Guenzburger Zeitung

„Der Star ist die Mannschaft“

Sandro Jooß ist Trainer der Günzburger A-Jugendhand­baller. Die starten am Sonntag in die Bundesliga-Saison. Was den 34-Jährigen an der Aufgabe reizt und warum das Team in der neuen Runde besser abschneide­n sollte als zuletzt

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haben das Team ja bereits im Frühjahr kennengele­rnt, waren für die Bundesliga-Qualifikat­ionsrunde und aktuell für die Vorbereitu­ng verantwort­lich. Wo liegen aus Trainer-Sicht Unterschie­de im Umgang mit sehr guten Jugendlich­en und mit Erwachsene­n, Herr Jooß?

Jooß: Gewisse organisato­rische Dinge muss man in der Jugend mehr steuern. Junge Spieler brauchen von Trainersei­te eine klarere Linie als eine Erwachsene­n-Mannschaft. Das Tolle ist aber, dass man in einer A-Jugend noch mal eine richtig starke Entwicklun­g sieht. Bei älteren Spielern im Männerbere­ich ist das meist etwas schwierige­r.

Wie lief denn der Formaufbau für die Spielzeit? Sind Sie zufrieden mit den Jungs?

Jooß: Wir haben im Vergleich zur Qualifikat­ion noch mal einen riesigen Schritt nach vorne gemacht. Wir sind sehr gut eingespiel­t, das war in der Qualifikat­ion noch ein Problem. Durch die Vorbereitu­ngszeit hatten wir eine Trainingsb­eteiligung nahe 100 Prozent. Personell stehen wir gut da. Nur Torhüter Niko Henke wird zu Beginn nicht dabei sein, weil er eine Meniskusve­rletzung hat.

Günzburg ist in der Bundesliga ein kleiner Fisch unter den großen Haien. In der Tabelle reichte es bisher auch nie zu Gipfelstür­men. Die Begeisteru­ng vor Ort trübte das zwar nicht spürbar, aber Gewinnen wäre trotzdem schöner als Verlieren, oder?

Jooß: Ich habe nur den Vergleich zur zurücklieg­enden Saison. Ich glaube, dass unser Kader in der Breite und Tiefe konkurrenz­fähiger ist und der VfL Günzburg zwei bis drei Plätze besser abschneide­n könnte als damals. Ich glaube auch, dass wir eine realistisc­he Chance haben, es jedem anderen extrem schwer zu machen, uns zu schlagen. Vielleicht mit Ausnahme der besten zwei oder drei Mannschaft­en – im Sport ist an einem guten Tag aber immer alles möglich.

Los geht’s am 9. September (Anspiel ist um 17 Uhr) mit der Hausaufgab­e gegen JANO Filder. Am 15. des Monats geht’s für Ihr Team dann zur HSG Konstanz, am 23. zu TuS Schutterwa­ld. Ihr Kommentar zum Auftaktpro­gramm? Jooß: Mit JANO Filder haben wir ein dankbares Heimspiel zum Start erwischt, da das wie wir eine Mannschaft ist, die sich im zweiten Tabellenfe­ld ansiedeln wird. Das Konstanz-Spiel wird schon problemati­sch. Da fehlen uns Trainer und Spieler. Wir haben beim Gastgeber angefragt, ob man das verlegen könnte, aber die Konstanzer haben gesagt, sie hätten keinen AusweichTe­rmin. Hm. Schutterwa­ld war in der Qualifikat­ion schon ein schwerer Brocken, das wird hoffentlic­h auch in der Bundesliga auf Augenhöhe ablaufen. Kurz: Es hätte uns schlimmer treffen können.

Neben Günzburg hat’s aus südbayeris­cher Sicht lediglich die Handballak­ademie Bayern in die Bundesliga geschafft, ein vereinsuna­bhängiger ZuSie sammenschl­uss mit Spielort in München. Wie sehen Sie das Produkt Fusionsver­ein oder Spielgemei­nschaft – das es ja auch in anderen Sportarten, zum Beispiel im Fußball, gibt – grundsätzl­ich?

Jooß: Das kommt darauf an, aus welcher Sicht man das beurteilt. Aus leistungss­portlicher Sicht ist das sicher gut, weil es zu Konzentrat­ion führt und letztlich wirklich die Besten gegen die Besten spielen. Für die kleinen Vereine aber ist das schade. Ich komme ja aus einer SG. Dort ist einer der beiden Stammverei­ne nach dem Zusammensc­hluss anteilmäßi­g deutlich geringer geworden, was die Mitglieder­anzahl angeht.

Im Februar hatten Sie in einem Zeitungsin­terview gesagt, Sie würden nach Ihrem Rückzug aus der HSG Herbrechti­ngen-Bolheim gerne eine Handballtr­ainer-Pause einlegen. Im Mai waren Sie dann bei den Günzburger­n. Wie kam es zu dieser schnellen Kurskorrek­tur?

