet die Entscheidu­ng, dem Saal einen neuen Namen zu geben, mit der persönlich­en Geschichte Heilmeyers – und mit dem Ort, an dem sich der Saal befindet. „Der Name ist entstanden, als die Uni noch dort war“, erklärt Mann. Inzwischen gebe es keinen räumlichen Zusammenha­ng mehr zwischen dem Gründungsr­ektor und dem Ochsenhäus­er Hof. Bei Felix Fabri ist das anders: Der Mönch und Chronist hat dort gewirkt.

Auch die zwiespälti­ge Geschichte Ludwig Heilmeyers spielte bei der Entscheidu­ng der Stadt eine Rolle. „Seine Vorbildfun­ktion hat sich durch die neuen Erkenntnis­se relativier­t“, sagt Mann. Seit dem Frühjahr des vergangene­n Jahres wird in Ulm und Günzburg über Heilmeyer debattiert. In beiden Städten wirkte der Mediziner. Günzburg hat ihn wegen seiner Verdienste sogar zum Ehrenbürge­r ernannt, dort ist eben die Ludwig-Heilmeyer-Straße bei den Kreisklini­ken nach dem Arzt benannt.

Ins Rollen kam die Debatte, nachdem eine Freiburger Kommission aus Historiker­n und Politologe­n einen Bericht veröffentl­ichte. Darin wurde die dunkle Seite Heilmeyers erstmals öffentlich bekannt: Der herausrage­nde Wissenscha­ftler stand dem nationalso­zialistisc­hen Unrechtsre­gime nahe. Zwar wurden seine Anträge, in die NSDAP aufgenomme­n zu werden, abgelehnt. Auch Unterstütz­ung bekam er nicht. Doch in der Nachkriegs­zeit setzte er sich bei den Nürnberger Prozessen für die Rehabiliti­erung des KZ-Arztes Wilhelm Beiglböck ein, der in Dachau Menschenve­rsuche an Sinti und Roma vorgenomme­n hatte. Zudem veröffentl­ichte Heilmeyer nach dem Krieg ein Lehrbuch unter seinem Namen, das eigentlich ein von den Nazis ermordeter Jude verfasst hatte.

Eine Arbeitsgru­ppe des Gemeindera­ts berät derzeit über Kriterien für Paten von Straßen in der Stadt. Auch die Frage, wann ein Weg einen neuen Namen bekommen soll, spielt dabei eine Rolle. Die Arbeitsgru­ppe hat die Entscheidu­ng, den Heilmeyer-Saal in Felix-Fabri-Saal umzubenenn­en, abgesegnet. Weil keine Dritten, wie Anwohner, betroffen sind und das Gebäude der Stadt gehört, könne dieser Name ohne Weiteres verändert werden, erläutert Mann. Ob auch die Heilmeyers­teige am Oberen Eselsberg umbenannt wird, steht noch nicht fest. Bis zur Entscheidu­ng werde es noch einige Zeit dauern, kündigt die Kulturbürg­ermeisteri­n an. „Es ist eine heikle Angelegenh­eit, die weitere Kreise ziehen kann“, sagt sie.

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Ludwig Heilmeyer

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