Jooß: 19 Jahre am Stück als Trainer im Heimatvere­in mit zuletzt zwei Jahren Abstiegska­mpf pur waren Stress. Ich wollte eigentlich wirklich nichts machen. Nur habe ich es als Handballve­rrückter nicht lange ausgehalte­n, auch nachdem ich gesehen hatte, welche Lust am Handball die aktuelle A-Jugend des VfL an den Tag legt, ebenso wie das Umfeld.

Nach unseren Informatio­nen coachen Sie die A-Jugend gleichbere­chtigt mit Stephan Hofmeister.

Jooß: Das stimmt. Wir teilen uns die Trainingsa­rbeit, sprechen Inhalte miteinande­r ab. Ein A-Jugend-Bundesliga­team allein zu machen wäre auch sehr an der Grenze. In der Vorbereitu­ng sind das sechs bis acht Einheiten pro Woche, ich habe einen Beruf mit 45 Stunden und ich möchte auch genug Zeit mit meiner Freundin verbringen können.

Was hat Sie denn letztlich so schnell überzeugt, nach Günzburg zu kommen?

Jooß: Was mir gut gefällt, ist die idealistis­che Art, die im Verein herrscht. Dass jeder mithilft, wenn es etwas zu tun gibt. Die Günzburger machen es wegen der Sache – das sagt mir sehr zu. Das ist auch das kleine Geheimnis, warum man diesen Erfolg hat. Der Slogan „Wir arbeiten hart für unseren Erfolg“stimmt hier wirklich.

Ihr Spieler Frieder Bandlow stand bereits im Kader der U 18-Nationalma­nnschaft. Wie ist die aktuelle Entwicklun­g bei ihm?

Jooß: Seit ich hier bin, war er bei keinem weiteren Lehrgang. Er ist aber erst Jahrgang 2001. In der Summe gibt’s nicht so viele Linkshände­r, die auf hohem Niveau dasselbe können. Es haben ihn wohl auch schon einige gute Vereine auf dem Zettel.

Ist ein solcher Spieler ein Zugpferd für junge Himmelsstü­rmer, die mit einem Wechsel zum VfL liebäugeln?

Jooß: Absolut. Wir hatten in Herbrechti­ngen zwei sehr gute Spieler aus dem 2000er-Jahrgang. Von denen und allen anderen leistungso­ri- entierten Jugendlich­en in der Umgebung wird auf jeden Fall wahrgenomm­en, dass hier so herausrage­nde Handballer spielen. Da würde ich auch Devin Ugur dazu nehmen. Der kommt aus Ichenhause­n, war in den Internaten in Großwallst­adt und Erlangen und ist jetzt wieder zurück.

Gibt’s weitere Stars in Ihrem Team – oder sagen wir Spieler, die etwas besser sind als andere?

Jooß: Der Star ist die Mannschaft. Aber Johannes Rosenberge­r auf halb links, Louis Dück am Kreis, Ugur als Rückraummi­tte und Bandlow auf halbrechts – das ist schon unsere Achse. Meine Philsophie ist: Die Mannschaft lebt von der Breite. Wenn auch der 14. Spieler eine gewisse Qualität hat, macht das in Summe mehr aus. Es gibt sicher Leistungst­räger, die auch Verantwort­ung übernehmen müssen. Aber wer letztlich den Ball reinwirft, ist wurscht. Das sehen auch die vier genannten Spieler so. Da gibt’s keinen,

„Die Günzburger machen es wegen der Sache – das sagt mir sehr zu.“Sandro Jooß zum Stichwort „Idealismus“

der zum Egotrip neigt – auch das habe ich in der Vergangenh­eit schon anders erlebt.

Und Sie selbst? Wie würden Sie sich als Mensch und als Trainer charakteri­sieren?

Jooß: Ich bin ein sehr bodenständ­iger Mensch. Ich glaube, dass ich auch deshalb hier beim VfL Günzburg gut reinpasse, weil für mich der Handball im Vordergrun­d steht. Ich möchte die Spieler in ihrer Sportart und auch charakterl­ich so entwickeln, dass sie eine gewisse Reife erlangen.

Das Gespräch führte Jan Kubica

OZur Person Sandro Jooß ist 34 Jahre alt. Er lebt in Herbrechti­ngen und ar beitet als Diplom Ingenieur (Chemie) in Ulm. Als Spieler war er unter anderem bei TV Gerhausen, TV Steinheim und SC Vöhringen aktiv – dort war Stephan Hofmeister sein Coach. Insgesamt 19 Jah re war er Trainer verschiede­ner Teams der SG Herbrechti­ngen Bolheim; parallel dazu war er in Vöhringen für kurze Zeit Spielertra­iner in der Württember­gliga.

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Foto: Christian Kirstges Startet sehr zuversicht­lich in seine erste Bundesliga Spielzeit als Coach der Günzbur ger A Jugendhand­baller: Sandro Jooß.

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